Genauer schätzen


Multiplikatormethoden

Die Grundidee der Multiplikatormethoden ist die Ermittlung des gesuchten Unternehmenswertes anhand eines Kennzahlenvergleichs mit anderen Unternehmen. Der Unternehmenswert des Bewertungsobjektes ergibt sich also aus: UW=Wertindikator*Multiple. Die gebräuchlichsten Wertindikatoren in der Praxis sind der Umsatz und das EBIT oder EBITDA. Für das EBIT/DA (Earnings Before Interests and Taxes/Depreciations and Amortisations) spricht, dass sich der Wert des Unternehmens letztendlich bemisst an seiner Fähigkeit Erträge zu generieren. Der Umsatzmultiplikator hingegen findet in der Praxis häufige Anwendung, weil auch Unternehmen mit negativen Ergebnissen, z.B. junge Unternehmen oder Unternehmen in Restrukturierung, bewertet werden können bei denen ein EBIT-Faktor versagen würde. Je nach Herkunft der Vergleichsdaten kann man zwischen Trading Multiples und den Transaction Multiples unterscheiden. Zur Berechnung des Marktwertes eines Unternehmens müssen Multiples von aus Investorensicht vergleichbaren Gesellschaften verwendet werden. Ein Unternehmen ist dann vergleichbar, wenn es in der gleichen Branche tätig ist, dieselben geographischen und Kunden-Märkte bearbeitet, über eine ähnliche Marktposition verfügt, in Breite und Tiefe analoge Sortimente anbietet, ungefähr gleich groß ist, über ein ähnliches Entwicklungspotenzial verfügt und ähnliche Finanzkennzahlen aufweist. Im Regelfall erfüllt keine Gesellschaft sämtliche der hier aufgeführten Kriterien. In der Praxis werden deswegen Anpassungen in Form von Zu- oder Abschlägen vom Multiple vorgenommen, sowie statt der Werte einzelner Unternehmen branchenspezifische Bandbreiten verwendet. Trotz signifikanter Schwächen genießen die marktorientierten Vergleichsverfahren in der Bewertungspraxis eine hohe Akzeptanz, da sie im Vergleich zu den Kapitalwertmethoden einfach anwendbar und sehr transparent sind. Für die Ermittlung des Unternehmenswertes basierend auf Trading Multiples börsennotierter Vision-Unternehmen werden die EBITDA- und Umsatz-Multiples dieser Unternehmen zum aktuellen Stichtag analysiert. Dazu wird der Wert dieser Unternehmen ins Verhältnis gesetzt zu seinen Umsätzen sowie zum EBITDA. Wichtig ist, dass Geschäftsfeld (Systemhaus, Produktanbieter, Kundenbranche, …) und Größe der betrachteten Unternehmen hinlänglich genau zum Bewertungsobjekt passen. Aktuell können die Vergleichszahlen von etwa 25 Unternehmen mit einem Unternehmenswert zwischen 40Mio. und 10Mrd. Euro zur Bewertung herangezogen werden. Für die Ermittlung des Unternehmenswertes auf der Basis von Kennzahlen geeigneter Branchen werden typisch die Trading Multiples basierend auf Markteinschätzungen von Experten verwendet, die von unterschiedlichen Institutionen regelmäßig veröffentlicht werden. Relevant für viele Vision-Unternehmen sind hier die Small-Cap Multiples für Unternehmen mit einem Umsatz von unter 50Mio. Euro der Branchen Elektronik/Elektrotechnik (enthält die Daten von Unternehmen u.a. aus dem Bereich Automation inkl. Messtechnik) und Maschinenbau/Anlagenbau (enthält die Daten von Unternehmen u.a. aus dem Bereich Robotik und Automation). Für die Ermittlung des Unternehmenswertes aus vergleichbaren Transaktionen werden in der Regel die erzielten Umsatz-Multiples aus ausgewählten Verkäufen von Vision-Unternehmen der letzten 12 bis 24 Monate analysiert. Hier können aktuell etwa 20 Vergleichswerte für die Bewertung herangezogen werden. Auch in diesem Fall ist es natürlich wichtig, dass Geschäftsfeld und Größe der Unternehmen in den betrachteten Transaktionen hinlänglich genau zum Bewertungsobjekt passen.

