Objektiv(e) Kommunikation

Objektiv(e) Kommunikation

Neuer EMVA-Standard ‚Open Lens Communication‘

Standardisierung ist gewöhnlich ein mühseliger und langwieriger Prozess. Manchmal geht es aber auch dort sehr schnell, wenn neue Ideen zünden. So geschehen auf dem 2. European Machine Vision Forum des EMVA im September letzten Jahres. So löste dort ein Poster mit dem Titel ‚On the urgent need of an open camera to lens communication standard for vision systems‘ lebhafte Diskussionen aus.

Um zukünftig eine standardisierte Kommunikation zwischen Objektiv und Kamera zu ermöglichen, entwickelt die EMVA derzeit den 'Open Lens Communication'-Standard. (Bild: Edmund Optics GmbH)

Um zukünftig eine standardisierte Kommunikation zwischen Objektiv und Kamera zu ermöglichen, entwickelt die EMVA derzeit den ‘Open Lens Communication’-Standard. (Bild: Edmund Optics GmbH)

Um was geht es? Um nicht weniger, als ein langjähriges Versäumnis der industriellen Bildverarbeitung aufzuholen, das durch die immer höhere in Kameras eingebaute Rechenleistung (Stichwort Embedded Vision) akut geworden ist. Konsumerprodukte, wie z.B. Systemkameras und mobile Endgeräte, zeigen, was bereits alles möglich ist. In diesem Bereich sind wir es gewohnt, dass die Kamera die Bilder automatisch scharf, sowie Blende und Verschlusszeit automatisch für eine optimale Bildaufnahme einstellt. Zudem korrigiert die Kamera selbstständig Fehler wie geometrische Verzerrung, laterale chromatische Aberration und Helligkeitsabfall zum Bildrand. Funktionen, die auch für Kamerasysteme mit ausreichender Verarbeitungskapazität bei industriellen Visionanwendungen interessant sind und mit denen man die Grenzen konventioneller Bildaufnahmesysteme verschiebt. Dazu zählen, um nur drei Beispiele zu nennen, Bildaufnahmen mit erweiterter Tiefenschärfe, Aufnahmen von Fokusserien mit Tiefenkarten sowie Aufnahmen mit einer Auflösung, die über dem klassischen Limit liegt (Super-Resolution). Bis jetzt müssen industrielle Bildverarbeitungssysteme auf all das verzichten, weil es keine standardisierte Kommunikation zwischen Objektiv und Kamera gibt. Standardisiert sind bisher nur mechanische Anschlüsse wie C-Mount. Selbst wenn Objektivanschlüsse aus dem Konsumerbereich benutzt werden (M39, M42, Nikon F oder Micro Four Thirds), bleibt dies in der Regel auf die mechanische Verbindung beschränkt. Alles andere sind proprietäre Insellösungen. Im Sicherheitsbereich gibt es zwar Objektive mit einem zusätzlichen Kabel zwischen Kamera und Optik, aber auch dort gibt es keinen allgemein akzeptierten offenen Standard und Steckverbindungen.

Open Lens Communication

Der EMVA-Vorstand hat daher bei seinen Sitzungen zu Beginn des Jahres beschlossen, einen offenen Standard zur Kommunikation zwischen Kameras und Objektiven ins Leben zu rufen. Der Antrag, diesen Standard als global gültigen G3-Standard aufzunehmen, wurde im Frühjahr unter dem vorläufigen Namen ´Open Lens Communication´-Standard eingereicht. Die Initiative wurde auf dem G3-Treffen am Rande der Vision Messe in Boston wohlwollend aufgenommen und ist derzeit zur Abstimmung bei allen fünf G3-Mitgliedsorganisatoren (AIA, CMVU, EMVA, JIIA und VDMA). Eine weitere Vorstellung und Diskussion der Standardisierungsinitiative erfolgte im Mai auf dem International Machine Vision Standard Meeting in Frankfurt. Aufgrund des lebhaften Interesses wurde beschlossen, möglichst bald ein erstes Treffen einzuberufen. Dieses fand am 9. Juli an der Universität Heidelberg unter der vorläufigen Leitung des EMVA-Standardisierungsmanagers Arnaud Darmont und dem EMVA-Direktoriumsmitglied Bernd Jähne statt. Auf der ersten Sitzung wurden auch die Vorsitzenden gewählt. Vom EMVA-Direktorium bestätigt sind als Chair Marcel Naggatz (Baumer Optronics) und als Co-Chair Erik Widding (Birger Engineering). Die bisherigen Mitglieder der Standardisierungsgruppe umfassen bereits namhafte Vertreter aus allen relevanten Bereichen: Kameras, Optik, Systemintegratoren, Distributoren, Forschungsinstitute und Hochschulen. Jetzt tritt der Standard in die erste entscheidende Phase. Auf der Sitzung im Juli wurden erste Arbeitspakete verteilt. Es geht vor allem um die Frage, was der Standard umfassen soll, damit die wichtigsten Anwendungsmöglichkeiten eingeschlossen sind. Sollen auch Beleuchtungskomponenten mit integriert werden und wenn ja, wie? Wie soll das allgemeine Protokoll der Kommunikation aussehen und am einfachsten in das GenICam-Interface integriert werden? Wie viele Leitungen soll die elektrische Kommunikationsschnittstelle umfassen? Welche Spannungsversorgung wird benötigt? Erst wenn diese Fragen geklärt sind, soll darüber nachgedacht werden, ob es notwendig ist, einen neuen mechanischen Objektivanschluss zu entwickeln, und wenn ja, in welchem Marktsegment. Neue Objektivanschlüsse werden allerdings nur in enger Zusammenarbeit mit der schon lange bestehenden Objektiv-Standardisierungsgruppe der JIIA in Angriff genommen.

Fazit

Von der ersten Idee bis zur ersten Sitzung der Standardisierungsgruppe sind keine zehn Monate vergangen. Das zeigt die große Aktualität dieses Standards. Alle interessierten Hersteller und Anwender sind dazu aufgerufen, an dem neuen Standard mitzuwirken, damit die daraus resultierenden Systementwicklungen zum Nutzen der gesamten Industrie und deren Kunden möglichst breit aufgestellt werden können und keine wesentlichen Entwicklungsmöglichkeiten übersehen werden.

GenICam Version 2018.06 veröffentlicht

Die GenICam-Standardisierungsgruppe hat das GenICam Package Version 2018.06 veröffentlicht. Es beinhaltet die GenICam Referenzimplementierung v3.1.0, das neue GenICam SFNC Release v2.4 sowie das aktualisierte GenICam License Document v1.6. Von nun an sind sämtliche Daten in einem Downloadpaket zusammengeführt, das anhand seines jeweiligen Releasejahres und -monats indexiert ist. Highlights in der GenICam SFNC 2.4 sind das neue Feature Set zur Beleuchtungskontrolle neue Features zur Konfiguration des Precision Time Protocol (PTP) sowie neue FocalLength-Features zur 3D-Rekonstruktion von Disparitätsbildern. Darüber hinaus beinhaltet die GenICam Referenzimplementierung 3.1 eine schnellere Mathparser-Implementierung und Transaction Support sowie die Berücksichtigung der Sequencer-Einstellungen bei der Feature Persistence. Das Firmware Update Modul (FWUpdate) standardisiert den Update-Prozess und ermöglicht die Firmware einer passenden Kamera zu aktualisieren, ohne dass dazu proprietäre Treiber nötig sind.

www.emva.org/standards-technology/genicam

HCI Heidelberg Collaboratory for Image Processing

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