Expertenrunde: Ist CoaXPress der zukünftige Standard für Highspeed-Anwendungen?

Expertenrunde: Ist CoaXPress der zukünftige Standard für Highspeed-Anwendungen?

Im Bereich Highspeed-Interfaces stehen dem Anwender (theoretisch) verschiedene Lösungen zur Verfügung. Allerdings zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass derzeit eigentlich nur CoaXPress bereits eine breite Palette an Kameras, Framegrabbern und Zubehör anbieten kann. Wo liegen also die Vor- bzw. Nachteile dieses Interfaces und welche Alternative gibt es? inVISION hat hierzu verschiedene Experten befragt und versucht so einen neutralen Überblick über die aktuelle Situation zu geben.

Die drei Bildverarbeitungsverbände AIA, EMVA und JIIA haben Ende 2013 die kostenfreie Broschüre ‚Global Machine Vision Interface Standards‘ herausgebracht. Diese gibt in Form von Tabellen und Vergleichen einen sehr guten Überblick über Interfaces wie Camera Link, Camera Link HS, CoaXPress, GigE Vision, USB3 Vision und IEEE1394 (FireWire) und ermöglicht einen Vergleich der verschiedenen Übertragungsprotokolle. Ein kostenfreier pdf der Broschüre steht auf der EMVA-Homepage zum Download.

www.emva.org

Im Jahr 2008 haben sich Firmen wie Active Silicon, Adimec und Eqcologic (jetzt Microchip) zusammengetan, um mit CoaXPress einen Nachfolger für Camera Link für den Highspeed-Bereich zu entwickeln. 2009 gewann das neue Interface bereits den Vision Award und wurde 2010 durch den japanischen Bildverarbeitungsverband als weltweiter Standard in der Version 1.0 präsentiert. Die aktuelle Version 1.1 – die abwärtskompatibel zu Version 1.0 ist – bietet eine Verbesserung der Datenübertragungsprotokolle, wodurch sich auch die Datenübertragungsqualität verbessert. Neu ist auch, dass der Genral Purpose I/O (GPIO) aufgrund der fehlenden Akzeptanz nicht mehr in der neuen Version enthalten ist. Zudem können zukünftig die bisherigen BNC-Stecker durch kleinere DIN-Stecker ersetzt werden, womit Kamera und Framegrabber über einen einzigen vierpoligen Stecker miteinander verbunden werden können. Laut unserer Recherchen, haben inzwischen mehr als 40 Firmen CoaXPress-Produkte für die industrielle Bildverarbeitung im Programm (Tabelle 1), was die Akzeptanz des Interfaces belegt. Aber was sagen unsere Bildverarbeitungsexperten zu CoaXPress?

Vorteile von CoaXPress

Für Colin Pearce (Active Silicon) ist der größte Vorteil von CoaXPress die hohe Geschwindigkeit der Datenübertragung, gepaart mit der Verwendung von einfachen Koaxialkabel, die große Längen ermöglichen. Ähnlich sehen das auch die anderen Experten. Torsten Freiling (Allied Vision) hebt nochmals die großen Kabellängen hervor, während für Martin Schwarzbauer (PCO) die große Akzeptanz des Interfaces derzeit einer der größten Vorteile ist. Zwar ist für Henning Tiarks (Basler) auch die relativ hohe Bandbreite ein Argument, die allerdings – seiner Meinung nach – nur in wenigen Applikationen wirklich gebraucht wird. Ronald Müller stellt die günstigen Kabel als wesentlichen Vorteil in den Mittelpunkt, während Marc Damhaut (Euresys) die Vielseitigkeit des Coaxial-Kabels betont, das sowohl Energie als auch Control-Daten zur Kamera überträgt als auch Videodaten zum Framegrabber. Abschließend ergänzt Colin Pearce (Active Silicon): „Es ist wahrscheinlich, dass in Zukunft neben kupferbasierenden Standards bestimmte Arten optischer Schnittstellen immer wichtiger werden. Serielle Hochgeschwindigkeits-Standards, wie z.B. CoaXPress, sind für den Anschluss an optisch physikalische Schnittstellen bestens geeignet, da andere Bereiche der Spezifikation (z.B. der Protocol Stack) nicht geändert werden müssen.“

