Qualitätskontrolle nadelgeprägter DPM-Codes

Qualitätskontrolle nadelgeprägter DPM-Codes

Qualitätskontrolle nadelgeprägter DPM-Codes

Direkt mit DataMatrix-Code gekennzeichnete Teile steigern die Effizienz in vielen Fertigungsprozessen. Insbesondere nadelbasierte DPM-Codes haben sich dort bewährt, wo Bauteile über mehrere Verarbeitungsschritte und Unternehmensgrenzen hinweg eindeutig identifizierbar bleiben sollen. Doch treten in der Praxis bei nadelgeprägten Codes immer wieder Diskrepanzen zwischen dem Ergebnis der Verifikation zur Überprüfung der Lesbarkeit und der faktischen Lesbarkeit im Prozess auf. Warum ist das so und wie ließe sich das verhindern?
In vielen industriellen Prozessen werden Bauteile mit 2D-Barcodes codiert, z.B. um eine lückenlose Rückverfolgbarkeit der Komponenten eines Produkts gewährleisten zu können. Es gibt eine Reihe von DPM-Verfahren (Direct Part Marking), die wichtigsten sind Inkjet-Beschriftung, Laserbeschriftung und Nadelprägung. Letzteres nimmt dabei eine Sonderstellung ein, denn dort wird der Code mit einer Hartmetallnadel dauerhaft in die Materialoberfläche geprägt. Eingesetzt auf Metall- und Kunststoffteilen liegt der Vorteil gegenüber anderen Verfahren darin, dass der Code auch nach oberflächenverändernden Folgeprozessen, wie z.B. Beschichten, Lackieren, Kugelstrahlen, Härten oder Bondern noch lesbar ist.

DPM-Normen und Richtlinien

Entscheidend für die Unternehmen ist, dass die Lesbarkeit der Codierung von Teilen über alle Stufen der Prozesskette hinweg erhalten bleibt. Wer als Lieferant den Code aufbringt, wird daher oft aufgefordert, die markierten Codierungen zu verifizieren. So soll sichergestellt werden, dass nur Bauteile geliefert werden, deren Markierungen eine Mindestqualität aufweisen und somit in nachfolgenden Prozessen und von anderen Beteiligten im Wertschöpfungsprozess lesbar sind. Für die Bewertung der DataMatrix-Codes gibt es hier eine Reihe von Normen und Richtlinien. Die AIM International Technical Specification von 1996 bezog sich, was Qualitätskriterien betraf, auf gedruckte Codierungen. Die AIM-Kriterien wurden in die ISO/IEC16022:2000 übernommen. Der Aeorospace-Standard AS9132 von 2002 geht explizit auf die Direktmarkierungsverfahren Nadelprägen, Laserbeschriften und elektrochemisches Ätzen ein. Bei der Einstufung der Code-Qualität nach Verzerrungswinkel, Punktgröße, Punktmittenversatz, Punktovalität und ungenutzte Fehlerkorrektur gibt es hier aber nur die Einstufungen Pass und Fail. Ein entscheidender Schritt war 2004 die ISO/IEC15415. Als neues Kriterium kam die Modulation hinzu, das ist die Bewertung der hellen und dunklen Module auf Abstand zur globalen Schwelle in einem Histogramm der Grauwertverteilung. Die Graduierung der Qualitätsbewertung wurde offiziell numerisch von 4 (optimal) bis 0 (fail) festgelegt. Doch selbst nachdem 2008 nochmals Korrekturen an der Norm vorgenommen wurden, führte die Verifizierung direkt markierter Codierungen in der Praxis häufig zu nicht reproduzierbaren Ergebnissen hinsichtlich der Graduierung. Die AIM DPM Quality Guideline von 2006 hat sich dann dem DataMatrix-Code in seiner direkt aufgebrachten Form gewidmet und die dort niedergelegten Verifikationsverfahren und Beleuchtungsbedingungen gingen in den heute gültigen Standard ISO/IEC15415 Technical Report TR 29158 von 2011 ein.

