Gegen den Trend?

Gegen den Trend?

Zeilenkameras mit großen Pixeln

Pixelgrößen von sieben, zehn und 14 Mikron sind bereits Bestandteil des JAI-Zeilenkamera-Produktprogramms. Warum dann gegen den Trend hin zu kleineren Pixeln gehen und eine Kamera mit 20µ-Pixelgröße vorstellen?
Große Pixel weisen in der Praxis bedeutende Vorteile auf, wenn es um Empfindlichkeit, Dynamikbereich und Geschwindigkeit geht. Des Weiteren scheinen die drei Faktoren in gegenseitiger Beziehung zu stehen, werden aber zur Vereinfachung zunächst einzeln betrachtet.

Empfindlichkeit als Funktion der Pixelgröße

Anwendungen für Zeilenkameras, nicht zuletzt mit hoher Geschwindigkeit, haben oft mit dem Lichtbudget Schwierigkeiten. In diesem Abschnitt liegt der Schwerpunkt auf der Beziehung zwischen Pixelgröße und Empfindlichkeit. Bei der Kamera geht es bei der Empfindlichkeit für verschiedene Pixelgrößen um die Zahl der Photonen, die das optoelektrische System, das heißt die Optik und den Sensor erfassen und in Elektronen umwandeln kann. Für die Einrichtung einer typischen Zeilenkameraanwendung muss ein kleiner Bereich der Objektfläche auf einen Pixel abgebildet werden. Unter der Voraussetzung einer gegebenen Distanz der Kamera zum Objekt und eines verlustlosen und optisch korrigierten Objektives, wird die auf das tatsächliche Pixel abgebildete Lichtmenge allein durch die Blende begrenzt. Wie aber wird die Empfindlichkeit der Kamera beeinflusst, wenn man von einem Sensor mit 10µ-Pixelgröße zu einem Sensor mit 20µ-Pixelgröße wechselt (Bild 2)? Bei Verwendung der Objektivvergrößerungsformel [M=(di/do)=(hi/ho)=f/(do-f)=(di-f)/f] und der Objektivformel für die F-Zahl [F#=f/dlens], wobei…

di: Distanz zwischen Objektiv und Bild,

do=1m: Distanz zwischen Objektiv und Objekt,

hi=0,01mm und 0,02mm: Bildhöhe (Pixelgröße),

ho=0,5mm: Objekthöhe, f: Brennweite und dlens: Blende sind,

…stellt sich heraus, dass die 10µ-Pixel eine Brennweite des Objektivs von rund 20mm und die 20µ-Pixel eine Brennweite von rund 40mm benötigen, um dasselbe Objekt von 0,5mm Größe auf einen Pixel abzubilden. Damit die beiden Pixelgrößen von 10µ und 20µ dieselbe Lichtmenge erfassen, müssen die beiden Objektive mit derselben Blende betrieben werden, was zu F#(20µ)/F#(10µ)=40mm/20mm=2 führt; das heißt, dass die 20µ-Pixel viermal weniger Licht benötigen als die 10µ-Pixel.

Dynamikbereich und Pixelgröße

Bei Zeilenkameraanwendungen (bei denen kleinere Defekte, Druckmuster oder leichte Farbveränderungen erkannt werden müssen) oder für die Filmdigitalisierung ist ein hoher Dynamikbereich ein Muss. Der Dynamikbereich wird als Pixel-Full-Well-Kapazität über das RMS-Rauschen der dunklen Bildbereiche definiert [DRimager=(full well capacity)/(rms noisedark)] und wird in der Regel in dB angegeben [DRimager=20*log(full well capacity/rms noisedark)]. Für eine fest vorgegebene Stärke des Substrates des Sensors nimmt die Well-Kapazität mit dem Quadrat der Pixelgröße zu und führt bei einer größeren Pixelgröße zu einer höheren Well-Kapazität und damit zu einem größeren Dynamikbereich, sofern ausreichend Licht zur Verfügung steht. Die höhere Well-Kapazität und damit der größere Dynamikbereich resultiert in einer besseren Photonen-Statistik, welche zumindest in den dunkleren Bildfeldern zu einer höheren Erkennungsgenauigkeit führt, sei es nun bei der Farbe oder den Grauwerten.

Geschwindigkeit: Geringere Auflösung und größere Pixel

Bei Anwendungen, die eine hohe Geschwindigkeit, hohen Kontrast oder einen hohen Dynamikbereich erfordern, wird die Lichtempfindlichkeit zu einem begrenzenden Faktor oder sehr kostspielig. Dies sind die Anwendungsfälle, bei denen 20µ große Pixel durch die höhere Empfindlichkeit einen deutlichen Vorteil gegenüber 10µ-Pixeln aufweisen. Zusätzlich erfordert die geringere Auflösung weniger Zeilen, um das Objekt zu scannen. Geht man von einer 4K-Auflösung und 10µ-Pixelgröße auf eine 2K-Auflösung mit 20µ-Pixelgröße, so führt dies zu einer Halbierung der Anzahl der Zeilen um das gesamte Objekt abzubilden und der doppelten Belichtungszeit pro Zeile. Geht man abschließend von 10µ-Pixeln mit 4K Auflösung auf eine Pixelgröße von 20µ mit 4K Auflösung, so verbessert sich das Lichtbudget um den Faktor vier durch die Pixelgröße. Multipliziert man diesen Wert mit der doppelten Belichtungszeit, so erhält man eine um den Faktor acht höhere Empfindlichkeit. Dies ist eine Möglichkeit die Empfindlichkeit wesentlich zu steigern und somit eine Hochgeschwindigkeitsinspektion zu ermöglichen. Der Effekt der geringeren Auflösung ist dabei in der Praxis durch die bessere MTF deutlich weniger relevant.

