Bildverarbeitung im 10GigE-Zeitalter

Bildverarbeitung im
10GigE-Zeitalter

Highspeed-Interfaces im Vergleich: CameraLink,
CoaXPress und 10GigE

Im Markt der digitalen Videokameras für die IBV spielt Gigabit Ethernet unter den Schnittstellen zur Datenübertragung zwischen Kameras und Verarbeitungseinheiten die größte Rolle. Hier beträgt die nominale Übertragungsgeschwindigkeit lediglich 1Gpbs. Der Standard GigE Vision erhöht die effektive Datenrate für digitales Video und unterstützt die Interaktion zwischen Kameras und Softwareprodukten verschiedener Hersteller. Für ein Video in Full-HD-Auflösung (1.920×1.080 Pixel) liefert der Standard eine maximale Bildrate von ca.30fps und bei 10MP Auflösung ungefähr 7fps. Die Übertragung über USB3.0 kann diese Datenrate theoretisch auf 5Gbps verfünffachen. Real können heute Kameras mit USB3.0-Schnittstelle ca. 4MP mit bis zu 90fps übertragen. Wie können aber die entstehenden Datenraten übertragen und verarbeitet werden? Hierfür sind schnellere Datenschnittstellen nötig, wie z.B. CameraLink, CoaXPress und 10GigE, die im folgenden Beitrag näher vorgestellt werden.
CameraLink (CL) aus dem Jahr 2000 ist in der Riege der älteste Standard, der ein serielles Kommunikationsprotokoll zwischen Kamera und einer Framegrabber-Karte im PC definiert. Er ist in drei Konfigurationen Base, Medium und Full gegliedert, die sich in Übertragungsrate und Anzahl der benötigten Kabel unterscheiden. Im Base Modus ist die maximale Übertragungsrate 2Gbps im Full Modus 6Gbps, wobei hier zwei parallele Kabel genutzt werden. Die Kabellänge ist ohne großen technischen Aufwand auf 10m begrenzt. Auf der Computer-Seite werden eine CL-Framegrabber-Karte und kameraspezifische Dateien zur vollständigen Kommunikation zwischen PC und Kamera benötigt. CoaXPress (CXP) wurde 2007 entwickelt, um höhere Bandbreite und längere Übertragungswege als CL zu realisieren. Die Datenübertragung von bis zu 6,25Gbps beruht auf vergleichsweise günstigen 75Ohm Koaxialkabeln mit einer maximalen Übertragungsstrecke von 70m, längere Distanzen sind bei Reduktion der Datenmenge möglich. Laut Standard ist dies auf bis zu vier Kabel und 25Gbps skalierbar. Da es sich auch hier um eine Schnittstelle handelt, die nur in der professionellen Bildverarbeitung Anwendung findet, benötigt der Nutzer ebenso einen speziellen Framegrabber, um die Daten auf der PC-Seite empfangen und weiterverarbeiten zu können. GigE Vision über 10GigE ist in dieser Reihe die neueste Methode der Datenübertragung für Videokameras. Sie nutzt den 2006 etablierten GigE-Vision-Standard, skaliert die Übertragung jedoch von 1Gbps auf 10Gbps. Die Datenübertragung erfolgt über Kupfer- oder Glasfaserkabel in Kombination mit SFP-Transceivern (Small Formfactor Pluggable), wobei, je nach Kabelqualität, Längen von bis 100m über Kupferkabel und bis zu 10km über Single-mode-Glasfaserkabel möglich sind. Auf der PC-Seite kommen Ethernet-Netzwerkkarten für 10Gbps zum Einsatz, die in der modernen IT bereits Standard sind.