Bewährte Praxis und doch…

Der aktuelle Stand der Normierung hat sich in der Praxis bewährt und wird allgemein als großer Schritt in die richtige Richtung beurteilt. Nicht nur die Aufnahme- und Beleuchtungsvorgaben wurden verbessert, sondern auch die Berechnungsverfahren praxisgerecht angepasst. Auf Basis von Technical Report TR 29158 lassen sich lasermarkierte oder per Inkjet beschriftete Codierungen sehr gut verifizieren und reproduzierbar inline bewerten. Auch bei nadelgeprägten Codierungen finden diese Richtlinien Anwendung. Auf homogenen Flächen mit geringer Rauigkeit sind die geprägten Codes nach den in der Norm beschriebenen Beleuchtungssituationen verifizierbar – aber auch nur unter solchen Idealbedingungen. In der Praxis zeigt sich bei rauen oder anderen weniger idealen Oberflächen häufig ein anderes Bild. Bedingt durch das Material, die Oberflächeneigenschaften, Beschichtungsprozesse oder weitere Faktoren sind die Codes in dem nach Normbedingungen erzeugten Bild nur unzureichend darstellbar. So kommt es, dass der Code durch die Verifizierung abgewertet wird, obwohl er perfekt geprägt und absolut prozesssicher lesbar ist. Im Fertigungsprozess wird der Code offensichtlich besser erkannt als in der Qualitätskontrolle. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären? Der Grund hierfür liegt im Zusammenhang zwischen der Beleuchtung und der Art und Weise, wie die Reflexion des Lichts den Code lesbar macht oder eben nicht. Ein nadelmarkierter Code trägt seine Information in der eingeprägten 3D-Struktur, ein Kontrast im Bild entsteht also nur durch die Beleuchtung. Das Ergebnis der Verifikation ist somit auch von der Beleuchtung abhängig und nicht nur von der Code-Qualität. Genau das sollte eigentlich durch die normierten Beleuchtungsbedingungen verhindert werden.

Ungerechtfertigte Abwertung

Alle nach der Norm vorgeschriebenen Beleuchtungssituationen für die Verifizierung schreiben eine senkrechte Anordnung der Kamera und eine gleichmäßige Beleuchtung der Code-Umgebung und des Code-Hintergrundes vor. Diese erfolgt koaxial, als diffuse Dome-Beleuchtung oder mit einer Einstrahlung unter 30° zur Objektebene. Unter diesen Bedingungen ergibt sich aber nur dann ein signifikanter Kontrastunterschied, wenn die geprägten Punkte das Licht in eine andere Richtung reflektieren oder stark anders streuen als die Umgebung. Bei matten, strukturierten, behandelten oder beschichteten Oberflächen trifft dies eher selten zu. Noch schwieriger stellt sich die Situation bei gekrümmten Oberflächen dar. Bild 2 zeigt eine Aufnahmesituation mit Dome-Beleuchtung. Ein aufgedruckter Code wäre unter diesen Bedingungen mit perfektem Kontrast lesbar. Der hier gezeigte Code ist einwandfrei geprägt, wie man an der Aufnahme nach dem Beschichten erahnen kann. Doch der Code wäre in der Verifizierung als zu kontrastarm abgewertet und das Bauteil dadurch eventuell aussortiert worden, bevor es überhaupt bis zum Fertigungsschritt der Beschichtung hätte kommen dürfen. Dennoch: Der Code kann absolut zuverlässig gelesen werden, wenn man mit der Anordnung von Kamera und Beleuchtung auf die geprägte Geometrie eingeht.

Den richtigen Winkel wählen

Die Codierungen werden mit der Prägenadel (Nadelwinkel a) markiert und unter dem korrespondierenden halben Winkel beleuchtet und beobachtet. Die Markierungen reflektieren entsprechend ihrer Geometrie in Richtung Kamera, während der Hintergrund entsprechend seiner Oberfläche das Licht in die andere Richtung spiegelt oder streut. Das von der Oberfläche in Richtung Kamera gestreute Licht ist dadurch im Verhältnis deutlich geringer als das von den schrägen Flächen reflektierte Licht in den markierten Punkten. Die Geometrie der Prägung in dieser Weise zu nutzen, verbessert das Signal-Rausch-Verhältnis. Die Beleuchtung kann sehr einfach standardisiert werden und der Scanvorgang ist tolerant gegenüber prozessbedingten Schwankungen der Oberflächenstruktur. Bild 3 zeigt dieselben Bauteile wie in Bild 2, allerdings bei einer Beleuchtungs- und Kameraanordnung unter 45°, dem halben Winkel der Nadelspitze. Es ist deutlich zu erkennen, dass mit dieser Beleuchtungsanordnung Codierungen, die nach Norm nicht zu verifizieren waren, perfekt markiert und absolut prozesssicher zu lesen sind. Selbst die nach dem Prägen erfolgten Behandlungen der Oberfläche zeigen keinen nennenswerten Einfluss.

