Realtime Grabber

Deterministische Bilderfassung im µs-Bereich

Realtime Grabber

Der Erfolg, den die beiden ‚Consumer-orientierten‘-Kamera-Interfaces GigE und USB3 Vision in der Bildverarbeitung verzeichnen, beeindruckt: innerhalb weniger Jahre sind die Absatzzahlen explodiert (auch wenn USB3 aktuell noch am Beginn des Ramp-Ups steht). Als logische Konsequenz sollte daher – zumindest auf den ersten Blick – die Verbreitung und Akzeptanz der klassischen, Framegrabber-orientierten Bilderfassung sinken.
Allerdings gibt es aber nach wie vor einen signifikant großen Markt für Framegrabber. Besonders anspruchsvolle Anwendungen, die vor wenigen Jahren noch als ‚unlösbar‘ galten, sind häufig verbunden mit dem Anspruch an ein Maximum an Performance, Stabilität und Ansprechverhalten. Sie erfordern oft dedizierte Hard- und Software für die Bildverarbeitung. Genau deshalb stellt Matrox Imaging eine neu entwickelte PCIe-Framegrabber-Serie für die Interfaces Camera Link, CoaXPress und Camera Link HS vor. Wo liegen aber die Vorteile dieser Framegrabber und in welchen Märkten und Applikationen macht der Einsatz einer zusätzlichen Hardware-Komponente heute überhaupt noch Sinn?

Industrialisierung und Langzeitverfügbarkeit

In rauen Industrieumgebungen ist der Einsatz von Consumer-orientierten Interfaces nicht immer leicht: Beidseitig verschraubte Stecker, lange Kabelstrecken, industrielle Kabeldurchführungen, robuste Schirmung gegenüber EMV-Einflüssen und speziell die Langzeitverfügbarkeit aller Komponenten wird häufig vorausgesetzt. GigE und USB3 Vision lösen zwar die meisten dieser Themen mehr oder weniger gut, aber speziell die Langzeitverfügbarkeit des Interfaces auf PC-Seite ist ein großes Problem. GigE- und USB3-Chipsätze für PC-Interfaces wechseln schnell und oft ohne Ankündigung. Eine Garantie zur Verfügbarkeit und gleichbleibender Performance und Kompatibilität ist dort nicht gegeben. Für die Framegrabber von Matrox Imaging wird eine Verfügbarkeit von mehr als sieben Jahren zugesichert. Aktuell ist sogar ein Analog-Framegrabber von 1998 immer noch lieferbar. OEMs, die Maschinen mit langer Lebens- und Servicedauer in den Markt bringen, profitieren somit von der Langlebigkeit und dem umfassenden Lifecycle-Management von der Produkteinführung bis zur -abkündigung.

Bandbreite

Der Faktor Datenbandbreite ist eine der wichtigsten Kennzahlen für jedes Interface: Die Sensortechnologie schreitet unaufhaltsam fort und Bilddaten werden immer größer durch die Zunahme von Pixel-Auflösung, Readout-Geschwindigkeit, Bit-Tiefe und Anzahl der Farbkanäle (Stichwort: Multispektralkameras). Zudem sind Framegrabber in Puncto Transferleistung immer noch ungeschlagen: Camera Link, CoaXPress und Camera Link HS übertreffen die framegrabber-losen Schnittstellen bei weitem (Bild 2). Dies ist besonders interessant für Anwendungen, die auf Kameras mit den neuesten hochauflösenden und schnellen Sensorgenerationen von On Semiconductor, Cmosis, e2v, Teledyne Dalsa, aufsetzen. In Branchen wie Semiconductor, Flat-Panel oder Print wird schlichtweg eine riesige Menge an Bilddaten erzeugt und verarbeitet. Hierfür sind die Radient eV Boards konzipiert, bei denen die technische Basis für jedes Interface identisch ist: Mit leistungsfähigen FPGAs für Datenhandling, LUTs, Bayer-Interpolation und Farbraum-Konvertierung, 1 bis 4GB onboard-Speicher und dem superschnellen PCIe x8 Gen2.0 Interface leisten sie bis zu 4GB/s Datendurchsatz. Nur das Grabber-Frontend unterscheidet sich dabei von Version zu Version: Camera Link2.0 zusammen mit dem Extended-Full 10x8bit Mode bei vollen 85MHz für 850MB/s und speziell für Mehrkamerasysteme eine Quad-Base bzw. Dual-Full Version mit bis zu 1,7GB/s. Die CoaXPress-Variante ist mit zwei bzw. vier BNC-Steckern für die unabhängigen CXP-6-Links ausgestattet. Bis zu vier Single-Link-Kameras mit je 6,25Gbps oder einer Kamera mit bis zu 25Gbps über Link-Aggregation können angeschlossen werden. Camera Link HS mit einem CX4-(Kupfer-)Anschluss für das CLHS M-Protokoll mit sieben Daten- und einem Befehls-Kanal erlaubt den Transfer von 2,1GB/s Bilddaten sowie allen Trigger- und I/O-Signalen über 15m Kabel.

