Maschinen erfassen Umgebung

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Förderprojekt für sichere Mensch-Maschine-Interaktion

Mit 3Dsensation hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ein interdisziplinäres Förderprojekt für neue Technologien im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion angestoßen. Prof. Dr. Andreas Tünnermann, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena, ist Sprecher der Innovationsallianz, und gibt Auskunft über Hintergründe und Ziele des Projektes.

Herr Professor Tünnermann, worum geht es bei dem Projekt 3Dsensation?

A. Tünnermann: Eine der großen Herausforderungen in den nächsten Jahren ist die sichere Kommunikation zwischen Mensch und Maschine in verschiedenen Arbeits- und Lebenswelten. Die erste Voraussetzung ist dabei, dass die Maschinen Daten ihrer Umgebung erfassen und diese geeignet interpretieren können. Ganz wichtig sind dabei optische Sensoren. So wie der Mensch im Wesentlichen mit den Augen seine Umwelt erfasst, so müssen auch Maschinen über optische und elektromagnetische Sensoren ein Bild ihrer Umwelt aufbauen. Aber das werden nicht nur einfache und konventionelle Kameras sein: Wahrscheinlicher sind Sensorsysteme, die Abstände erfassen können – insbesondere 3D-Informationen – und diese dann auch verarbeiten. Das Ziel der Allianz 3Dsensation ist es, solche Sensorsysteme zu entwickeln und für die Anwendung in verschiedenen Branchen zu qualifizieren. Daneben beschäftigen wir uns damit, wie die Interaktion zwischen Mensch und Maschine gestaltet werden muss, um eine höhere Akzeptanz beim Nutzer zu erreichen sowie eine sichere und effiziente Interaktion zu realisieren. Die Allianz geht diese Themen branchenübergreifend für die Bereiche Mobilität, Produktion, Gesundheit und Sicherheit an. Wir haben bei Umfragen in den Teilmärkten festgestellt, dass die wissenschaftlich-technologischen Herausforderungen vergleichbar sind. Insofern sollten sich Synergieeffekte erzielen lassen, wenn man die Herausforderung branchenübergreifend adressiert.

Die Innovationsallianz geht auf eine Ausschreibung des BMBF zurück. Wer steht hinter 3Dsensation?

A. Tünnermann: Im Jahr 2012 hat das BMBF sein Programm ´Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation´ gestartet. Ziel war es, über klassische Verbundvorhaben hinauszugehen und zu versuchen, Themen nachhaltig und übergreifend zu bearbeiten. Dabei geht es um überregionale und möglichst fachübergreifende Kooperationen. In unserem Fall hat sich zunächst ein Konsortium für eine Konzeptphase gefunden, um Fragestellungen im Bereich Mensch-Maschine-Interaktion aufzugreifen. Im Rahmen einer einjährigen Konzeptphase wurde dann ein Strategiepapier entwickelt, welches durch eine unabhängige Jury evaluiert wurde und dann zu einer Förderempfehlung an das BMBF überging. Das Besondere an 3Dsensation ist die enorme Interdisziplinarität. Bei uns arbeiten Wissenschaftler aus der Neurologie, der Physik und den Sozialwissenschaften zusammen. Dem BMBF war aufgefallen, dass Förderung oft nur branchenspezifisch entlang von wohldefinierten Szenarien funktioniert. Sobald man versucht, branchenübergreifend zu arbeiten, scheitert man. Unsere Allianz zielt auf Lösungen für verschiedene Branchen und schafft das Fundament für eine nachhaltige Zusammenarbeit zwischen den verschiedensten Experten. Wir haben durch das BMBF die Möglichkeit, Forscher für die Technikfolgeabschätzung mit Kognitionswissenschaftlern und Ingenieuren zusammenbringen, um dann Lösungen zu erarbeiten, die auch praxistauglich sind.

Mit welchen Mitteln ist die Allianz ausgestattet?

A. Tünnermann: Dem Konsortium mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft wurden rund 45Mio.? Förderung durch das BMBF zugesagt. Partner in dem Konsortium sind verschiedene Wissenschaftseinrichtungen, Hochschulen und Unternehmen. Inhaltlich kommen die Partner aus den Bereichen Produktion, Mobilität, Gesundheit und Sicherheit. Ein wesentliches Argument für die Allianz ist sicher auch, dass wir uns verpflichtet haben, über die 45Mio.? BMBF-Förderung hinaus weitere Mittel einzusetzen. Sowohl Eigenmittel als auch weitere Drittmittel in diesen Themenfeldern sollen dafür eingeworben werden. Insgesamt wollen wir über 100Mio.? für Fragestellungen der Mensch-Maschine-Interaktion einsetzen, d.h. in den Bereichen der 3D-Datenaufnahme, -verarbeitung, -interpretation und -wiedergabe in ausgewählten Nutzerszenarien.

