Informationsverschiebung
Welche Rolle spielt Verzeichnung beim Objektivkauf
Bei vielen Objektiven tritt bei der Abbildung eine Verzerrung des Bildfeldes auf, die sogenannte Verzeichnung. Diese kann das Abbildungsergebnis und die eventuelle Auswertung des Bildes beeinflussen. Während die meisten Aberrationen Informationen vermischen und dadurch ein unscharfes Bild erzeugen, wird durch Verzeichnung die Bildinformation lediglich an die falsche Stelle verschoben. Somit entsteht in der Regel kein Informationsverlust und die Verzeichnung eines Bildes kann theoretisch herausgerechnet werden, was allerdings Zeit und Rechenleistung kostet. Daher ist es sinnvoll, schon bei der Objektivauswahl auf die Verzeichnung zu achten.
Im Grunde gibt die Verzeichnung an, wie sich die Vergrößerung auf dem Bildfeld bei einem festen Arbeitsabstand ändert. Sie darf nicht verwechselt werden mit der Parallaxe, die eine Änderung der Vergrößerung in Abhängigkeit des Arbeitsabstandes bezeichnet. Die Verzeichnung steigt mit der Feldhöhe an und ist daher bei Objektiven mit großen Bildfeldern (kurzer Brennweite) am stärksten. Sie wird durch das optische Design eines Objektivs bestimmt, ist unabhängig von der Blende, aber abhängig von der verwendeten Beleuchtungswellenlänge und dem Arbeitsabstand. Aufgrund dieser Abhängigkeiten sollte das Objektiv bei der Eliminierung der Verzeichnung durch entsprechende Algorithmen immer in seiner jeweiligen Anwendung betrachtet werden. Nur so kann eine höchstmögliche Genauigkeit erreicht werden und der Einfluss aller Systemparameter einbezogen werden. Bei einfachen Linsen gibt es zwei Hauptverzeichnungstypen: die positive, tonnenförmige Verzeichnung und die negative, kissenförmige Verzeichnung. Die Begriffe tonnenförmig und kissenförmig beziehen sich auf die Form, die ein rechteckiges Feld annimmt, wenn es durch diese Verzeichnungstypen verändert wird. Typischerweise bleiben in einem Bildverarbeitungssystem etwa zwei bis drei ProzentVerzeichnung unbemerkt, sofern keine Messalgorithmen angewandt werden.
Verzeichnungskurven
Verzeichnungskurven helfen die Verzeichnung in einem System zu verstehen und durch entsprechende Algorithmen zu eliminieren. In Bild 2a ist eine negative/tonnenförmige Verzeichnung bei einem 35mm Objektivsystem zu sehen. In diesem speziellen Beispiel ist der Verzeichnungsgrad für alle analysierten Wellenlängen beinahe identisch. Wellenlängenbedingte Probleme sind daher nicht vorhanden. In Bild 2b dagegen treten bei den verschiedenen Wellenlängen unterschiedliche Verzeichnungsgrade auf. Des Weiteren tritt bei diesem Objektiv sowohl negative als auch positive Verzeichnung auf und es ist ersichtlich, dass die Verzeichnung nicht linear über dem Bild verläuft. Dieser Verzeichnungstyp wird als wellenförmige oder komplexe Verzeichnung bezeichnet und kommt häufig bei Objektiven mit sehr geringer Verzeichnung vor, beispielsweise bei Mess- oder Kalibrierobjektiven oder telezentrischen Objektiven.
TV-Verzeichnung
In den Objektivdatenblättern wird Verzeichnung entweder als radiale oder geometrische Verzeichnung oder als TV-Verzeichnung angegeben. Die geometrische Verzeichnung beschreibt den Abstand zwischen der Position, an der sich die Punkte in einem verzeichneten Bild befinden und der Position an der sie sich in einem perfekten System befinden würden. In der Praxis lässt sich dieser Abstand mithilfe eines Punktrasters bestimmen (Bild 1). Die Verzeichnung kann dann mit Gleichung (1) berechnet werden.
(1)
Zur Berechnung der TV-Verzeichnung anhand der Gleichung (2) wird der Höhenunterschied zwischen der Ecke eines abgebildeten Quadrates und dem Rand des Quadrates in der Bildmitte verwendet oder anders ausgedrückt die Durchbiegung einer geraden Linie am oberen Bildrand (Bild 3).
(2)
Anders als bei der radialen Verzeichnung, bei der der Verzeichnungswert bei maximaler Feldhöhe des größtmöglichen Sensorformates angegeben wird, ist bei der TV-Verzeichnung im Grunde die geometrische Verzeichnung an einem Feldpunkt angegeben, der nicht bei der maximalen Feldhöhe liegt. Dieser Wert ist kleiner als der radiale Verzeichnungswert und somit irreführend, da an anderen Bildstellen die Verzeichnung wesentlich größer sein kann. Bei der Auswahl und Beurteilung eines Objektivs sollte also unbedingt darauf geachtet werden, welche Verzeichnungsart angegeben ist. Die geometrische Verzeichnung ist aussagekräftiger und daher dem TV-Wert vorzuziehen.
Telezentrische Objektive
Telezentrische Objektive haben aufgrund ihres Designs sehr geringe Verzeichnungswerte. Dies kann ein entscheidender Vorteil gegenüber entozentrischen Objektiven sein und es kann sich lohnen, bei verzeichnungskritischen Anwendungen auch telezentrische Objektive in Betracht zu ziehen. Die Verzeichnung verschwindet niemals ganz, ist jedoch bei telezentrischen Objektiven so gering, dass sie das Messergebnis kaum verfälscht.
Trapezverzeichnung
Zusätzlich zu den zuvor genannten Verzeichnungstypen, die schon durch das optische Design eines Objektivs entstehen, kann die unsachgemäße Systemausrichtung zu einer Trapezverzeichnung führen. Diese sollte bei der Eliminierung von Verzeichnung im Bildverarbeitungssystem ebenfalls berücksichtigt werden.
Fazit
Auch wenn durch die Verzeichnung in der Regel kein Informationsverlust entsteht, sollte sie bei der Auswahl eines passenden Objektivs nicht unter den Tisch fallen. Vor allem, wenn die Verzeichnung in der Anwendung ein kritischer Faktor ist und eine algorithmische Verzeichnungskorrektur nicht oder nur schwer realisierbar ist, lohnt sich ein Blick vorab auf die Verzeichnungswerte der Objektive und ein entsprechender Objektivvergleich.