Sicher im Blick

Wie Opel in Wien-Aspern seine Motoren und Getriebe mit Hilfe des ersten kamera-basierten Sicherheits

Sicher im Blick

systems ‚SafetyEye‘ von Pilz effizient und sicher für den Übersee-Versand verpacktDen Verpackungsbereich

Mehr als 500.000 Motoren und an die 750.000 Getriebe pro Jahr fertigt Opel aktuell in Wien-Aspern. Rund 70% davon gehen per LKW und Bahn an die europäischen Fahrzeug-Produktionsstätten, die restlichen 30% gelangen per Schiff zu den weltweiten Standorten des GM-Konzerns. Für die Übersee-Transporte werden die Aggregate in spezielle Kartons verpackt, damit sie innerhalb des Schiffscontainers vor Salzwasser und mechanischen Erschütterungen bestens geschützt sind. Am Ende des dafür notwendigen Verpackungsprozesses schnürt seit einigen Monaten eine neue Umreifungsanlage die Transportkisten voll automatisiert zu. Das Besondere dabei: Die normgerechte Absicherung dieses Arbeitsbereiches realisierten die Sicherheitsverantwortlichen von Opel nicht klassisch mit Schutzzäunen, -türen oder Lichtvorhängen, sondern mit dem weltweit ersten kamerabasierten Sicherheitssystem namens »SafetyEYE« aus dem Hause Pilz. Das »sichere Auge« überwacht von oben dreidimensional den Raum und steht daher im wahrsten Sinn des Wortes nicht im Weg. Das platzsparende und wartungsfreie System gibt bereits bei Annäherung an die definierte Schutzzone sowohl ein akustisches als auch ein optisches Warnsignal. Bleiben diese unbeachtet und dringt eine Person in den eigentlichen Sicherheitsbereich weiter vor, wird der Umreifungsprozess sicherheitsgerichtet gestoppt.
Seit 1982 fertigt General Motors (GM) am Standort Wien Getriebe und Motoren. Insgesamt 21 Mio. Fünf- und Sechsganggetriebe sowie knapp 12 Mio. Dreizylinder- und Vierzylinder-Benzinmotoren (1,0, 1,2 und 1,4l Hubraum) verließen in zahlreichen Varianten bis Ende 2012 das weltweit größte Motoren- und Getriebewerk innerhalb des GM-Konzerns. Beliefert werden Produktionsstätten rund um den Globus – die Aggregate treiben Fahrzeuge der GM-Marken Opel/Vauxhall, Saab, Buick, Holden und Chevrolet an. 80% aller in Europa neu zugelassenen Opel-Modelle sind mit einem Produkt aus Wien-Aspern ausgestattet – 43% mit einem Motor und 53% mit einem Getriebe. Der neue Stadtflitzer ‚Adam‘ von Opel wird sogar exklusiv mit den Antriebseinheiten ‚made in Austria‘ ausgestattet. Pro Minute produziert Opel Wien zwei Motoren und vier Getriebe – rund 2.000 Mitarbeiter sind am heimischen Standort beschäftigt.

Die Übersee-Verpackung

Knapp ein Drittel der in Wien produzierten Getriebe und Motoren erhält für den Versand in die GM-Fahrzeug-Produktionsstätten außerhalb Europas einen speziellen Transportschutz. In dieser so genannten Übersee-Verpackung – eine holzverstärkte Kartonage – werden jeweils mehrere Aggregate stoß-, rutsch- und vor allem wasserfest zusammengepackt, sodass ihnen die ‚Reisestrapazen‘ im Schiffs-Container nichts anhaben können. „Früher erledigte diese aufwändige Verpackung ein externer Partner für uns“, erzählt Peter Czetina, Safety Engineer bei Opel Wien, im Gespräch mit ‚Austromatisierung‘. „Heute machen wir das selbst – wir beladen die Container direkt hier im Werk. Dadurch konnten wir nicht nur die Flexibilität und letztendlich die Produktivität, sondern vor allem die Qualität der Verpackung steigern – die entsprechende Qualitätskontrolle erfolgt nun im Haus.“ An Spitzentagen sind es bis zu zehn Container, für deren ordnungsgemäße Beladung Verpackungsleiter Josef Reifböck und sein Team zuständig sind. Da muss es schon mal schnell gehen – und diesbezüglich war in der Vergangenheit die so genannte Bänderung der bis zu 2,25×1,42×0,84m³ großen Transportkisten ein verhältnismäßig zeit- sowie arbeitsintensiver Verpackungsschritt, der per Hand erfolgte. Die Idee, diesen Prozess zu automatisieren, lag nahe. „Wir entschieden uns, eine vollautomatisierte Umreifungsmaschine anzuschaffen“, berichtet Peter Czetina weiter. „Selbstverständlich haben wir eine Risikoanalyse durchgeführt und anhand dieser die zu treffenden sicherheitsrelevanten Vorkehrungen definiert.“