Um welche Anwendungsbereiche geht es speziell?

A. Tünnermann: Prominente Beispiele sind im Bereich der autonomen Mobilität und Fragestellungen aus der Produktionstechnik. Ein großes Thema ist die Reintegration des Menschen in die Fertigung, z.B. in der Automobilindustrie. Dort will man versuchen, eine direkte Interaktion von Mensch und Roboter zu realisieren, um die Vorteile von Mensch und Maschine symbiotisch verbinden zu können, insbesondere auf Seiten des Menschen die hohe Flexibilität und Kreativität und auf der Seite der Maschine die Kraftwirkung bzw. die Ausdauer in verschiedenen Prozessen zu nutzen. Ein Thema ist die Frage, wie Deutschland unter Berücksichtigung des demografischen Wandels in Zukunft aufgestellt sein wird. Hier sehen wir Themen, wie die maschinelle Unterstützung im Pflegebereich. Aber auch die Unterstützung von Arbeitnehmern in der Produktion ist ein Punkt. Es geht darum ein selbstbestimmtes Leben in den verschiedenen Arbeits- und Lebenswelten zu ermöglichen, am besten unabhängig von der körperlichen Leistungsfähigkeit der Menschen.

Was haben Sie bereits erreicht?

A. Tünnermann: Wir haben einen ganz entscheidenden Aspekt in den Fokus der ersten Vorhaben gestellt: Im Rahmen von sogenannten Basisvorhaben versuchen wir Anforderungsprofile branchenübergreifend zu erfassen. Welche Anforderungen entstehen bei Datenaufnahme, -verarbeitung und -wiedergabe, wenn wir eine sichere Interaktion zwischen Mensch und Maschine ermöglichen wollen? Dort gibt es z.B. bereits ein abgeschlossenes Vorhaben, was natürliche Gesten des Menschen sind, und wie diese genutzt werden können, um Maschinen zu steuern. Ein weiteres Projekt war die Evaluierung von etwa 20 verschiedenen Verfahren zur 3D-Informationsaufnahme anhand von definierten Prüfaufgaben. Mit den gewonnenen Daten können wir diese vergleichen und hinsichtlich der Einsatzfähigkeit bewerten. Dies ist eine entscheidende Grundlage für mögliche Weiterentwicklungsprojekte. Als Allianz haben wir aber auch sogenannte Inventionsvorhaben eingeführt. Dabei soll vor allem die Kreativität gefördert werden. Bei einer Laufzeit von einem Jahr und einem Volumen von etwa 100.000? können Partner dabei vielversprechende Forschungsansätze aus dem Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion untersuchen, wobei diese noch nicht vollständig ausgereift sind, aber ein enormes Innovationspotenzial besitzen. Im Erfolgsfall können wir die Ergebnisse als Basis für mögliche Verbundprojekte mit weiteren Partnern nutzen. Ein Beispiel hierfür ist ein neues Konzept für eine 3D-Kamera in mobilen Endgeräten oder ein System zur Erfassung der Lippenbewegung, um daraus das Gesprochene abzuleiten.

Was sind die Ziele in den nächsten zwei Jahren?

A. Tünnermann: Wir haben eine gemeinsame Roadmap. Danach wollen wir uns in den ersten zwei Jahren mit den Bereichen der Datenaufnahme/Sensorik aber auch mit der Datenverarbeitung befassen. Im weiteren Verlauf werden wir Verbundprojekte angehen, die stärker auf das Gesamtziel der Allianz, die sichere und effiziente Mensch-Maschine-Interaktion fokussieren. Dort haben wir schon Ideen für Demonstratoren definiert, die sehr deutlich die Möglichkeiten der direkten Interaktion des Menschen mit der Maschine visualisieren. Eine Idee ist ein Montageassistent, der einen Arbeiter bei Fertigungs- und Qualitätssicherungsaufgaben unterstützt. Dort wird es darum gehen, die Kreativität und Flexibilität auf der Seite des Menschen und die Stärke und Ausdauer bei der Maschine optimal zu nutzen. Ein Höhepunkt für uns wird die Tagung „innteract“ im Juni 2016 in Chemnitz sein. Wir werden dort verschiedene Projekte der Allianz vorstellen und diskutieren. Hier wird auch die Möglichkeit zum Partnering bestehen.

Fraunhofer-Institut IOF

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