CT direkt an der Linie

CT direkt an der Linie

Expertenrunde: Wie sieht die Zukunft der Inline-CT aus?

Die Inline-Computertomographie (CT) ist immer stärker im kommen. Fanden vor ein paar Jahren noch CT-Untersuchungen vorwiegend im Messraum statt, gibt es mittlerweile immer mehr Anwender, die CT fertigungsnah oder sogar inline einsetzen. Welche Vorteile sich daraus ergeben, wollte inVISION von Fred Schütter (Bereichsleiter CT, Wenzel Group), Dr. Thomas Wenzel (Senior CT-Technology Expert, Yxlon International) und Dr. Ralf Christoph (Geschäftsführer, Werth Messtechnik) erfahren.

Wo liegen die Unterschiede zwischen einer klassischen CT im Messraum und einer Inline-CT?

Thomas Wenzel (Yxlon): Die Unterschiede von Inline-CT und CT im Messraum lassen sich in vier Punkten beschreiben. Zunächst das Anwendungsspektrum: Eine Inline-CT ist ein spezialisiertes CT-System, das für ein enges Anwendungsspektrum optimiert ist. Währenddessen wird das CT-System im Messraum mit einem breiten Umfang an Prüfobjekten und Aufgabenstellungen konfrontiert. Das schlägt sich auch in der Ausstattung nieder, z. B. durch den Einsatz von zwei Röhren oder einer Vielzahl von Achsen. Zweitens die Geschwindigkeit: Inline-CT ist für den Einsatz in der Linie konzipiert. Daher muss der Durchsatz hoch und die Prüfzeit gering sein. Im Messraum steht oft mehr Zeit zur Verfügung, auch weil die Ansprüche an die Qualität des Ergebnisdatensatzes höher sind. Die Qualität des 3D-Datensatzes (Pkt. 4): Bei der Inline-CT ist aufgrund der meist gering bemessenen Zeit ein Anspruch nach einer hinreichenden Qualität gegeben, um die Aufgabenstellung zu erfüllen. Im Messraum strebt man häufig nach der bestmöglichen Qualität, die oft noch mehr Details aufzeigt, als es die primäre Aufgabenstellung verlangt. Und schließlich die Automatisierung, die bei Inline-CT-Systemen in hohem Grade notwendig ist. Das beginnt beim Handling des Prüfobjektes (Ein-/Ausförderung sowie Manipulation während des Messvorgangs) und schließt eine vollautomatische Aus- / Bewertung des erzeugten 3D-Datensatzes mit ein.

 (Bild: Wenzel Präzision GmbH)

„Unsere Prognose ist, dass in etwa zehn Jahren mehr Inline- als Messraum-Lösungen eingesetzt werden.“
Fred Schütter, Wenzel Group (Bild: Wenzel Präzision GmbH)

Fred Schütter (Wenzel): Für uns bedeutet Inline-CT die 100%-Prüfung und -Messung von Werkstücken im Takt der Serienfertigung. Im Idealfall 24h am Tag,sieben Tage die Woche. Der Bediener richtet die Scan-Parameter für eine vordefinierte Messaufgabe ein. Danach ist keine Bedienerinteraktion mehr notwendig. Die Bauteile werden durch Roboterarme oder einem Fließband be- und entladen. Interkonnektive High-End-IT-Lösungen erlauben eine schnelle Datenverarbeitung, die der kürzesten Prozesszykluszeit entspricht. Natürlich ist die Integration in die Produktionslinie mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden. Einmal eingerichtet, wird die CT ortsgebunden eingesetzt. Für eine neue Fertigungslinie oder einen anderen Produktionsschritt, ist eine neue CT nötig. Die klassische CT im Messraum ist hingegen beim Scannen und Auswerten von beliebigen Teilen und Materialzusammensetzungen höchstflexibel. Dem Bediener ist es möglich, individuelle Parametrierungen für beliebige Messaufgaben zu erstellen. Die Datenverarbeitung kann die Scanzeit übersteigen und meist liegt keine Interkonnektivität vor, sondern IT-Insellösungen.

Ralf Christoph (Werth): Die Grenzen der eingesetzten Gerätetechnik sind fließend. Bei unseren TomoScope Geräten z.B. kann man mit geeigneten Hardware-Komponenten und Software-Verfahren auch im Messraum sehr schnell messen. Für den Inline-Einsatz kommt dann noch die Einbindung in den Fertigungsprozess, gegebenenfalls eine integrierte Klimatisierung und ein Handling-System hinzu.

