Sehende Hände

Sehende Hände

Industrieroboter mit integrierter Bildverarbeitung

Auf der diesjährigen Hannover Messe hat pi4_robotics mit dem workerbot3 den zweiten Platz beim Robotics Award belegt. Bereits im Juni launchte das Unternehmen die vierte Generation des Industrieroboters. Die flexiblen humanoiden Roboter punkten vor allem mit ihren sehenden Händen. Ein Gespräch mit Matthias Krinke, Gründer und Geschäftsführer von pi_4.

 (Bild: pi4_robotics GmbH)

(Bild: pi4_robotics GmbH)

Herr Krinke, wen sehen Sie als Zielgruppe für den workerbot?

Matthias Krinke: Im Grunde kann er in jeder Branche eingesetzt werden. Wir haben uns in den letzten Jahren vermehrt auf die kunststoffverarbeitende Industrie fokussiert. Das liegt daran, dass man beim klassischen Industrieroboter gesonderte Sicherheitstechnik braucht, einen extra Bildverarbeitungsrechner, während das bei unserer Lösung schon voll integriert ist. Außerdem ist er ortsflexibel.

Welche Vorteile bringt diese Ortsflexibilität Ihren Kunden?

Krinke: Beim Kunststoffspritzen wird z.B. der workerbot für ein Projekt zwei Monate an einer Maschine eingesetzt, dann ist der Auftrag für einen Kunden abgeschlossen. Anschließend kann man den Roboter in einem Hubwagen zu einer anderen Maschine fahren, wo er dann den nächsten Job erledigen kann.

Welche Anforderungen bestehen an den integrierten IPC?

Krinke: Wir haben zunächst nach einer zuverlässigen Lösung für raue Industrieumgebungen gesucht. Außerdem war ein geringer Footprint wichtig und natürlich die Performance, da wir in den Einsatzbereichen der Roboter mit extremen Bedingungen zu tun haben, gerade wenn es zum Beispiel um 3D-Bildverarbeitung geht.

Der modulare High-Performance-Industrie-PC CamCube 6.0 der Pyramid Computer GmbH steuert die Bildverarbeitung der Roboter von pi4. (Bild: Pyramid Computer GmbH)

Der modulare High-Performance-Industrie-PC CamCube 6.0 der Pyramid Computer GmbH steuert die Bildverarbeitung der Roboter von pi4. (Bild: Pyramid Computer GmbH)

In der dritten Generation der workerbots verwenden Sie einen IPC von Pyramid, wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Krinke: Die Zusammenarbeit besteht bereits seit ein paar Jahren. Wir hatten zuvor Computerlieferanten, bei denen die Produkte regelmäßig ausgefallen sind, da war dringend ein zuverlässiger Partner nötig, den wir in Pyramid gefunden haben.

Matthias Krinke, Geschäftsführer, pi4_robotics GmbH (pi4_robotics GmbH)

Matthias Krinke, Geschäftsführer, pi4_robotics GmbH (pi4_robotics GmbH)

Wo genau läuft die Bildverarbeitung bei einem workerbot? Im Kopf?

Krinke: Das ist richtig und falsch. Er hat zwar eine Kamera im Kopf, aber die Kameras, die die tatsächliche Bildverarbeitung machen, die sind in den Händen – er sieht also mit den Händen. In der dritten Generation haben wir Stereo-Kameras verbaut, mit denen er Teile lokalisieren und einfache optische Prüfungen realisieren kann. Es lassen sich bis zu vier Kameras nutzen.

Wie steht es um das Erkennen von Materialien, wenn wir z.B. an glänzende Oberflächen denken?

Krinke: Natürlich sind hochglänzende Bauteile immer eine Herausforderung. Wir haben aber inzwischen Aufzeichnungstechnologien, die uns ermöglichen, auch schwierige Bauteile zu erkennen und auch qualitativ zu beurteilen. Man muss die richtigen Beleuchtungstechnologien oder Aufzeichnungstechnologien verwenden, dann funktioniert das auch.

Welche Hürden oder technische Grenzen sehen Sie?

Krinke: Wir hatten ein Projekt, in dem ein Roboter folien- oder papierumwickelte Produkte auspacken und einpacken musste, das war schwierig zu lösen. Ein Problem sind auch sogenannte biegeschlaffe Teile, das heißt z.B. Kabel im Automobilbereich verlegen oder Schläuche einfädeln. Auch der ‚Griff in die Kiste‘ kann schwierig sein: Wenn sich in einem Eimer Schüttgut befindet und der Roboter hat die Aufgabe einzelne Teile rauszunehmen und separat hinzulegen, gelingt das oft, aber nicht immer. Ich würde behaupten, für beliebige Produkte kann dass noch niemand auf der Welt. Das ist sicher eine der größten Herausforderungen, an der wir und alle anderen Kollegen arbeiten – und wenn der Roboter das kann, dann ist das definitiv ein Umbruch!

Wie steht es um die Lebensdauer eines Roboters?

Krinke: Wir berufen uns hier ganz klar auf die Angaben der Getriebe- und Motor-Hersteller: Wenn ein workerbot 24/7 durcharbeitet, kann man nach fünf Jahren damit rechnen, dass Getriebe oder Motor verschlissen sind. Die Erfahrung, die wir bis heute gemacht haben, zeigt uns, dass die Roboter nach fünf Jahren natürlich nicht verschlissen sind und weiterarbeiten. Wir können aber erstmal nur das garantieren, was uns unsere Zulieferer garantieren.

Wie bewerten Sie den Robotikmarkt?

Krinke: Wir als pi4 haben absolut positive Prognosen. Wir wachsen in diesem Jahr im Robotik-Segement um 20 Prozent. Aber damit sind wir nicht alleine, wie auch die neuen Zahlen vom VDMA bestätigen: Bildverarbeitung made in Germany ist weltweit um 9 Prozent gewachsen.

Sie lassen auch in Deutschland produzieren?

Krinke: Genau, in Berlin Wedding – wir sind also hundert Prozent ‚made in Germany‘. Seitdem Kuka einem chinesischen Besitzer gehört, sind wir meiner Recherche zufolge auch das einzige Unternehmen, das zu hundert Prozent in deutscher Hand ist.

pi4_robotics GmbH

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