Optische MTF

Ein guter Kontrast besteht nicht nur aus dem Erkennen des Unterschieds zwischen hell und dunkel, sondern insbesondere darin, die Details zu erkennen. Um dies zu verdeutlichen, stellen Sie sich ein feines Druckmuster auf einer Briefmarke oder einem Geldschein vor. Die Frage ist, wie man einen guten Kontrast sichert? Neben der Beleuchtung ist der zweite bedeutende Parameter in dieser Gleichung die Auflösung des optischen Systems. Die optische ‚Point Spread Function‘ (PSF) für das Objektiv und die verwendete Blende beschreibt die Reaktion des Bildsystems für einen Punkt der Objektfläche und die Fähigkeit, zwei oder mehr Punkte zu unterscheiden. Für ein beugungsbegrenztes Objektiv (ein perfektes Objektiv mit perfekt eingestelltem Fokus), einer Brennweite von 40mm und einem F# von 4 bestimmt das Rayleigh-Kriterium [x’=1,22 (flens/dlens)λ], dass zwei Punkte mit einem Abstand von 5µ im Objektbild für sichtbares Licht deutlich voneinander unterschieden werden können. Für ein perfektes Objektiv ist das in Ordnung, aber mit einem leicht unscharfen Fokus und den unvermeidlichen Abbildungsfehlern am Bildrand oder bei voll geöffneter Blende wächst bei einem nicht perfekten, aber erschwinglichen Objektiv in der Realität der Abstand zweier eindeutig zu unterscheidender Punkte leicht auf 10 bis 20µ an. Bei Verwendung von 10µ-Pixeln oder noch kleineren Pixeln reduziert sich dadurch die Erkennbarkeit oder der Kontrast. Bei Verwendung eines nicht perfekten optischen Systems mit den größeren 20µ-Pixeln würde man jedoch immer noch eine ordentliche Erkennbarkeit und somit einen hohen Kontrast erhalten.

Fazit

Ein Zeilensensor mit 20µ großen Pixeln und Tausenden von Pixeln benötigt eine Optik mit einem großen Bildkreis, um die gesamte Länge des Sensors abzudecken. Aus praktischen Gesichtspunkten reduziert dies die Auflösung auf 2.000 Pixel, zeigt aber gleichzeitig entscheidende Vorteile (wenn eine Zeilenauflösung von 2.000 Pixeln ausreicht):

1) Für zahlreiche Zeilenkameraanwendungen stellt das Lichtbudget entweder aufgrund mangelnden Lichts oder aufgrund erheblicher Kosten oft eine Herausforderung dar. Große Pixel sind aufgrund der höheren Empfindlichkeit hierbei sehr hilfreich, indem man entweder die Kosten für die Beleuchtung reduzieren kann oder eine kleinere Blendenöffnung und kostengünstigere Objektive verwendet.

2) Außerdem nimmt bei gegebener Stärke des Substrates des Sensors die Well-Kapazität mit dem Quadrat der Pixelgröße zu und führt zu einer höheren Well-Kapazität und damit zu einem größeren Dynamikbereich.

3) Zudem erleichtern größere Pixel aufgrund der geringeren Objektivanforderungen das Erzielen kontraststarker Detailfotos, sei es monochrom oder in Farbe, das heißt Objektivauflösung und -fokus werden weniger relevant.

Alles in allem ermöglichen große Pixel Hochleistungskameras auf einem attraktiven Preisniveau. Bei Zeilenkameras sorgt das Design mit großen Pixeln nicht für erhöhte Kosten – der Sensor ist vergleichbar kostenintensiv, die optischen Anforderungen sind weniger anspruchsvoll und die erforderliche Lichtmenge ist reduziert. JAI bietet mit der neuen Sweep und Sweep+ Zeilenkamerafamilie mit 1-CMOS (monochrom), 3-CMOS (Rot Grün Blau) oder 4-CMOS (Rot Grün Blau und NIR) eine interessante Option, wenn es auf hohe Geschwindigkeit und Empfindlichkeit ankommt. Aufgrund des einzigartigen CMOS-Sensors und des Prismen- und Kameradesigns unterscheiden sich diese Modelle preislich nicht von anderen monochromen Zeilenkameras, bzw. nur unwesentlich von herkömmlichen dreizeiligen Farbzeilenkameras.

JAI Oy

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