Beispielbewertung

In einer beispielhaften Bewertung betrachten wir einen Systemanbieter mit Sitz in Deutschland, der sich auf die Oberflächeninspektion von Bahnware in ausgewählten Kundenbranchen spezialisiert hat. In seinem (Nischen-)Markt ist das Unternehmen ein relevanter Anbieter mit einer klar begrenzten Produktpalette, die es weltweit liefert. Die Produkte sind gut etabliert, aber das Unternehmen hat aufgrund seiner Größe nur eine geringe Preissetzungsmacht. Das Unternehmen hat die Rechtsform einer GmbH, hat 20 Mitarbeiter und verfügt über keinen Grundbesitz. Es ist schuldenfrei und erwirtschaftet bei 3Mio. Euro Umsatz pro Jahr 300.000 Euro ausschüttbaren Gewinn bei üblichem Unternehmenssteuersatz und geringer Anlagenintensität. Für die nächsten fünf Jahre prognostiziert das Unternehmen eine kontinuierliche Gewinnsteigerung auf 700.000 Euro. Mit diesen Daten, den oben beschriebenen Verfahren und auf der Basis der zum Mai 2015 aktuellen Bewertungskennzahlen, ergibt sich Bild 3. Die genaue Einordnung des Unternehmens innerhalb der aufgezeigten Bandbreite hängt von einer Reihe von unternehmensspezifischen Kriterien ab, die ein erfahrener Gutachter mit Branchenkenntnis und Transaktionserfahrung in seiner individuellen Bewertung berücksichtigt. Die systematische Vorgehensweise bei der Ermittlung von Unternehmenswerten und die teilweise komplexe mathematische Ermittlung vermitteln den Eindruck von Genauigkeit und Verlässlichkeit. Dies ist jedoch nur ein Anschein. Tatsächlich ist die Aussagefähigkeit eines so ermittelten Unternehmenswertes durch viele Faktoren begrenzt:

  • • Die künftige Entwicklung des Unternehmens, der zu erwartenden Erträge aber auch des wirtschaftlichen Umfelds und der Entwicklungen der Finanzmärkte bleiben immer eine ungewisse Annahme.
  • • Das Ergebnis der Kapitalwertmethoden leidet unter dem bei KMUs typischen begrenzten Planungshorizont von nur drei bis fünf Jahren.
  • • Die Beurteilung des künftigen Managements, besonders im Fall der Nachfolge einer dominierenden Unternehmerpersönlichkeit, und dessen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens ist schwierig.
  • • Bei allen Methoden werden Vergleichswerte von meist deutlich größeren und meist börsennotierten Gesellschaften verwendet, die sich nur sehr ungenügend auf das zu bewertende kleinere privat gehaltene Unternehmen übertragen lassen.
  • • Künftige Synergie-Effekten werden bei der Bewertung außer Ansatz gelassen, spielen aber für die Grenzpreisfestlegung auf Käuferseite eine Rolle.

Trotz dieser Einschränkungen ist die initiale Unternehmensbewertung für den Transaktionsmanager auf der Verkaufsseite im Transaktionsprozess unabdingbar um die Kaufpreisangebote einordnen und die eigenen Kaufpreiserwartungen gegenüber dem Käufer fundiert argumentieren zu können. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass der letztendlich relevante Indikator für den aktuellen Unternehmenswert aus dem Markt selbst kommt, aus den Kaufpreisangeboten von geeigneten Käufern und Investoren. Schlussendlich bleibt noch zu berücksichtigen, dass es zwischen dem Unternehmenswert auf den sich Käufer und Verkäufer einigen und dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis noch eine Reihe von Adjustierungsfaktoren gibt, die sich nach der Verschuldung des Unternehmens, dem Working Capital zum Zeitpunkt der Übergabe, der in der Due Diligence gewonnenen Risikoeinschätzung und den individuell ausgehandelten Zahlungsmodalitäten richten. n Der Beitrag erscheint in einer gekürzten Fassung. Der vollständige Text kann kostenfrei bei marketing@vision-ventures.eu bezogen werden.

Seiten: 1 2Auf einer Seite lesen

Vision Ventures GmbH & Co. KG

Das könnte Sie auch Interessieren