Qualitätskontrolle von Lötverbindungen mit Deep Learning

Qualitätskontrolle von Lötverbindungen mit Deep Learning

Bei Lötverbindungen auf Leiterplatten bedingt der gesetzlich vorgeschriebene Wechsel zu bleifreien Loten erhöhte Ausfallraten. Bei der Festlegung der Prüfkriterien muss der Anwender einen schmalen Grat zwischen zu hohen internen oder zu hohen externen Fehlerraten beschreiten. Eine bei Siemens Smart Infrastructure installierte Visionlösung nutzt Deep Learning, was deutliche Verbesserungen ermöglichte.

Voll integrierte 100% optische Qualitätskontrolle von Lötstellen mittels Deep Learning auf einer Produktionsstraße von Rauchmeldern (Bild: Siemens Smart Infrastructure)

Voll integrierte 100% optische Qualitätskontrolle von Lötstellen mittels Deep Learning auf einer Produktionsstraße von Rauchmeldern (Bild: Siemens Smart Infrastructure)

(Bild: Siemens Smart Infrastructure)

(Bild: Siemens Smart Infrastructure)

 

 

 

 

 

 

„Unser Kunde Siemens Smart Infrastructure stellt auf automatischen Anlagen Rauchmelder für den Brandschutz her“, erklärt BSc FHO Lukas Vassalli, Entwickler bei Compar. Die verwendeten Bauteile werden mithilfe von Bestückungsautomaten auf die Platine gesetzt und anschließend von oben verlötet. Das EU-weite Verbot bleihaltiger Lotlegierungen zwingt die Hersteller zur Verwendung bleifreier Lote, die schlechtere Löteigenschaften haben. Die Folge sind erhöhte Ausschuss- und Ausfallraten. Die Trennschärfe der bisher eingesetzten kameragestützten Visionlösungen stellte die Anwender jedoch nicht zufrieden. Vor allem beim Einsatz für kritische Sicherheitsfunktionen müssen die Prüfkriterien zur ´sicheren´ Seite hin getrimmt werden, da Brandmelder höchste Zuverlässigkeit aufweisen müssen. Dies bedingt jedoch erhöhte Ausschussraten mit entsprechenden Kostennachteilen. Um diese zu verringern, hat man bei Compar bei der Bildanalyse auf Deep Learning gesetzt.

50 Bilder zum Trainieren

„Cognex hat hierfür mit ViDi fertige Softwarepakete in Form von Plug-In-Modulen entwickelt“, so Vassalli. Als hardwareseitige Voraussetzung sollte zumindest in der Trainingsphase eine GPU auf dem eingesetzten Rechner vorhanden sein. Wesentliche Komponente der Software Bibliothek ist ein neuronales Netz, das bereits teilweise vorstrukturiert ist, so dass der Anwender bereits mit einer gewissen Zahl von Bildern als Trainingsmaterial beginnen kann. Bei der Anwendung geht es neben der Beurteilung von Lötverbindungen auch um das Auffinden von Bestückungsfehlern. „Das Gesamtsystem besteht aus der Kamera und einer für die Anwendung ausgelegten Beleuchtungsstation, welche die Platinen aufnimmt, sowie einem Industrie-PC mit dem Visionexpert Programm von Compar“, so Vassalli. Ergänzt wird es durch das ViDi-Paket, das als Black-Box arbeitet. Es analysiert die übergebenen Bilder mithilfe seines neuronalen Netzes und gibt innerhalb von Millisekunden entsprechende Beurteilungen. Vor dem Start wurde das System mithilfe von Musterteil-Bildern vorkonfiguriert. Im laufenden Einsatz kann das System vom Anwender selbst mit neuen Produkten trainiert oder mit Varianten bereits vorhandener Produkte nachtrainiert werden. Für solche Trainingsphasen sind nur wenige Minuten erforderlich. Im vorliegenden Fall genügten etwa 50 Bilder von Gutteilen sowie die gleiche Zahl an Bildern von Schlechtteilen.