 

Wie schnell ist derzeit Inline und wo liegen (noch) die Grenzen?

Schütter: Inline-CT muss in den Takt der Produktionslinie eingebunden sein, das heißt die Bauteile müssen gescannt werden, ohne die Produktion zu unterbrechen. Wir reden hier von einer Zykluszeit von weniger als einer Minute für die vollständige Teileprüfung. In der Praxis bestimmt hierbei die Materialdichte die Zykluszeit des Scans wesentlich. Die Bewältigung der Datenmenge pro Scan ist ebenfalls eine Herausforderung. Die Geschwindigkeit, mit welcher die CT arbeitet wird durch die Aufnahmetechnik bestimmt. Dabei spielen z.B. die Empfindlichkeit des Detektors, die Röhrenleistung, Datenübertragungsgeschwindigkeit und Algorithmen für die Automatisierung eine große Rolle. Ein stationäres CT bietet hier wesentlich mehr, aber nicht automatisiert. Es sollte erwähnt werden, dass die hohen Taktraten der heutigen Produktionsprozesse und der Anspruch einer 100%-Prüfung durch die QS sich nicht kurzfristig in Einklang bringen lassen. Insbesondere sehr kurze Fertigungszykluszeiten stellen alle Messtechniklösungen vor die große Herausforderung damit ´Schritt zu halten‘ und bei Qualitätsproblemen schnell korrigierend einzugreifen.

Wenzel: Die Prüfzeit hängt im Wesentlichen von der Aufgabenstellung ab. Einfache Prüfaufgaben wie die Lagekontrolle eines innenliegenden Bauteils können mit Datensätzen bewältigt werden, die in weniger als 10sec erzeugt werden. Komplexe Messaufgaben mit hohen Anforderungen an die Messgenauigkeit befinden sich eher im Minutenbereich. Die Herausforderungen liegen in der Erzeugung eines Datensatzes, der in seiner Qualität die Anforderung hinsichtlich einer stabilen und reproduzierbaren Auswertung erfüllen kann. Artefakte, die während des Rekonstruktionsprozesses entstehen, bilden dabei die größten Hürden.

 (Bild: Werth)

„In der Kunststoffbranche wird die Röntgentomografie schon bald Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sein.“
Dr. Ralf Christoph, Werth Messtechnik (Bild: Werth)

Christoph: Fertigungsintegrierte Messungen erfordern meist eine kurze Messzeit. Hierfür ist der Einsatz unserer On-The-Fly-Technik zur schnellen Bildaufnahme während der kontinuierlichen Drehung des Werkstücks von zentraler Bedeutung. Diese ermöglicht die Messung von Werkstücken der üblichen Toleranzklassen in wenigen 10s. Mehrere kleinere Werkstücke kann man gleichzeitig erfassen, die Messpunktewolken werden dann durch die Software automatisch separiert. Damit wird die Messzeit pro Werkstück auf wenige Sekunden verringert. Die hierbei erreichbaren Messunsicherheiten sind durchaus mit denen unter Normalbedingungen vergleichbar. Höchste Anforderungen mit Messabweichungen im Submikrometerbereich können jedoch bei so hoher Messgeschwindigkeit derzeit noch nicht erfüllt werden.

Was ist nötig, damit eine Inline-CT noch schneller bzw. genauer wird?

Christoph: Um kurze Messzeiten und hohe Präzision gleichzeitig zu erreichen, benötigt man Röntgenquellen mit hoher Leistung bei kleinem Brennfleck und somit guter Auflösung sowie entsprechend schnelle Röntgendetektoren. Speziell für solche Anwendungen haben wir die neue Röntgenröhren-Technologie für unsere Gerätereihe TomoScope XS entwickelt. Wichtig ist auch, dass die Messsoftware ausreichend schnell Ergebnisse liefert. Ein Beispiel ist die für unsere Geräte typische Rekonstruktion des Volumens in Echtzeit während der Bildaufnahme.

