Roadmap Bildverarbeitung

Roadmap Bildverarbeitung

Wie sieht die Bildverarbeitung in Zukunft aus?

Die industrielle Bildverarbeitung profitiert als Hochtechnologie in besonderem Maße von technischen Innovationen und steht im Fokus vieler Anwenderbranchen. Große Fortschritte z.B in der Sensorik, Abbildungsoptik, bei Komponenten wie Beleuchtungen und nicht zuletzt in der rechnergestützten Auswertung der Bilddaten erhöhen die Vielfalt und die Einfachheit der Anwendung immens. So lassen sich heute Aufgabenstellungen bewältigen, die bisher technisch nicht lösbar waren. Zudem definieren innovative, kostengünstigere Technologien die Schwelle zum wirtschaftlichen Einsatz von Bildverarbeitungssystemen ständig neu und erhöhen damit die Akzeptanz beim Anwender.
Die vorgezeichneten Entwicklungen und weitere Zukunftstrends sind Ergebnisse einer Foresight-Studie der Fraunhofer-Allianz Vision, die unter dem Titel ´Roadmap Industrielle Bildverarbeitung´ veröffentlicht wurde und über das Büro der Fraunhofer Allianz Vision kostenpflichtig bezogen werden kann.

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Die Zukunft der industriellen Qualitätssicherung werden daher intelligente Bildverarbeitungssysteme und optische Mess- und Prüftechnik mitbestimmen, die weit komplexere Aufgaben erfüllen, als das automatisierte Erfassen ausgewählter Inspektionsdaten an isolierten Überwachungspunkten. Als unverzichtbare Komponenten der Automatisierungstechnik werden solche Systeme zukünftig, gewissermaßen als die Sinnesorgane einer durchgängig vernetzten Produktion, nahezu in Echtzeit massenhaft Material-, Produkt- und Prozessdaten zur Verfügung stellen und auswerten. Vor diesem Hintergrund kommt auch der Entwicklung von Big-Data-Technologien für die Bildverarbeitung und deren Überführung in die industrielle Anwendungspraxis große Bedeutung zu. Denn um autonom intelligente Entscheidungen zu treffen, benötigen Automatisierungssysteme, als auch die überlagerten Steuerebenen, eine fundierte Datengrundlage. Herausforderungen in Bezug auf das Datenhandling bestehen insbesondere in der konsistenten Zusammenführung der vollständigen Daten über ein Produkt entlang seines gesamten Produktions- und Lebenszyklus. Dafür notwendig sind standardisierte Schnittstellen zwischen Bildverarbeitungssystemen und Automatisierungstechnik sowie einheitliche Datenmodelle, die die Fusion multimodaler Sensordaten und den sicheren Datentausch ermöglichen. Die Leistungsfähigkeit und der Spektralbereich der zur Bildgewinnung eingesetzten Kameras werden dabei immer größer und die Kombination unterschiedlicher Sensortypen vielfältiger. Technologisch gelöst werden muss auch die praktische Realisierung der Vernetzung über alle Informationsebenen, auf deren Basis die verteilte Intelligenz vieler autonomer Systeme künftig die zentralen Steuerungen wohl ablösen wird.

Flexibilität und Anpassungsfähigkeit

Ein zentrales Kriterium für die Zukunftsfähigkeit von Bildverarbeitungssystemen wird auch die Möglichkeit zur einfachen Prozessintegration sein. In diesem Zusammenhang sind Aspekte wie Miniaturisierung, Modularität und Mobilität insbesondere aber Flexibilität, also die anwendungs- und ortsungebundene Einsatzfähigkeit, Trends der nächsten Jahre. Die Ausstattung kommender Generationen von Bildverarbeitungslösungen mit der dafür benötigten, eigenständigen Funktionalität und Kommunikationsfähigkeit ist deshalb eine zwingende Voraussetzung. In der individualisierten Produktion von morgen werden Mess- und Prüfsysteme nicht mehr auf feste Arbeitsschritte oder Aufgaben ausgelegt sein, sondern sich an unterschiedlichste Randbedingungen, wie Prüfinhalte, Fehlerklassen oder Gestalt der Prüfobjekte frei anpassen lassen. Besser noch: Sie haben von vornherein die notwendige Intelligenz bereits implementiert, um die Anpassungen selbst vornehmen zu können. Sie verfügen damit über die Fähigkeit zur Selbstkonfiguration und arbeiten autonom und selbstlernend, ohne dass jede Anwendungsvariante fallspezifisch vorgegeben werden muss.

