Expertenrunde ‘Inline-CT: Mythos oder Realität?’ – Teil 2/2

Ist die CT ein ausgereiztes Verfahren oder gibt es auch neue Einsatzgebiete?

Siefke: Wir sind noch lange nicht am Ende. Ein völlig neues Feld ist z.B. die Additive Fertigung. Dort sind wir zwar noch am Anfang was die Produktion angeht, aber beim Prüfen sind wir schon sehr dicht dran.

Christoph: Ich kenne das bereits aus der Bildverarbeitung. Nach 20 Jahren denkt man, es fällt einem nichts Neues mehr ein, aber dem ist nicht so. So haben wir z.B. heute bei der Prüfung von Einspritzdüsen Maße, die auf vier Mikrometer toleriert sind. Da „Messmittelfähigkeit“ nach den üblichen Automobilnormen gefordert ist, müssen wir Messunsicherheiten unter einem halben Mikrometer realisieren. Wenn ich das vor zehn Jahren jemandem erzählt hätte, als wir CT für Koordinatenmesstechnik eingeführt haben, hätte dies wohl keiner für möglich gehalten.

Kretzer: Es gibt bereits erste Entwicklungen in Richtung der In-Process-CT. Also nicht nur ein Bauteil zu prüfen, wenn es bereits fertig ist, sondern sich den Aufbauprozess des Bauteils direkt im Prozess anzuschauen. Eine weitere Anwendung wäre es, mittels CT zu verfolgen, wie ein Fahrzeug gegen eine Wand fährt und sich die Bauteile dabei verformen. Das ist allerdings noch Zukunftsmusik.

Nikolajko: Die Konstrukteure wollen bei uns mittlerweile ihr Produkt lieber mit einem CT-Gerät gemessen haben. Ich kann mich noch an die Anfänge der CT bei uns erinnern. Zuerst war man sehr skeptisch und hat gesagt, miss das Teil nicht mit CT, sondern konventionell. Heute sagen alle, miss mein Bauteil lieber mit CT und nicht konventionell, da das CT-Gerät genauer ist. Ich kann deutlich mehr sehen und bin durchschaubarer, im wahrsten Sinne des Wortes. Unsere Konstrukteure schauen sich auch den Datensatz sehr genau an, wie und wo wir was gemessen haben. Das ist nicht nur bei uns im Labor so, sondern mittlerweile auch bei den Ingenieuren außerhalb des Labors. Auch die wollen sicher sein, das ihr Bauteil OK ist und zum CAD passt.

Gondrom-Linke: Ich mache seit 22 Jahren CT und es kommt jeden Tag etwas Neues. Ich habe nicht die geringste Befürchtung, dass ich mich bis zur Rente an einem einzigen Tag langweilen werde.

Wie lange schätzen Sie dauert es, bis die Inline-CT flächendeckend im Einsatz ist?

Gondrom-Linke: BMW geht davon aus, dass sie in zehn Jahren bei den Neuanschaffungen mindestens die Hälfte heutiger 2D-Anlagen durch 3D-Systeme ersetzt haben werden. Das sagt eigentlich alles.

„BMW geht davon aus, dass sie in zehn Jahren bei den Neuanschaffungen mindestens die Hälfte heutiger 2D-Anlagen in 3D haben werden.“ Dr. Sven Gondrom-Linke, Volume Graphics (Bild: TeDo Verlag GmbH)

Nikolajko: Ich hoffe, dass wir in fünf Jahren an jedem Standort ein CT-Gerät haben und inline prüfen.

Kretzer: Es wird auch in Zukunft Anwendungen geben, bei denen es mehr Sinn macht, eine Radioskopie-Stufe in 2D zu machen und nicht eine Messung mit Inline-CT. Flächendeckend wird sich die Inline-CT aber die nächsten zehn Jahre deutlich verbreiten.

Christoph: Ich würde das Ganze nicht nur aus der Sicht der Röntgensensorik betrachten. Im Verhältnis zu den verfügbaren Technologien für das dimensionelle Messen ist CT bloß eine Nische, wenn auch mit zunehmender Bedeutung. Für einige Anwendungen, wie z. B. die additive Fertigung, ist die CT sehr gut geeignet. Das sind zwei Verfahren, die wie füreinander gemacht sind. Allerdings dauert es Jahrzehnte, bis sich eine solche neue Technologie in der Breite durchsetzt. Das hängt letztlich auch von den Kosten ab.

Siefke: Wenn es bei der gut/schlecht Entscheidung bleibt, dann wird Inline-CT noch einen langen Weg haben. Wenn aber die Kunden bereit sind, darüber hinaus zu schauen und die statistischen Daten eines CT-Gerätes auch nutzen, für die Produktionsoptimierung einzusetzen, dann wird die Inline-CT in den nächsten vier bis sechs Jahren die Mehrheit der Inline-Röntgen-Systeme stellen.

Teilnehmer
Patrick Nikolajko,
Global CT & Metrology Manager,
Aptiv (ehemals Delphi)

Christian Kretzer,
Gruppenleiter Applikationen,
Fraunhofer IIS

Dr. Sven Gondrom-Linke,
Teamleader Technical Consulting, Volume Graphics

Dr. Ralf Christoph,
Geschäftsführer,
Werth Messtechnik

Lars Siefke,
Senior Sales Manager,
Yxlon International

Seiten: 1 2 3Auf einer Seite lesen

Fraunhofer Entwicklingszentrum EZRT

Das könnte Sie auch Interessieren