Covid-19 Auswirkungen auf die Bildverarbeitungsindustrie

Covid-19 Auswirkungen auf die Bildverarbeitungsindustrie

Im April und Juni 2020 führte die EMVA eine Umfrage zu den Auswirkungen der Covid-19-Krise auf die Bildverarbeitungsindustrie durch. Ein standardisierter Fragebogen wurde per E-Mail an die EMVA-Mitgliedsunternehmen sowie an verschiedene Branchenteilnehmer versandt. Die Ergebnisse wurden durch Telefoninterviews mit Führungskräften ergänzt.

Bild: EMVA


Zum Zeitpunkt der Beantwortung der Fragen hatte die Covid-19-Pandemie noch nicht alle Teile der Welt gleichermaßen erreicht. Die Bildverarbeitungsbranche sorgte sich allerdings bereits um die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Auf die Frage, welche gesamtwirtschaftliche Entwicklung die Corona-Situation nehmen wird, erwarteten fast 44% der Teilnehmer eine U-Kurve mit einem starken wirtschaftlichen Rückgang, einer anhaltenden Rezessionsphase und einer erst am Ende einsetzenden starken Erholung. 24% glaubten an eine W-Rezession mit einem doppelten Einbruch, zunächst begünstigt durch Aufholinvestitionen nach dem Lockdown, jedoch gefolgt von einer wirtschaftlichen Verlangsamung aufgrund fehlender Auftragseingänge während der Lockdown-Periode sowie der Sorge um eine zweite Infektionswelle. 17% erwarteten einen starken Rückgang ohne Anzeichen einer schnellen Erholung (L-Kurve) und lediglich 15% glaubten an eine schnelle Erholung nach der Rezession (V-Kurve). Auch der EMVA Quarterly Machine Vision Sales Report, kommt zu dieser Einschätzung. Dessen vierteljährliche Abfrage ergab, dass die Bildverarbeitungsindustrie bereits vor Covid-19 im 4. Quartal 2019 und im 1. Quartal 2020 schrumpfte. Im 2. Halbjahr 2020 rechnen die befragten Unternehmen mit deutlich stärkeren wirtschaftlichen Auswirkungen der globalen Pandemie. Die Teilnehmer der jüngsten Corona-Umfrage teilten diese Meinung. Allerdings wurde aus Sicht der Komponentenhersteller und Distributoren auch festgestellt, dass direkt nach dem Höhepunkt der Pandemie im April viele Kunden aus Furcht vor Lager- bzw. Lieferengpässen deutlich mehr als die benötige Menge bestellten.

 

Bild: EMVA

Umsatzentwicklung 2020

Die Mehrheit der teilnehmenden Unternehmen geht jedoch davon aus, dass das Vorkrisen-Niveau nicht vor Ende des Jahres 2020 oder sogar erst ein Jahr nach dem bisherigen Höhepunkt der Krise im Frühjahr 2021 erreicht wird. Auf die Frage nach ihren persönlichen Geschäftserwartungen gaben 56% der Unternehmen an, dass Covid-19 zu einem Umsatzrückgang geführt hat. Die Mehrheit der Unternehmen zeigten sich für die zweite Hälfte des Jahres 2020 zurückhaltend und erwarteten für diesen Zeitraum einen Nachfragerückgang. Skeptisch sind auch diejenigen, die generell starke Verkäufe in den asiatisch-pazifischen Raum verzeichnen, da viele in dieser Region produzierte Konsumgüter aufgrund der anhaltenden Kaufzurückhaltung möglicherweise keine Käufer auf den westlichen Märkten finden. Im Durchschnitt erwarten die Umfrageteilnehmer, dass die Bildverarbeitungsindustrie dieses Jahr um 17% schrumpfen wird. Obwohl Länder wie Italien, Spanien, Großbritannien und Frankreich von Covid-19 viel härter betroffen waren als andere europäische Nachbarn, ergab die Befragung keine einheitlichen Aussagen, dass der Rückgang der Bildverarbeitungsumsätze direkt mit der Intensität der Betroffenheit eines bestimmten Landes korreliert. Eine mögliche Erklärung dafür ist der Umzug ins Home Office vieler Mitarbeiter, wodurch ein Teil der Geschäftstätigkeit erhalten geblieben ist. Eine andere Frage war, wie lange das jeweilige Unternehmen eine Lockdown-Zeit überleben könnte. Hier gaben über 80% der Unternehmen an, die Situation sechs Monate oder länger bewältigen zu können, ehe letztendlich die Insolvenz drohen würde.

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Anwenderindustrien: Gewinner und Verlierer

Die Automobilindustrie wird von den Umfrageteilnehmern als am stärksten betroffene Anwenderindustrie identifiziert. Jedoch gehört zu einer näheren Betrachtung auch die Tatsache, dass die Stilllegung von Automobilproduktionslinien etwa den Systemintegratoren Möglichkeiten bot, Arbeiten an Anlagen zeitlich vorzuziehen, bei denen im normalen Betrieb nur kleine Slots für den Stillstand der Linie zur Verfügung stehen. Dadurch erhielten die Integratoren während der ersten Stillstandsperiode ungeplante Aufträge. Ebenfalls stark betroffene Branchen sind der Maschinenbau und die Bereiche Sport und Unterhaltung. Darüber hinaus wurden Teile der Glasindustrie durch geschlossene Restaurants und Bars und einer dadurch bedingten geringeren Nachfrage nach Glasflaschen beeinträchtigt. Kundenbranchen, von denen die Umfrageteilnehmer erwarten, dass sie von der Corona-Pandemie keine Auswirkungen spüren oder sogar profitieren werden sind Medizinprodukte, Gesundheitswesen und Biowissenschaften, gefolgt von der Pharma- und Kosmetikindustrie sowie der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Gerade im letzten Sektor gaben mehrere Teilnehmer an, dass der Umsatz aufgrund der höheren Nachfrage nach automatisierter Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion gestiegen ist. Auch für die Logistikbranche werden höhere Umsätze erwartet.

Chancen für die Bildverarbeitung

Vor dem aktuellen Hintergrund werden die größten Chancen in der Beschleunigung der Produktionsflexibilität durch Robotik sowie Fabrikautomation gesehen, wobei die industrielle Bildverarbeitung als „Auge der Industrie 4.0“ eine Schlüsselrolle bei der Digitalisierung von Fabriken spielt. Um von diesen Chancen zu profitieren, muss sich die Bildverarbeitungsindustrie als Enabler einer höheren Rentabilität deutlich präsentieren. 68% der Befragten glauben, dass die Bildverarbeitungsindustrie letztlich von den Auswirkungen von Covid-19 etwa durch beschleunigte Automatisierung und Digitalisierung profitieren kann. Vielfach konnten in der Lockdown-Zeit die Unternehmensressourcen auf F&E-Projekte konzentriert und vermehrt in Innovation investiert werden. Ein weiterer Nebeneffekt der Lockdown-Phase könnte auch die Rückverlagerung von Produktionen sein. Dies gilt z.B. für die Pharmaindustrie in Frankreich und Deutschland, von der zunehmend gefordert wird, Produktionskapazitäten wieder nach Europa zu holen.

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EMVA European Machine Vision Association

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