Rare Traces

High-End Objektive für die Partikelanalyse in der Forensik
Bis zu 500.000 Partikel können sich auf einer transparenten Tatort-Klebefolie befinden. Diese sollen dann auf relevante Spuren (Rare Traces) abgescannt werden. Ein Scannsystem von Aura Optik, zwei Linos-Objektive von Excelitas und eine KI helfen bei der automatisierten Spurensicherung.
Bild 1 | Um Partikel auf einer Tatort-Klebefolie automatisch zu klassifizieren, hat Aura Optik mit Hilfe zweier Excelitas Objektiven und einer KI das Spurensicherungssystem Argos entwickelt.
Bild 1 | Um Partikel auf einer Tatort-Klebefolie automatisch zu klassifizieren, hat Aura Optik mit Hilfe zweier Excelitas Objektiven und einer KI das Spurensicherungssystem Argos entwickelt. – Bild: Excelitas

Eine Kernaufgabe der Forensik ist es, an einem Tatort möglichst sämtliches Spurenmaterial sicherzustellen. Typischerweise erfolgt diese Spurensicherung mithilfe von transparenten Klebefolien bis zu DIN A4 Größe, mit denen die Fläche eines Tatorts abgezogen wird. Alle Partikel wie etwa Haare, Fasern oder Hautschuppen bleiben an diesen Klebefolien hängen. Allerdings befinden sich auf einem einzigen DIN A4 großen Klebebogen häufig 300.000 bis 500.000 Partikel. Die Aufgabe der Forensiker besteht nun darin, in diesen hunderttausenden Spuren diejenigen zu finden, die für einen Tathergang als relevant betrachtet werden können. Solche entscheidenden Spuren werden Rare Traces bezeichnet.

Die Auswertung des Spurenmaterials erfolgt üblicherweise durch Experten, die jede einzelne Klebefolie manuell und hochkonzentriert am Mikroskop durchmustern. Dies ist eine äußerst aufwendige und ermüdende Arbeit. Hinzu kommt, dass die Person sich meist auf ein Suchkriterium beschränken muss, weil die Suche ansonsten zu komplex wird. Es kann also vorkommen, dass der Experte nach einer ungewöhnlichen Textilfaser sucht und dabei eine für den Tathergang relevante Hautschuppe übersieht. Ein weiterer Nachteil ist die Tatsache, dass Spurenträger bislang nicht digital erfasst werden und jede weitere Suche wieder von vorn begonnen werden muss.

Hochauflösendes Scannen der Folien

Mit dem Ziel, automatisiert die morphologischen und spektralen Eigenschaften von Spurenmaterial zu erfassen, auszuwerten und damit die Rare Traces zu identifizieren, haben Forensiker aus ganz Europa gemeinsam mit der EU einen Pre-Commercial Procurement (PCP) Prozess angestoßen. Ein Ansatz war es, mithilfe einer hochauflösenden Optik in einem Scanner die Spurenträger abzuscannen. Dabei müsste der Scanner so genau sein, dass er bereits eine Vorselektion der Spuren ermöglicht. Anschließend könnte mit einer zweiten Optik und weiteren Charakterisierungsaufgaben wie etwa anderen Spektraleigenschaften erneut gescannt werden. Danach müssten die gescannten vorselektierten Bereiche Punkt für Punkt untersucht werden. Rechnet man mit mehreren hunderttausend Spuren auf einem einzigen Träger und einer Scanzeit von einer Sekunde pro vorhandene Spur, so würde mit dieser Methode die Auswertung eines einzigen Trägers bereits Tage dauern. Die Firma Aura Optik hat einen anderen Ansatz gewählt. Simulationsläufe im Vorfeld der Geräteentwicklung haben gezeigt, dass eine hohe Prozessgeschwindigkeit nur unter Verwendung der größtmöglichen Sensorfläche erzielbar ist. Aus diesem Grund wurde der 151MP Sensor IMX411 von Sony ausgewählt.