Standardisierung

Alle vorgestellten Schnittstellen-Lösungen sind standardisiert, das heißt, es existiert ein vorgeschriebenes Kommunikationsprotokoll zwischen Kamera und PC. Zudem legen die Standards auch Hardware-Komponenten wie Konnektoren und deren Pin-Belegung fest. GigE Vision: Der GigE-Vision-Standard hat das Ziel, Kameras, NICs (Network Interface Card) und Software verschiedener Hersteller und Produktlinien miteinander beliebig kompatibel zu machen. Um eine schnelle und reibungslose Datenverarbeitung zu gewährleisten, ist für den Standard ein Software-Filtertreiber zu empfehlen, der die Bilddaten direkt an den entsprechenden Arbeitsspeicher der Software übergibt. Für 10GigE ist ein solcher Filtertreiber aufgrund des hohen Datenvolumens pro Sekunde unerlässlich. CameraLink: Auch im CL-Standard ist die Form der Konnektoren, deren Pin-Belegung und das Kommunikationsprotokoll festgelegt, sodass Kameras und Framegrabber verschiedener Hersteller kombiniert werden können. Zudem benötigt man jedoch Kamera- und Framegrabber-spezifische Konfigurationsdateien, die die individuelle Kommunikation zwischen den Komponenten beschreibt. Hier kann die Leistungsfähigkeit der Übertragung je nach den Anforderungen des Anwendungsfalls zwar optimiert werden, der Umgang mit diesem Standard erfordert jedoch einige Kenntnisse und Erfahrung. CoaXPress: Der CXP-Standard definiert neben Hardware (75Ohm Koaxialkabel) und dem Übertragungsprotokoll auch die elektrischen Signale, die übertragen werden. Ein Nachteil des Standards ist, dass er keinen Mechanismus zum erneuten Versenden von Daten vorsieht. Gehen Daten während der Übertragung verloren, können die Datenpakete nicht erneut versendet werden und sind verloren. Dies ist gerade in einer Umgebung mit starken elektromagnetischen Störungen problematisch.

Maximale Datenmenge

Ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des (Hochgeschwindigkeits-)Interfaces ist die maximale Datenmenge, die pro Zeiteinheit übertragen werden kann. CL Full wie auch CXP bietet eine Übertragung von bis zu 6,25Gbps, wobei für CXP ein Kabel, für CL Full zwei Kabel zur Übertragung der Daten nötig sind. Diese Datenmenge wird von 10GigE unter Verwendung nur eines Kabels übertroffen. Im CXP-Standard ist eine Steigerung der maximalen Datenrate möglich: mit vier Kabeln kann eine Datenrate von 25Gbps erreicht werden. Dabei müssen jedoch auch entsprechend leistungsfähige Framegrabber verwendet werden. In einem Vergleich der drei Schnittstellen-Standards erreicht GigE Vision über 10GigE und damit den größten Durchsatz, auch wenn man aufgrund des verwendeten TCP/IP-Protokolls bis zu 20% Overhead von der maximalen Datenrate abziehen muss. Der Einsatz eines Einzelkabels spart hier nicht nur Kosten, sondern erhöht auch die Flexibilität bei der Installation des Kamerasystems.

Vergleich der Hardware

Sowohl für CL- als auch für CXP-Kameras wird auf der PC-Seite jeweils ein spezieller Framegrabber gebraucht. Durch die Standardisierung ist es jedoch möglich, Kameras und Framegrabber verschiedener Hersteller zu kombinieren. Ein Vorteil dieser Systemarchitektur ist, dass einige Bildverarbeitungsschritte, wie das Debayering (Berechnung der Farbwerte pro Pixel aus Rot-, Grün- und Blau-Werten der Nachbarpixel), bereits effizient auf dem Framegrabber erfolgen kann, was die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des PCs reduziert. Zu beachten ist, dass die Framegrabber an das Gerät und die Datenmenge angepasste Softwarebibliotheken brauchen, die von einem Hersteller zum anderen unterschiedlich sein können. Für GigE Vision über 10GigE ist dagegen keine spezielle Framegrabber-Karte notwendig, sondern lediglich ein 10GigE-Anschluss. Da dieser momentan jedoch noch nicht standardmäßig an jedem Rechner verfügbar ist, muss eine 10GigE-Netzwerkkarte vorhanden sein. Unter der Annahme, dass die 10Gbps voll ausgeschöpft werden sollen, reichen ein normaler Software-Filtertreiber, wie der Univeral Pro von Intel, und eine übliche Dual-Core-CPU nicht aus. Der Netzwerkkartenhersteller Myricom hat speziell einen Machine Vision Accelerator (MVA) entwickelt, der den Overhead des Host Prozessors verringert und damit die maximale Datenrate erhöht. Die Daten des GigE-Vision-Standard-Protokolls werden direkt in den Arbeitsspeicher des Nutzers geschrieben, ohne dass die Daten zwischengespeichert und kopiert werden müssen, wodurch die CPU-Last deutlich sinkt.