Nachteile von CoaXPress

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Was sind also die Nachteile von CoaXPress? Für Torsten Freiling (Allied Vision) sind es vor allem die Kosten: „Wie Camera Link setzt CoaxPress den Einsatz von Framegrabbern voraus, um die Bildinformationen in den Rechner zu übertragen. Dies erhöht die Gesamtsystemkosten gegenüber Standard PC-Schnittstellen wie USB oder GigE.“ Henning Tiarks (Basler) sieht die „Kombination aus recht hohen Kosten und einer wenig verbreiteten Technologie, die den Einsatz von CoaXPress teuer und kompliziert macht“ als problematisch. Auch Colin Pearce (Active Silicon) erwähnt die Framegrabber-Kosten, betont aber „Höchstleistungen erfordern spezielle Hardware.“ Ronald Müller (Framos) ergänzt, dass „wirklich hohen Datenraten erst bei Einsatz mehrerer Leitungen erreicht werden“. Für Martin Schwarzbauer (PCO) sind es vor allem die Kabellängen, die er teilweise vermisst: „Gerade bei Bit-Raten größer 6Gbit/s sinkt die Kabellänge beträchtlich. Dazu verwendet CoaXPress ausschließlich die 8B/10B-Kanalkodierung, die automatisch die nutzbare Bandbreite um 20% reduziert.“ Marc Damhaut (Euresys) sieht ein Problem im derzeitigen CoaXPress-Standard: „In der Version 1.0 war nicht vorgesehen, dass mehr als ein Framegrabber pro Kamera angeschlossen wird.“, betont allerdings, dass eine Änderung mit der neuen Version des Standards erfolgt.

Ist CoaXPress bereits ‚DER‘ Highspeed-Standard?

Für Colin Pearce (Active Silicon) ist die Antwort klar: „CoaXPress ist defacto bereits der Standard im Bereich Highspeed-Vision, wenn Camera Link nicht schnell genug ist.“ Auch Marc Damhaut (Euresys) sieht dies ähnlich und begründet seine Antwort mit der Anzahl und Vielfalt an Kameras, Framegrabber, Kabeln sowie anderen Komponenten die bereits am Markt erhältlich sind. Für Martin Schwarzbauer (PCO) „spielt CoaXPress auf jeden Fall wegen der schon jetzt großen Akzeptanz und guten Verfügbarkeit eine große Rolle in der zukünftigen Highspeed-Bildverarbeitung. Ob es ‚der‘ Standard sein wird bleibt dennoch abzuwarten, da CameraLinkHS und 10GigE in den Startlöchern stehen und beide Schnittstellen Vorteile gegenüber CXP besitzen.“ Torsten Freiling (Allied Vision) kann sich zwar CoaXPress als zukünftiger Standard für die Highspeed-Bildverarbeitung vorstellen, aber „es werden allerdings auch viele weitere Schnittstellen gerade eingeführt bzw. angekündigt, die mit ähnlichen Bandbreiten im Wettbewerb zu CoaXPress stehen. Wer sich hier durchsetzen wird, ist aus heutiger Sicht noch nicht absehbar. Die Erfahrung zeigt, dass ein einziges Interface nie alle Anforderungen abdecken kann, sodass sich der Markt über mehrere Interfaces aufteilen wird.“ Ähnlich sieht das auch Ronald Müller (Framos): „CoaXPress steht in Konkurrenz zu USB3.0, CameraLink und 10GigE. Für verschiedene Applikationen werden bestimmte Schnittstellen jeweils ihre Daseinsberechtigung haben.“ Henning Tiarks (Basler) ist bei dem Thema skeptisch: „CoaXPress wird sicher in wenigen Applikationen auch zukünftig eingesetzt werden. Allerdings ist es fragwürdig, ob es deshalb als Standard bezeichnet werden sollte. Technisch ganz sicher, marktseitig eher weniger.“

Wer sind die CoaXPress-Herausforderer?