Das Hochleistungsobjektiv d.fine HR 2.4/128 3.33x setzt Vergrößerungen mit extrem hoher Auflösung auf den großen Flächensensor mit 151MP optimal um.
Bild 2 | Das Hochleistungsobjektiv d.fine HR 2.4/128 3.33x setzt Vergrößerungen mit extrem hoher Auflösung auf den großen Flächensensor mit 151MP optimal um. – Bild: Excelitas

Hochleistungsobjektive gefordert

Voraussetzung für die sowohl optische als auch spektrale Erfassung der Spuren ist zudem eine ausreichend gute Optik, die in dem von der Forensik geforderten Wellenlängenbereich zwischen 320nm und 720nm hinreichend gute Bilder liefert. Umgesetzt wurde dies mit Hilfe von zwei optischen Aufnahme-Durchläufen mit unterschiedlichem Abbildungsmaßstäben. Dazu wurden zwei Objektive von Excelitas aus dem Bereich der Linos Machine Vision Lenses ausgewählt und in das argos genannte System eingebaut: Zum einen ein Objektiv der inspec.x L Serie für die spektralen Abbildungen, das mit einem Bildkreis von 82mm für große Flächensensoren sowie langen Zeilen optimal zum Scannen großer Flächen geeignet ist. Für den Detailscan, also die morphologischen Aufnahmen bei weißer und anschließender Fluoreszenzbeleuchtung wurde das Hochleistungsobjektiv d.fine HR 2.4/128 3.33x gewählt. Das Objektiv setzt Vergrößerungen von 3.33-fach mit extrem hoher Auflösung auf den großen Flächensensor mit 151MP optimal um. Ermöglicht wird dies durch die hohe Öffnung, die die Beugungsgrenze nach oben schiebt und für einen großen Lichtstrom sorgt. Bei solch einer hohen Lichtstärke wachsen auch die Ansprüche an das Optikdesign, die Fertigungstoleranzen und die Montagetechniken. Daher kommt hier die Technik der Schmelzrechnung zum Einsatz, bei dem das Optikdesign auf jeden einzeln vermessenen Glasbarren angepasst wird. Jedes einzelne Objektiv wird individuell justiert, um die optische Performance zu optimieren.

KI übernimmt Klassifizierung

Bei den beiden Aufnahme-Durchläufen entstehen einerseits RGB-Bilder, andererseits zwei Bildstapel bei monochromer Beleuchtung – einmal mit und einmal ohne Polarisationsfilter. Für die erforderliche Beleuchtung stellt eine Laser Driven Light Source (LDLS) Licht mit extrem hoher Intensität und Peak-frei im beschriebenen Wellenlängenbereich bereit. Die Wellenlängenselektion übernimmt ein Monochromator. Über einen motorisierten Objektivwechsler, der die unterschiedlichen Messaufgaben berücksichtigt, wird ein vollautomatischer Betrieb sichergestellt. Die generierte Datenmenge wird bereits während der laufenden Messung einer KI übergeben, welche die Objekterkennung und anschließende Klassifizierung der Spuren vornimmt.

Das Resultat ist eine komplette Digitalisierung aller spektralen Eigenschaften, die auf einem forensischen Spurenträger vorzufinden sind. Rare Traces werden automatisch identifiziert, menschliche Faktoren dadurch nahezu ausgeschlossen und die Zeitersparnis im 24/7-Betrieb bewegt sich um Faktor fünf gegenüber der manuellen Auswertung der Spurenträger. Hinzu kommt beim Zeitfaktor, dass die KI-gestützte automatische Spurenerkennung und -klassifizierung verschiedene Suchkriterien nicht wie beim Menschen mühsam einzeln abarbeiten und dabei jedes Mal von vorne beginnen muss. Erstmals ermöglicht diese Vorgehensweise zudem die Ablage der Daten in einer Datenbank mit späterer Zugriffsmöglichkeit. So kann mittels Archivierung jederzeit die Suche nach möglichen weiteren Rare Traces auf dem Spurenträger wieder aufgenommen werden.

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