Fatale Fehleinschätzung

Die Abweichung zwischen Verifikationsergebnis und tatsächlicher Code-Qualität kann auch in die andere Richtung gehen, mit der ungerechtfertigten Aufwertung der Code-Qualität. Ein Beispiel zeigt Bild 1: Die normgerechte Verifikation kommt zu einer Gut-Bewertung von extrem schlecht geprägten Codierungen mit gebrochenen oder verschlissenen Spitzen der Prägenadel. Diese ‚durchgewunkenen‘ Codierungen können später im Leseprozess in der Produktionslinie erhebliche Schwierigkeiten verursachen. Oft sind schon viele hundert oder tausend Teile geprägt, bis dann beim Verbau Probleme mit der Identifikation auftreten.

Empfehlung: bewertetes Lesen

Obwohl die nadelgeprägte Codierung ein äußerst robustes und prozesssicheres Identifizierungsverfahren ist, wird sie teilweise durch die Probleme in der Verifizierungspraxis in Frage gestellt. Die fehlerhaften Bewertungen führen in der Praxis zu Diskussionen unter den Beteiligten der Lieferkette, die mit der Verifikation eigentlich vermieden werden sollen. Da es sich bei nadelgeprägten Codes um eine kontrastlose 3D-Struktur handelt, wäre es konsequent, Qualitätsparameter anhand der Struktur zu definieren, wie z.B. Punktgröße, Tiefe, Kegelwinkel oder Punktposition. Diese Merkmale wären objektiv und würden die Markierung selbst beschreiben. Die Aerospace-Norm AS9132 hat dies weitgehend gemacht. Allerdings eignet sich eine 3D-Vermessung der Code-Strukturen nach den Kriterien dieser Norm eher fürs Labor, als für eine Bewertung in der Produktionslinie. Ein sinnvoller Ausweg ist das ‚bewertete Lesen‘ in der zuvor beschriebenen schrägen Beleuchtung und Scannerposition. Neben der Dekodierung des Code-Inhaltes werden verschiedene Kriterien zur Qualifizierung herangezogen, welche sicher Rückschlüsse auf die Reproduzierbarkeit der Markierung zulassen. Das Ziel dieser Prüfung ist, Änderungen der Markierqualität zu einem frühen Zeitpunkt festzustellen, um spätere Probleme im Leseprozess zu vermeiden. Dabei ist die Qualität der einzelnen Prägepunkte entscheidend dafür, dass diese Beschichtungen, Kugelstrahlen, Lackierungen usw. überstehen und klar erkennbar bleiben. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Kriterien des bewerteten Lesens.

Fazit

Es hat sich in der Praxis bestätigt, dass sich nadelmarkierte Codierungen verlässlich und reproduzierbar mit dem ‚bewerteten Lesen‘ in ihrer Qualität beurteilen lassen. Diese Beurteilung ist inline möglich und eignet sich sehr gut zur Überwachung des Markierprozesses. Alle für den späteren Leseprozess relevanten Qualitätsmerkmale lassen sich erfassen und überwachen, was die Grundvoraussetzung für eine durchgängige Prozesssicherheit von der Markierung bis zur Integration des Bauteils ist. Entscheidend ist, dass abweichend von der in der Norm vorgeschriebenen Aufnahme und den in der Norm vorgeschriebenen Beleuchtungsanordnungen, die Beobachtung und Beleuchtung unter dem korrespondierenden Winkel der Nadelgeometrie stattfindet. Es hat sich gezeigt, dass auch das Verfahren nach ISO15415/TR 29158, das wie ausgeführt nicht optimal auf die Besonderheiten bei Nadelprägen abgestimmt ist, dann zu zuverlässigen Ergebnissen führt, wenn man es hinsichtlich der Beleuchtungs- und Leserichtung abwandelt. Um eine hohe Prozesssicherheit zu erreichen, ist es von größter Bedeutung, beim Verifizieren und Lesen direkt markierter Codierungen auf die Beobachtungs- und Beleuchtungsart entsprechend der Markiertechnik einzugehen. Kontrastbasierende Codierungen (mit Laser oder Inkjet gedruckt) werden idealerweise senkrecht beobachtet und nach einer in der Norm definierten Anordnung beleuchtet, während geometriebasierende Codes unter dem korrespondierenden Nadelwinkel beleuchtet und beobachtet werden.

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