IR-Kamera überwacht Stressbelastung von Hubschrauberpiloten

Stresstest per IR

IR-Kamera überwacht Stressbelastung von Hubschrauberpiloten

Ein Hubschrauberhersteller nutzt Wärmebildkameras, um die Piloten bei Flugsimulationen zu überwachen und dadurch genau zu erkennen, welche Vorgänge bei ihnen Stress verursachen.

Die Wärmekamera A6750sc überwacht die Gesichtstemperaturmodulation der Hubschrauber-Crew, während diese typische Pilotenaufgaben ausführt. Die Kamera erfasst selbst kleinste Temperaturunterschiede, die in Verbindung mit menschlichen Emotionen wie Stress auftreten. (Bild: Flir Systems GmbH)

Die Wärmebildkamera A6750sc überwacht die Gesichtstemperaturmodulation der Hubschrauber-Crew, während diese typische Pilotenaufgaben ausführt. Die Kamera erfasst selbst kleinste Temperaturunterschiede, die in Verbindung mit menschlichen Emotionen wie Stress auftreten. (Bild: Flir Systems GmbH)

Einen Hubschrauber zu fliegen ist eine äußerst anspruchsvolle und anstrengende Tätigkeit. Die Piloten stehen permanent unter einer hohen Arbeitsbelastung und dadurch ständig unter Druck. Der italienische Hubschrauberhersteller Leonardo suchte daher nach einer objektiven Methode, um die Stressbelastung von Piloten zu messen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen möchte die Firma funktionalere Cockpits entwickeln und die Hubschrauberpiloten effizienter ausbilden. Das Unternehmen nutzt dabei Wärmebildkameras, um die Piloten bei Flugsimulationen zu überwachen und dadurch genau zu erkennen, welche Vorgänge und Abläufe bei ihnen Stress verursachen. „Im Cockpit eines modernen Hubschraubers zu arbeiten ist eine echte Herausforderung, da ständig unzählige Informationen von innerhalb und außerhalb des Cockpits verarbeitet werden müssen“, so Dario de Liguoro, Chief Instructor Flight Training Standard bei Leonardo. „Diese Informationsflut führt bei den Piloten zu einer hohen Stressbelastung. Deshalb ist es für Schulungszwecke wichtig, dass wir genau wissen, was diesen Stress verursacht und wie wir unsere Piloten besser in den Flugsimulatoren ausbilden können, damit sie mit dieser Stressbelastung zurechtkommen.“

Stressanalysesystem

Um die Stress- und Arbeitsbelastung der Crew-Mitglieder in Echtzeit zu überwachen, arbeitet Leonardo bei der Entwicklung des zum Patent angemeldeten Infrarot-Stressüberwachungssystems ISMS (Infrared Stress Monitoring System) mit Next2U, einem wissenschaftlichen Start-up von der Universität Chieti-Pescara, und der Italian Army Aviation (AVES) zusammen. Das ISMS ist ein nicht-invasives Stressanalysesystem. Es besteht aus einer Wärmebildkamera im Cockpit, die auf den Piloten gerichtet ist, und einer eigenen Workstation mit Software, welche die im Gesicht des Piloten erfassten Wärmebilddaten extrahiert und analysiert. Die Kamera überwacht die Gesichtstemperaturmodulation der Crew, während diese typische Pilotenaufgaben ausführt. Das System ist insbesondere für Einsatzaufgaben wichtig, bei denen die Piloten in Echtzeit unzählige Daten und Befehle verarbeiten müssen, die ihnen auf Multifunktionsdisplays, an ihrem Helm befestigten Displays und Multifunktionstastaturen angezeigt und übermittelt werden. Das neue System hilft Leonardo dabei, die Stressbelastung der Piloten bei ihren Einsätzen nachzuvollziehen – entweder in Simulatoren oder bei echten Einsätzen.

Stress erzeugt Wärme

Stress aktiviert das autonome Nervensystem, und dieses beeinflusst wiederum die Hauttemperatur. Deshalb eignet sich Wärmebildgebung ideal zum Überwachen von Gefühlszuständen – vorausgesetzt, dass die richtigen Stressanalyse-Algorithmen angewendet werden. „Kalter Schweiß und Hitzegefühl sind beides Stressindikatoren“, sagt Prof. Dr. Arcangelo Merla, Gründer und wissenschaftlicher Leiter von Next2U. „Alle diese Gefühle sind mit der neurovegetativen Aktivität verbunden. Wir erfassen diese Prozesse auf äußerst effiziente Weise mit Wärmebildtechnik, indem wir die Temperatur bestimmter Gesichtsregionen gezielt überwachen.“ Marco Gazzaniga, Principal Systems Engineer bei Leonardo, ergänzt: „Das ISMS liefert uns Echtzeitdaten zur Stressbelastung der Piloten, d.h. jetzt können wir die Stressdaten bei jedem Manöver erfassen und dadurch sofort erkennen, wo wir unsere MMS verbessern müssen.“ Da Wärmebildkameras berührungsfrei funktionieren, müssen wir den Piloten keinem zusätzlichen Stress durch das Tragen von Kontakt- oder Klebesensoren aussetzen. Außerdem behindern die Kameras nicht die normalen Aktivitäten des Piloten.

Gekühlte Wärmebildkamera

„Die richtige Kamera für das ISMS zu finden erwies sich als eine ziemliche Herausforderung, da diese äußerst stabil, zuverlässig, schnell und erkennungsempfindlich sein musste“, sagt Prof. Dr. Merla. „Dadurch wurden wir auf die gekühlte A6750sc aufmerksam. Diese Kamera bietet uns einen hervorragenden Kompromiss zwischen Leistung, Maßen und Gewicht. Das spielt bei Flugsimulatoranwendungen mit ihren äußerst anspruchsvollen technischen Vorgaben eine wichtige Rolle.“ Die Wärmebildkamera kann Bewegungen einfrieren und präzise Temperaturmessungen an sich bewegenden Zielobjekten ausführen. Außerdem eignet sich die Kamera perfekt, um selbst kleinste Temperaturunterschiede zu erfassen, die in Verbindung mit menschlichen Emotionen auftreten. Die hohe Auflösung der Kamera (640×512 Pixel) liefert eine gute Definition der morphologischen Gesichtsmerkmale des Piloten. Das ist für die Leistung der Tracking-Algorithmen entscheidend.

Kognitive und emotionale Daten

Next2U hat mit dem Einsatz von Wärmebildkameras Pionierarbeit geleistet. Heute ist das ISMS das fortschrittlichste Tool, das mit IR-Wärmebildtechnik basierend auf rechnergestützter Psychophysiologie entwickelt wurde. Prof. Dr. Merla sagt: „Das ISMS verwendet zum Überwachen der kognitiven Hirnaktivität auch die funktionelle Nah-Infrarotspektroskopie (fNIRS), während die Wärmebildgebung zum Einschätzen der emotionalen Wirkung genutzt wird. Dadurch kann das ISMS sowohl kognitive als auch emotionale Vorgänge in Echtzeit bei Flugeinsätzen oder -simulationen überwachen. Die Technologie ist jetzt ausgereift genug, um auch tägliche Mensch-Maschine-Interaktionen bei automobil- oder robotertechnischen Anwendungen zu überwachen.“

FLIR Systems GmbH

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