Realtime: Wenn µs zählen

Aber nicht nur der Gesamtdurchsatz ist entscheidend: In anderen Anwendungen liegt das Hauptaugenmerk darauf, die Bilddaten schnell und deterministisch zur Auswertung vorliegen zu haben. Bei AOI-Systemen in der Elektronikproduktion ist z.B. die Framerate nicht konstant hoch, d.h. es wird vielmehr eine Reihe von Bildern unter unterschiedlichen Lichtbedingungen möglichst schnell aufgenommen. Geschwindigkeit und Realtime sind dort besonders wichtig, da sofort im Anschluss die Mechanik die nächste Prüfposition anfährt. Bei mehreren tausend Prüfpositionen steigert eine schnelle, latenz- und jitterfreie Sequenzaufnahme den Gesamtdurchsatz des Inspektionssystems erheblich. In der Bildverarbeitung ist Windows als Betriebssystem am weitesten verbreitet. In der schnellen, stabilen und jitterfreien Bilderfassung liegt aber eine große Herausforderung: Windows ist nicht geeignet, Befehle im Millisekunden-Takt an Kamera oder Framegrabber abzusenden oder gar zu verarbeiten. Hier stören die vielen parallel laufenden Prozesse, die über den Windows-Scheduler priorisiert werden und der unvorhergesehene Latenzen von bis zu 500ms hervorrufen kann. Gleich zwei Ansätze, um diese Hürde zu überwinden bieten die Radient eV Boards: Zum einen gibt es einen speziellen Burst-Grab-Mode. Dieser onboard-Frameakkumulator startet mit dem Absenden eines einzigen Software-Befehls eine High-Speed-Aufnahme: Der Framegrabber sorgt – ohne den Eingriff des Betriebssystems – für das Aufsetzen der Grabs sowie das Queing und Umschalten der Bildspeicherbereiche. Damit lässt sich z.B. auf der Radient eV CoaXPress eine Aufnahmefrequenz von >50kHz stabil und ohne Frameverlust erreichen – undenkbar für Framegrabber-lose Interfaces. Da aber auch in der anderen Richtung der Windows-Scheduler eine zuverlässige, hochfrequente und latenzfreie Benachrichtigung für Ereignisse (z.B. das Vorliegen neuer Bilddaten zur Verarbeitung) verhindert, unterstützt die gesamten Radient eV Framegrabber-Serie die Windows-Echzeiterweiterung RTX64 von IntervalZero. RTX64 ist eine SMP-Erweiterung (Symmetric Multi Processing) und transformiert Windows in ein RTOS (Real-Time Operating System) (Bild 3). So läuft Bildaufnahme, Bildspeicherung und -verarbeitung unabhängig von Windows als eigenständiger Prozess auf einem eigenen Kern mit separatem Echtzeit-Scheduler. Die Bildverarbeitung ist damit zu 100 Prozent unabhängig von Windows, selbst die Bilddaten liegen nicht im Windows-Speicher, sondern in einem von Windows unabhängigen, getrennten Speicher. Der Vorteil liegt auf der Hand: Durch die Entkopplung von Windows läuft die Bildverarbeitung unter einem echten Realtime-Kern und garantiert deterministische Antwortzeiten bei höchsten Frequenzen. Somit lassen sich auch unter Windows nun echte Realtime-Systeme mit einem Maximum an Determinismus aufbauen (Bild 4).

Fazit

GigE und USB3 Vision sind aktuell die am meisten nachgefragten Interfaces, das steht außer Frage. Keineswegs aber sind sie für jede Applikation die optimale Lösung. Manche Anwendungen gehen sogar wieder zurück auf den Framegrabber, da deren Eigenschaften im Bereich Leistung und Datendurchsatz im deterministischen Umfeld die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems derart steigern, dass die Mehrkosten durch Hardware-Einsatz trotzdem rentabel sind.

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