Maximale Länge und Flexibilität der Kabel

Der Verkabelung kommt bei der Systemauslegung eine große Bedeutung zu. Zu berücksichtigen sind hier die Größe der Konnektoren, die Übertragungslänge, der minimale Biegeradius sowie die Haltbarkeit bei dauerhafter mechanischer Biegung und Torsion. Die Biegeeigenschaften der verschiedenen Kabel sowie die Größe der Konnektoren ist vergleichbar, wobei die CL-Konnektoren größer als die BNC-Konnektoren (CoaXPress) und die SFP-Transceiver für 10GigE sind, was gegebenenfalls die Verlegung in Kabelkanälen erschwert. Zudem nutzen CL Full und CXP im Falle von mehreren Lines zwei oder mehr Kabel. Dies erhöht den Platzbedarf im Kabelkanal und wirkt sich insgesamt auch negativ auf die Biegeeigenschaften aus. Da es für GigE Vision über 10GigE verschiedene Verkabelungsmöglichkeiten gibt, z.B. CAT7-Kupferkabel, Mulitmode-Glasfaserkabel und Singlemode-Glasfaserkabel, sind auch die Biegeradien und der Kabeldurchmesser jeweils leicht unterschiedlich. Kabelhersteller entwickeln derzeit mit Hochdruck Glasfaserkabel für IBV-Anwendungen, dennoch weisen die Kabel immer noch die größten minimalen Biegeradien auf und sind noch nicht für anspruchsvolle Robotik- oder Schleppketten-Anwendungen geeignet. Gleiches gilt weitgehend für CAT7-Kabel. Der größte Unterschied der drei Schnittstellen zeigt sich bei der maximalen Kabellänge, ein wesentlicher Parameter für Anwendungen in der Verkehrsüberwachung und Sicherheitstechnik. CL hat hier die kürzeste Reichweite, da ohne großen technischen Aufwand nur 10m möglich sind. Spezielle, kostenintensive Kabel und Framegrabber erlauben bis zu 20m Übertragungsstrecke. CXP erreicht die dreifache Reichweite, die maximale Kabellänge ist 68m. Hier können auf Kosten der Datenrate auch bis zu 130m erreicht werden, wobei der Standard dann nur noch 1,25Gbps spezifiziert. Diese Abstände sind jedoch nicht zu vergleichen mit der Reichweite von 10GigE, da ein einziges Singlemode-Glasfaserkabel über mehrere Kilometer geführt oder ein bestehendes Glasfasernetzwerk genutzt werden kann. Daneben lassen sich auf Grund der Auswahl an verschiedenen Kabeln für klassische IT-Installationen die Kosten und die Leistung optimieren.

Stromversorgung und Energieverbrauch

Bei der Verkabelung muss auch das Stromversorgungskabel berücksichtigt werden. Hier ist sowohl bei CL als auch bei CXP eine Stromversorgung über das Datenkabel (PoCL, PoC) möglich, sodass keine weitere Leitung nötig ist. Abgesehen von einigen Kabelanfertigungen mit je zwei Glasfaserleitungen für die Datenübertragung und zwei Kupfer-Leitungen für die Stromversorgung, ist dies bei 10GigE nicht möglich. Jedoch kann die Stromversorgung oft lokal erfolgen, während nur das Datenkabel bis zum (ggf. weit entfernten) Rechner geführt werden muss. Mit größeren Datenraten geht ein höherer Stromverbrauch und damit eine erhöhte Wärmeentwicklung in der Kamera einher. Dieser Nachteil kommt bei allen drei Schnittstellen zum Tragen. Da insbesondere bei 10GigE die Bilddaten für den Versand speziell verpackt werden müssen, bedarf es auf der Kameraseite bereits entsprechender Rechenschritte, die Leistung verbrauchen und Wärme produzieren. Jedoch können im Rahmen dieser Rechenschritte auch bereits Elemente der Bildoptimierung direkt in der Kamera erledigt werden. Unabhängig von der Datenschnittstelle entscheidet der geschickte Bau der Kamera über die effiziente Wärmeabfuhr vom Bildsensor und der Kommunikationsschnittstelle. 10GigE sind hier jedoch gewisse thermische Grenzen gesetzt, was die Kompaktheit des Kameragehäuses betrifft.