 Oben im eine 0.99 Fehlersicherheit (99% NIO), unten eine 0,02 Fehlersicherheit (2% NIO sprich 98% IO), die als gut bewertet wurde. (Bild: Compar AG)

Oben im eine 0.99 Fehlersicherheit (99% NIO), unten eine 0,02 Fehlersicherheit (2% NIO sprich 98% IO), die als gut bewertet wurde. (Bild: Compar AG)

Trennschärfe als Zuverlässigkeitsmerkmal

„Die ViDi-Software besteht aus drei Modulen (red, green und blue), von denen im vorliegenden Fall die Module red und blue zum Einsatz kommen“, erklärt Vassalli. Das als Locator bezeichnete blue-Modul kontrolliert die Leiterplatinen auf korrekte Bestückung. Es identifiziert Lötstellen und Bauteilpositionen sowie Aufdrucke. Anschließend übernimmt ViDi red die Klassifikation in IO- bzw. NIO-Teile. Beim Training kann man verschiedene Ansätze wählen, z. B. indem man statt der beiden Kategorien IO/-NIO ausschließlich IO-Teile vorgibt. In diesem Falle wird die KI alles, was nicht eindeutig als IO erkennbar ist, automatisch als NIO klassifizieren. „Eine wichtige Eigenschaft der ViDi-Analyse ist die numerische Bewertung der Klassifikation des jeweiligen Ergebnisses“, erklärt Vassalli. Das System klassifiziert begutachtete Bilder zwar grundsätzlich nach den Kriterien IO bzw. NIO, gibt aber hierzu einen prozentualen Vertrauenswert aus. Dieser gibt an, zu welchem Prozentsatz die Software sich in ihrem Urteil sicher ist (0=100% IO und 1=0% IO). Die Häufigkeitsverteilung dieser Einstufungen wird statistisch in Form von Diagrammen ausgegeben. Sie haben die Form von zwei Balkendiagrammen in grüner (IO) bzw. roter (NIO) Farbe, die sich teilweise überlappen können. Eine einfachere Darstellung ergibt sich aus der Auftragung der kumulierten und auf Eins normierten Streubereiche. Diese können sich je nach Aufgabe und Bewertungskriterien teilweise überlappen oder zwei deutlich getrennte Gruppen bilden. Wenn das Training optimal gelaufen ist, gibt es zwischen den kumulierten Häufigkeitsbereichen keine Überlappung. Dies belegt dann eine gute Trennschärfe des Verfahrens. Ist dies nicht der Fall, so landet man im Entscheidungsbereich zwischen falsch-positiven und falsch-negativen Einstufungen. In solchen Fällen spielt die optimale Festlegung des sogenannten Treshhold-Wertes eine wichtige Rolle. Platziert man diesen mehr zur sicheren Seite hin, so minimiert man das Ausfallrisiko von sicherheitsrelevanten Komponenten beim Kunden. Mit der umgekehrten Strategie kann man ggf. das interne Ausschussgeschehen absenken.

Die breite Lücke zwischen den vergebenen IO-/NIO-Bewertungen zeigt, dass die Ergebnisse hoch vertrauenswürdig sind. (Bild: Compar AG)

Die breite Lücke zwischen den vergebenen IO-/NIO-Bewertungen zeigt, dass die Ergebnisse hoch vertrauenswürdig sind. (Bild: Compar AG)

 

Zusammenspiel Software & KI

„Besonders interessant wird für die Kunden die Verzahnung der beschriebenen ViDi-Möglichkeiten mit unserer Bildverarbeitungssoftware Visionexpert“, bilanziert Vassalli. Das Compar-Programm übernimmt als Hauptkomponente zunächst das externe Hardware-Handling, d.h. die Anbindung der Kameras sowie sonstiger Peripherie. Weitere Aufgabe ist das Bilddaten-Management sowie die Weitergabe von zu analysierenden Bilddaten an ViDi. Die zurückgelieferten Ergebnisse werden intern verwendet, visualisiert und schließlich in die Entscheidungsfindung eingebunden. Trotz aller Automatik behält der Mensch durch Vorgabe von Prüfkriterien und Entscheidungsvorgaben wie z.B. dem Treshhold-Level stets die Entscheidungsgewalt. Zur Analyse und Beurteilung eines Prüflings werden neben den Ergebnissen der ViDi-Untersuchung auch die Visionexpert-Fähigkeiten herangezogen. Die Software kann im Unterschied zum ViDi-Plug-In beispielsweise Abmessungen bis in dem µm-Bereich mit hoher Genauigkeit messen und anhand der Ergebnisse Entscheidungen treffen. Zudem übernimmt Visionexpert auch noch die Kommunikation mit der übergeordneten IT.

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