Kamerasystem liefert räumliche Thermobilder mit 1kHz

3D-Thermografie

Kamerasystem liefert räumliche Thermobilder mit 1kHz

Das Fraunhofer IOF hat sein High-Speed-3D-Kamerasystem mit einer LWIR-Thermografiekamera erweitert. Deren Daten werden den mithilfe der s/w-Kameras rekonstruierten 3D-Punkten zugeordnet, wodurch räumliche Thermobilder mit 1kHz möglich sind.

Bild 1 | 3D-Thermografieaufnahmen der Entfaltung eines Airbags. Das 3D-Thermografiesystem nutzt dafür zwei High-Speed-s/w-Kameras sowie eine sehr schnelle Wärmebildkamera. Beleuchtet wird die Szene mit dem proprietären GOBO-System (Bild: Fraunhofer-Institut IOF)

Bild 1 | 3D-Thermografieaufnahmen der Entfaltung eines Airbags. Das 3D-Thermografiesystem nutzt dafür zwei High-Speed-s/w-Kameras sowie eine sehr schnelle Wärmebildkamera. Beleuchtet wird die Szene mit dem proprietären GOBO-System (Bild: Fraunhofer-Institut IOF)

Am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF werden seit etwa fünf Jahren Kamerasysteme für High-Speed-3D-Aufnahmen entwickelt. Der Klassiker ist dabei ein System, in dem zwei Fastcam SA-X2 Kameras von Photron bis zu 12.500fps mit einem Megapixel aufnehmen. Bei geringerer Auflösung sind sogar noch höhere Bildraten möglich. Das Know-how bei diesen Systemen steckt vor allem in der aktiven Beleuchtung, die eine eindeutige Zuordnung von 3D-Koordinaten zu den Bildpunkten ermöglicht. Dafür projizieren die Jenaer Forscher eine schnelle Abfolge von Streifenmustern auf das Objekt, die herkömmlichen Sinusmustern ähneln, deren Streifenbreite jedoch aperiodisch variiert. Die Idee für die technische Umsetzung der Hochgeschwindigkeits-Projektion solcher Muster wurde von der Bühnentechnik inspiriert: Dort lässt man eine hitzebeständige Maske aus Glas oder Metall vor einem Scheinwerfer rotieren, um die Bühne mit veränderlichen Bildern und Effekten zu beleuchten. Das GOBO-Prinzip (GOes Before Optics) wurde für eine robuste Beleuchtung bei den 3D-Kamerasystemen angewandt. Eine mit Chrom-Streifen bedampfte Glasmaske rotiert in der Beleuchtungseinheit und liefert das lichtstarke Streifenmuster. Das Prinzip wurde für High-Speed-3D-Aufnahmen optimiert und z.B. bei Crashtests in der Automobilindustrie eingesetzt. Auch Airbag-Entfaltungen ließen sich mit dem Verfahren dreidimensional vermessen. Um zu untersuchen, ob bei der explosionsartigen Expansion hohe Temperaturen entstehen, die zur Gefährdung der Pkw-Insassen führen können, wurde der 3D-Sensor zu einem 3D-Thermografie-Sensor weiterentwickelt.

Zur Erzeugung von 3D-Wärmebildern wurde dem etablierten Aufbau eine schnelle LWIR-Thermografiekamera hinzugefügt. Die X6900sc SLS von Flir hat einen Strained-Layer-Superlattice-Detektor. Dieser ermöglicht Bildraten von bis zu 1kHz bei einer Auflösung von 640×512 Punkten. Im für die Untersuchungen interessanten Temperaturbereich zwischen -20 und 100°C beträgt die Genauigkeit 1°C. Die Kamera arbeitet im Spektralbereich 7,5 bis 12µm und ist gegenüber der Strahlung aus der GOBO-Beleuchtung unempfindlich. Bei der Messung werden von allen drei Kameras simultan Bilder aufgenommen, wobei die Bildrate der Monochromkameras ein Vielfaches der LWIR-Framerate beträgt. Anschließend wird aus zehn Aufnahmen der s/w-Kameras ein 3D-Bild errechnet. Über die rekonstruierten 3D-Daten wird die Thermografieaufnahme gelegt und mit einem bilinearen Interpolationsverfahren werden den Raumkoordinaten Temperaturwerte zugeordnet. Für die geometrische Kalibrierung des Systems wird ein spezielles Board benutzt, das sowohl im sichtbaren als auch im LWIR-Bereich detektierbar ist. Bild 1 zeigt die Temperaturentwicklung bei der Entfaltung eines Airbags. Mit dem System wurde etwa eine halbe Sekunde des Vorgangs aus einer Entfernung von 3m aufgenommen. Die laterale räumliche Auflösung entsprach dabei 2mm (0,2Mpx) bei einem Bildfeld von 1m². Während die 3D-Bildrate 5kHz betrug, nahm die LWIR-Kamera 1.000fps auf. Am Ende der Messzeit hatte sich der Airbag lokal auf bis zu 60°C erwärmt. Aus den reinen 3D-Daten lassen sich aber auch räumlich aufgelöst Geschwindigkeiten berechnen. Bild 2 zeigt, wie sich der Airbag in den ersten 20ms entfaltet und dabei Geschwindigkeiten von mehr als 50m/s auftreten. Insgesamt liefert die Kombination aus schneller Thermografie und Hochgeschwindigkeits-3D-Messung deutlich mehr Informationen als die herkömmliche 2D-Thermografie. Dementsprechend vielfältig sind die Anwendungsmöglichkeiten der neuen Kameratechnik. Der Sensor eignet sich beispielsweise für die Untersuchung von mechanischen Verformungen, Fahrzeugcrashtests oder Explosionen von Schaltschränken.

Literatur: M. Landmann et al.

„High-speed 3D thermography“

Opt. Lasers Eng. 2019, 121, 448-455.

Themen:

| Fachartikel

Ausgabe:

inVISION 6 2019
Fraunhofer-Institut IOF

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