Verteilung der Videodaten an verschiedene Empfänger

Während sowohl bei CL als auch bei CXP nur Punkt-zu-Punkt Verbindungen möglich sind, ist GigE Vision über 10GigE ‚mulitcast‘-fähig, das heißt, es besteht die Möglichkeit, Bilder einer einzigen Kamera gleichzeitig an mehrere Ziele zu verteilen. Die Mehrfachversendefunktion ermöglicht die Entwicklung erweiterter Analysesysteme, bei denen mehrere Rechner gleichzeitig Bilder einer Kamera erhalten und diese analysieren oder abspeichern. Daneben ist es auch möglich, ein Netzwerk aus mehreren Kameras und einem Rechner aufzubauen. Mit nur einer Software können mehrere Kameras angesprochen werden, wobei auch die Kombination von GigE- und 10GigE-Kameras möglich ist.

Kosten

Natürlich interessieren bei der Entscheidung des Systemdesigns besonders die Gesamtkosten für die Hardware, die Entwicklungsaufwände. Eine Übersicht über die Hardwarekosten der drei diskutieren Lösungen ist in Tabelle 2 aufgezeigt. Bei der Berechnung der Gesamtkosten wurden für CL Full und CXP jeweils der Einsatz von zwei Kabeln berücksichtigt. Teuerster, aber auch schnellster Standard ist im Vergleich CXP, da hier besonders der Framegrabber kostspielig ist, wohingegen preiswerte Kabel verwendet werden können. Hier steigen die Kosten jedoch auch noch, wenn speziell abgeschirmte Kabel verwendet werden müssen. Günstigere Gesamtkosten hat GigE Vision über 10GigE, da hier vor allem günstige NICs im Vergleich zu speziellen und damit höherpreisigen Framegrabbern verwendet werden können (beim Preis des NICs wurden Kosten für notwendige Software-Lizenzen schon berücksichtigt). Der preisliche Unterschied zwischen Kupfer- und Glasfaserkabel ist in diesem Beispiel für ein 10m Kabel sehr klein, für kürzere Übertragungslängen sind Kupferkabel wirtschaftlicher, wohingegen große Längen, ein Alleinstellungsmerkmal von GigE Vision über 10GigE, nur mit Glasfaserkabeln realisiert werden können. CL hat hier die günstigsten Hardwarekosten gegenüber CXP und GigE Vision über 10GigE. Da jede ernstzunehmende Bildverarbeitungsbibliothek jedoch den GigE -Vision-Standard unterstützt, weist die Softwareentwicklung für 10GigE-basierten Kamerasysteme das geringste Risiko und die größte Flexibilität auf. Der Vergleich der Schnittstellen zeigt, dass die Peripheriekosten von 10GigE mit 510E bei weniger als der Hälfte von CL und CXP liegen. Vor allem der Framegrabber bestimmt die Gesamtkosten des Systems. Aktuell bietet noch kein Hersteller Kameras mit allen drei Interfaces an, daher hinkt der reine Preisvergleich auf Basis der aktuell verfügbaren Modelle verschiedener Marken. Da jedoch bei diesen hohen Bildraten und Auflösungen der Preis des Bildsensors den größten Einfluss auf den Kamerapreis hat, ist zu vermuten, dass speziell bei hohen Stückzahlen der Preisunterschied zwischen den Kameras mit den jeweiligen Datenschnittstellen schmilzt.

Fazit und Ausblick

Alle drei Schnittstellen-Standards werden den verschiedenen Anforderungen moderner Hochgeschwindigkeits- oder Hochauflösender-Bildverarbeitungsverfahren weitgehend gerecht. GigE Vision über 10GigE zeigt deutliche Vorteile gegenüber den anderen Schnittstellen, wie Kabellänge, maximale Datenrate bei Nutzung nur eines Kabels, Mulitcastfähigkeit, Peripheriekosten und native Unterstützung in allen verbreiteten Softwarebibliotheken. Diese Vorteile werden in der Zukunft weiter wachsen, sobald 10GigE von der modernen IT ausgehend auch in Consumer-PCs und -Netzwerke Einzug findet. Im Gegenteil dazu sind CameraLink und CoaXPress rein auf den Nutzerkreis der Bildverarbeitungsindustrie beschränkt. Damit hat der GigE-Vision-Standard über 10GigE das Potenzial, das Übertragungsmedium für hohe Datenraten zu werden. Technische Performance und finanzielle Aspekte überzeugen schon heute.

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inVISION 1 2014
Framos GmbH

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