Effizienzsteigerung durch Simulation

Wesentliche Fortschritte in der Flexibilisierung und anforderungsspezifischen Funktionsanpassung von Bildverarbeitungssystemen werden durch die zunehmende Verfügbarkeit digitaler Modelle erzielt. Simulation mittels Modellbildung wird in Zukunft zumindest teilweise aufwendige Teststellungen ersetzen und als Planungswerkzeug einen festen Platz im Entwurfs- und Optimierungsprozess von Bildverarbeitungslösungen einnehmen. Hier besteht großer Forschungsbedarf in der Entwicklung von Methoden und Verfahren zur virtuellen Prüfplanung, Systemauslegung und zur realitätsnahen Simulation von Bildverarbeitungsaufgaben. Darüber hinaus können Simulationstechniken die Datenbasis liefern, um Bildverarbeitungssysteme, auch ohne realen Aufbau, unter reproduzierbaren Bedingungen systematisch zu erproben, funktionell abzusichern und hinsichtlich ihrer Systemleistung objektiv zu vergleichen. Weitere Perspektiven eröffnen sich, wenn es künftig gelingt, nicht nur die Planung von Prüfungen und die Systemauslegung durch Experimente an einem Modell zu realisieren, sondern auch die Bilder selbst sensorrealistisch zu simulieren, die der Systementwurf von einer realen Szene erzeugen würde. So könnte unbegrenzt Ausgangsmaterial für die Bildverarbeitung zu beliebigen Aufgabenstellungen generiert werden. Auf diese Weise werden Szenarien und Anwendungen realisierbar, die aufgrund ihrer Komplexität bislang nicht beherrscht oder wirtschaftlich nicht bewältigt werden konnten.

Neue Technologien und Anwendungsbereiche

Mit Röntgencomputertomographie kann das Wachstum von Pflanzen analyisert werden. (Bild: Fraunhofer IIS)

Mit Röntgencomputertomographie kann das Wachstum von Pflanzen analyisert werden. (Bild: Fraunhofer IIS)

Für die Bildverarbeitung besteht somit die Chance, in neue Kundenbranchen und Marktsegmente vorzudringen, die in der Vergangenheit nicht adressiert werden konnten. Ein wesentlicher Zukunftstrend sind Bildverarbeitungssysteme zur Materialcharakterisierung. Technologische Grundlage hierfür sind multispektrale Sensoren, die über den sichtbaren Bereich des Spektrums hinaus in der Regel auch weitere Spektralbereiche der elektromagnetischen Strahlung nutzen, um Bilddaten zu erfassen. Solche Systeme lassen sich etwa bei der Rohstoffgewinnung, der Herstellung neuartiger Materialien, in der chemischen und pharmazeutischen Industrie, in der Medizintechnik oder für das Recycling einsetzen. Auch der Agrarsektor wird in diesem Zusammenhang künftig von den Fortschritten in der Bildverarbeitung profitieren. Weitere neue Anwendungspotenziale bestehen im Einsatz von Bildverarbeitungssystemen, die den Menschen und seine Handlungen beobachten können. Die technologischen Grundlagen für solche Systeme werden durch günstige Kamerasysteme, durch Sensorsysteme zur 3D-Erfassung des Raums und durch verbesserte Verfahren und Algorithmen zur Bildauswertung gebildet. Mögliche Anwendungsbereiche reichen vom industriellen Sektor als Hauptmarkt, beispielsweise für die Mensch-Maschine-Interaktion, über intelligente Verkehrs- und Sicherheitssysteme zur Abwendung von Gefahren bis hin zur Gesundheitsfürsorge und Pflege. Gerade in diesem Umfeld spielt die gesellschaftliche Akzeptanz von Bildverarbeitungssystemen eine entscheidende Rolle. Künftig notwendig sind daher günstige Systemlösungen, die strengen Kriterien etwa bezüglich einfacher Bedienung, Zuverlässigkeit und insbesondere hinsichtlich Datensicherheit genügen.

Themen:

| Fachartikel

Ausgabe:

inVISION 5 2016
Fraunhofer-Allianz Vision

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