 (Bild: Yxlon)

„In vier bis sechs Jahren wird die Majorität der ausgelieferten Inline-Röntgeninspektionssysteme Inline-CTs sein.“
Dr. Thomas Wenzel, Yxlon International
 (Bild: Yxlon International GmbH)

Wenzel: Die Geschwindigkeit wird im Wesentlichen durch die Bildkette bestimmt. Der immerwährende Wunsch nach schnelleren Detektoren (Bildwiederholrate >100Hz), die gleichzeitig noch effizienter (bessere ‚detective quantum efficiency‘) sind, ist allgegenwärtig. Auf der Seite der Röntgenquellen will man bei mehr Leistung pro Zeiteinheit auch den Brennfleck minimieren. Beides würde helfen, schneller und besser zu werden. Ein anderer Ansatzpunkt, um Messzeit zu sparen, liegt auf der Seite der Rekonstruktionsalgorithmen. Verfahren, die mit einer geringeren Anzahl an Projektionen eine hinreichende Qualität der Volumen erzeugen, werden die Zykluszeiten signifikant verringern können.

Schütter: Höhere Scangeschwindigkeiten, auch für Teile mit größerer Materialdichte, werden durch empfindlichere Detektoren bzw. leuchtkräftigere Röntgenröhren ermöglicht. Eine höhere Abbildungstreue wird durch höher auflösende Detektoren bzw. durch kleinere Brennfleckgrößen erzielt. In der Kombination – eine technologische Herausforderung. Zusätzlich gilt, je höher die Datenübertragungsgeschwindigkeit und -verarbeitung, desto besser. Jede neue Generation von Prozessoren und Grafikprozessoren bringt die CT weiter. Deutliche Zeiteinsparungen sind durch vollautomatische Palettenmessungen möglich, die von der Datenübertragung und -verarbeitung profitieren.

Wie lange schätzen Sie, bis die Inline-CT ´überall´ im Einsatz ist?

Wenzel: Das ist eine Frage des Mehrwerts, den die Anwender in dieser Technologie sehen. Bleibt dieser Mehrwert beschränkt auf die Beantwortung der Frage, ob ein Bauteil die Anforderungen, die an es gestellt werden, erfüllt oder nicht, dann wird es ein sehr langsamer Ausbreitungsprozess werden. Die reine Inspektion zum Nachweis von Ungänzen oder zur Überprüfung der Maßhaltigkeit wird nicht genug ´Sinn stiften´, um schnell zu einem flächendeckenden Einsatz der Inline-CT zu führen. Anders jedoch, wenn man den Wert der erzeugten Informationen über den Prozess einbezieht. Dann wird die Inline-CT zum elementaren Bestandteil der Prozessoptimierung, die helfen kann, Ausschuss zu minimieren. Wird dieser Wert erkannt und entsprechende Lösungen angeboten, bin ich überzeugt, dass in vier bis sechs Jahren die Majorität der ausgelieferten Inline-Röntgeninspektionssysteme Inline-CTs sein werden.

Christoph: Die Verbreitung der Inline-CT in der Industrie hängt zunächst stark von der Branche ab. Röntgen-CT ist für leicht zu durchstrahlende Materialien wie Kunststoff einfacher mit ausreichender Qualität und hoher Messgeschwindigkeit zu realisieren. Hier gibt es schon heute viele Anwendungen. In dieser Branche wird die Röntgentomografie schon bald Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sein.

Schütter: Im Bereich der industriellen Produktion von Werkstücken und Baugruppen spielt die QS mittels CT eine immer wichtigere Rolle. Ausschuss oder gar fehlerhafte Teile, die in den Verkauf gelangen, verursachen enorme Kosten und schaden dem Image des Herstellers. Mit Inline-CT ist es schon jetzt möglich, z.B. Teile aus Kunststoff oder Leichtmetall im Minutentakt zerstörungsfrei hinsichtlich der Einhaltung bestimmter Merkmale automatisch zu überprüfen und zu kategorisieren. Inline-CT wird andere Messtechnologien ersetzen, wenn Einsparungen bei den Prozesszykluszeiten die Investition rechtfertigen. Eine zunehmende Anzahl an CT-Systemen wird zu niedrigeren Produktionspreisen und in naher Zukunft zu noch attraktiveren Systemen führen. Unsere Prognose ist, dass in etwa zehn Jahren mehr Inline- als Messraum-Lösungen eingesetzt werden.

WENZEL Präzision GmbH

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