Neben CoaXPress gibt es auch Highspeed-Interfaces wie 10GigE, Camera Link HS, Thunderbolt, PCIexpress oder USB 3.1, die ebenfalls für Hochgeschwindigkeitsanwendungen eingesetzt werden können. Wen sehen die Experten hier als größten Herausforderer? Einen ersten Überblick über das jeweilige Potential der verschiedenen Interfaces gibt Tabelle 1, bei der wir die Experten um ihre Einschätzungen der verschiedenen Interfaces gebeten haben. So gibt es für Torsten Freiling (Allied Vision) eine Vielzahl an Möglichkeiten: „Jedes Interface für sich hat Stärken und Schwächen. Da spielen Themen wie Kabellängen, verfügbare Hardwarekomponenten oder verfügbare Software-Applikationen eine große Rolle.“ Wesentlich differenzierter sieht dies Martin Schwarzbauer (PCO): „Neben CoaXPress wird auch CameraLinkHS, 10GigE und USB 3.1 am Markt zu finden sein. Bei CameraLink HS ist abzuwarten, wie sich in naher Zukunft der Standard mit den ersten Produkten auf dem Markt etablieren wird. CameraLink HS bietet in manchen Hinsichten Vorteile gegenüber CoaXPress, z.B. eine optische Übertragungsstrecke von mehr als 300m bei 10.3125 Gbit/s (ca.1.187 Mbyte/s) pro Kabel/Kanal. 10GigE kommt hingegen bei annähernd selbiger Bandbreite wie CLHS ohne speziellen Framegrabber aus. Dafür wird eine Lösung mit mehreren 10GigE-Links für den PC sehr anspruchsvoll und aufwendig. USB 3.1 wird nur eine Chance haben, wenn optische Kabel oder spezielle aktive Kabel (mit integriertem Kabel-Treiber, etc.) verfügbar sein werden. Die damit längere und störsichere Übertragung macht USB 3.1 auch für Highspeed-Bildverarbeitung interessant.“ Für Henning Tiarks (Basler) ist ganz klar die Weiterentwicklung von USB 3.0 in Form von USB 3.1 die aussichtsreichste Highspeed-Interface-Technologie, die auch in absehbarer Zeit verfügbar sein wird. Ähnlich sieht es Marc Damhaut (Euresys), nach dessen Meinung neben CoaXPress auch USB 3.1 für Anwendungen im Midrange-Bereich und eventuell Camera Link HS in Frage kommen. Für Ronald Müller (Framos) wird dagegen zukünftig 10GigE die Nase vorne haben. Seiner Meinung nach vereinen 10GigE und GigE Vision, als global etablierte Standards in der modernen IT bzw. der industriellen Bildverarbeitung, hohe Übertragungsraten und sehr große Kabellängen mit einfacher Benutzbarkeit, geringen Kosten und hoher Zuverlässigkeit.

IF.Hotaru: Konkurrenz aus Japan?

Auf der Messe ITE in Yokohama stellten verschiedene japanische Firmen im Dezember letzten Jahres erstmals das neue Highspeed-Interface IF.Hotaru vor. Ob IF.Hotaru ein Lösung ist, die rein für den japanischen Markt entwickelt wurde, lässt sich im Augenblick aber noch nicht absehen. Derzeit ist es als Standard noch nicht bei der JIIA eingereicht, Experten gehen aber davon aus, dass bereits im Hintergrund daran gearbeitet wird. Möglicherweise gibt es auf der Vision Anfang November am International Machine Vision Standard Stand von der JIIA hierzu mehr Informationen.

Fazit

CoaXPress hat derzeit einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Highspeed-Interfaces: Es gibt bereits eine Vielzahl an Produkten von verschiedenen Herstellern. Interfaces wie Camera Link HS, 10GigE, USB3.1 usw. sollten ebenfalls zeitnah mit Produkten aus den Startlöchern kommen, um den Anwendern zu zeigen, dass es durchaus auch Alternativen zu CoaXPress gibt. Ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass CoaXPress-Lösungen – mangels vorhandenen Wettbewerbsprodukten – zum Standard für Highspeed-Anwendungen werden könnte.

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