Prozessmonitoring per Thermografie beim Biegeschmieden
Mithilfe von Biegeschmieden lassen sich Bauteile mit komplexen Geometrien aus Stahl und Aluminium fertigen. Das Institut für Bildsame Formgebung (IBF) der RWTH Aachen hat ein Assistenzsystem entwickelt, das eine hohe Prozessstabilität ermöglicht. Die Temperaturmessung mittels Wärmekamera auf der Oberfläche der Metalle während des Schmiedevorgangs spielt dabei eine wichtige Rolle.
Das Freiformschmieden umfasst eine Reihe von verschiedenen Umformverfahren. Denen ist gemein, dass die finale Form des bis auf deutlich über 1.000°C erhitzten Metallwerkstückes nicht aus der Form des Werkzeuges resultiert. Ein oftmals geometrisch einfaches Werkzeug wird in der Regel relativ zum Werkstück bewegt und formt das Werkstück durch wiederholte Druckeinwirkung lokal um. Das Ganze passiert schrittweise. Unternehmen nutzen das Freiformschmieden für die Produktion von Halbzeugen aus gegossenen Rohlingen. Es bietet den Vorteil, Materialeigenschaften und -formen gezielt zu beeinflussen. Dank des Prozesses lassen sich aber auch Lunker und Poren schließen, die nach dem Guss entstanden sind. Vieles, was bisher in diesem Zusammenhang in den Fertigungshallen geschah, beruhte zu großen Teilen auf Erfahrungen. Angesichts der Abwesenheit gesicherter Daten und Parameter schwankten die Ergebnisse mit Blick auf die Qualität der Produkte bisweilen stark. Zudem sollen natürlich auch Energie, Zeit und damit Kosten gespart sowie Ressourcen optimal ausgenutzt werden. Im Speziellen bedeutet dies das möglichst effiziente Nutzen der vorhandenen Wärme, das Erstellen optimierter Stichpläne und das Senken der Aufheizdauer.
Assistenzsystem misst parallel zum Prozess
Das vom IBF entwickelte Assistenzsystem sorgt für die notwendige Zuverlässigkeit beim Freiformschmieden. Es beruht auf der Idee, Geometrie und Temperatur des Bauteils parallel zum Prozess zu messen. Zu diesem Zweck lassen sich verschiedene Messgeräte, die Schmiedepresse und der Manipulator (das Werkzeug zur Bearbeitung des Bauteils) synchron aufeinander abstimmen. Die Ist-Eigenschaften sollen anhand von Live-Berechnungen mit den geforderten Eigenschaften in Sekundenschnelle verglichen werden. Für einen einfachen Reckschmiedeprozess genügt beispielsweise eine Rechenzeit von rund einer Sekunde. Weicht das Ergebnis von den Zielparametern ab, muss die Robotersteuerung für Presse und Manipulator angepasst werden. Dies wiederholt sich so oft, bis die Soll-Werte erreicht sind. Im Rahmen dieses komplexen Prozesses kommt der Temperatur eine entscheidende Rolle zu. Ist sie zu niedrig, bilden sich durch die einwirkenden massiven Kräfte Risse im Bauteil. Zu hohe Temperaturen hingegen fördern ein Kornwachstum des jeweiligen Materials. Gewollt ist jedoch eine Mikrostruktur mit geringen Korngrößen. Das Schmiedefenster, der Bereich der idealen Prozesstemperaturen, hängt stark vom Werkstoff ab. „Anspruchsvolle Werkstoffe wie Nickelbasislegierungen haben ein Schmiedefenster von etwa 50K“, sagt Fridtjof Rudolph vom IBF. „Der Großteil der Schmiedeprodukte wird allerdings aus Vergütungsstählen hergestellt, die ein Schmiedefenster von etwa 300K haben.“