Sicherheit bei Opel

Die Unternehmensleitung von Opel legt großen Wert auf Teamarbeit sowie ein optimales Betriebsklima – und in diesem Zusammenhang steht auch das hohe Maß an Sicherheitsbewusstsein. „Die Sicherheit der Mitarbeiter ist oberstes Gebot“, betont Peter Czetina. „Wir haben generell im gesamten Werk einen sehr hohen Sicherheitsstandard.“ Was auch die Statistik beweist: Laut eigenen Angaben gab es bei Opel Wien im Jahr 2010 nur rund 0,1 Unfälle je 200.000 geleistete Arbeitsstunden – ein beachtlicher Wert im Vergleich zum Branchendurchschnitt der österreichischen Metallindustrie, der bei 3,5 Arbeitsunfällen pro 200.000 Arbeitsstunden liegt. Der aber nicht von ungefähr kommt. „Sicherheit braucht die Akzeptanz der Mitarbeiter“, weiß Peter Czetina. „Ein Schutzzaun beispielsweise birgt halt generell die Gefahr in sich, unter Umständen umgangen zu werden.“ Bei der neuen Umreifungsmaschine für die Übersee-Verpackung war klar: Es müssen entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, sodass kein Mitarbeiter während des Umreifungsvorgangs gefährdet ist. Der Sicherheitstechniker suchte daher nach einer effizienten, kostengünstigen und flexiblen Lösung, die wenig Platz einnimmt und den laufenden Betrieb – die Transportkisten werden mittels Stapler der Anlage zu- und wieder abgeführt – so wenig wie möglich beeinträchtigt. „Wir hatten mehrere Absicherungs-Varianten überlegt – von klassischen Schutzzäunen und -türen über eine komplette Einhausung mit Rolltoren bis hin zu Lichtschranken mit Mutingfunktion. Allerdings erschienen uns all diese Varianten nicht ideal – sowohl was den Platzaufwand als auch die Alltagstauglichkeit betrifft“, begründet Peter Czetina die Entscheidung, das neuartige kamerabasierte Sicherheitssystem ‚SafetyEye‘ zu verwenden. „Wir kannten das Konzept bereits – unser Betreuer von Pilz Österreich, David Machanek, hatte uns ‚SafetyEye‘ in der Vergangenheit immer wieder mal »ans Herz gelegt«. Aufgrund der Anforderungen bei diesem Projekt sahen wir die ideale Möglichkeit, das System auszuprobieren – und ich kann es gleich vorwegnehmen: Es funktioniert sehr gut!“, lobt Peter Czetina. „Wir haben die effiziente, platzsparende und wartungsarme Lösung gefunden, die wir suchten.“

Das ‚SafetyEye‘-Konzept

Das Sicherheitssystem ‚SafetyEye‘ setzt sich aus wenigen Komponenten zusammen: der Sensoreinheit, dem Hochleistungsrechner sowie der Sicherheitssteuerung. Die aus drei Kameras bestehende Sensoreinheit ist einige Meter über den zu überwachenden Raum montiert und liefert permanent Bilddaten. Der Hochleistungsrechner dient als Auswerteeinheit. Diese berechnet auf Basis der erfassten Bilddaten und anhand hochkomplexer, sicherer Algorithmen ein räumliches Bild. Somit ist es möglich, Objekte räumlich wahrzunehmen und ihre Position exakt zu bestimmen. Die so gewonnenen Daten werden dann mit den konfigurierten Schutzräumen überlagert. Das System erkennt dadurch, wenn eine Verletzung des Schutzraumes vorliegt. Ist das der Fall, meldet der Hochleistungsrechner augenblicklich der Sicherheitssteuerung ‚PSS‘ eine entsprechende Information, die wiederum mit ihren Ein- und Ausgängen als Schnittstelle zur Maschinensteuerung dient und eine definierte Sicherheitsfunktion – etwa Not-Halt oder sichere Geschwindigkeit – auslöst. Die komplette Installation, Programmierung und Justierung des Systems führte Pilz im Auftrag von Opel Wien durch. Projektbetreuer Ing. David Machanek von Pilz Österreich erklärt: „Bei dieser Applikation haben wir insgesamt acht Schutz- und Warnräume geschaffen, und damit den Zugang von allen Seiten – auch von oben – gesichert. Das Übersteigen eines Schutzraums ist nicht möglich, da ‚SafetyEye‘ von oben die Räume überwacht.“ Die Kameraeinheit kann in bis zu 7,5m Höhe installiert werden – daraus resultiert auch der erfassbare, pyramidenförmige Bereich, dessen Grundfläche bei maximaler Einbauhöhe der Sensoreinheit rund 9x8m² beträgt. Innerhalb dieser Pyramide lassen sich beliebige Schutzräume frei definieren bzw. mit verschiedenen Sicherheitsfunktionen hinterlegen. „Die äußeren vier Räume dienen der Warnung – gerät ein Mitarbeiter in einen dieser Räume, so ertönen ein akustisches und zeitgleich ein optisches Warnsignal. Bleiben diese unbeachtet und dringt er weiter bis in einen der vier eigentlichen Schutzräume vor, so erfolgt sofort der Not-Halt der Maschine“, geht Ing. David Machanek ins Detail des Opel-Projekts. Dass die zu umreifenden Verpackungskisten, die über Transportrollen durch das eigentliche Bandportal geführt werden, vom System erkannt und ohne die Sicherheitsabschaltung auszulösen durchgelassen werden, ermöglicht eine entsprechende Muting-Funktion. Dabei erfassen Lichtschranken die jeweils aktuelle Position der Verpackungskiste – vorerst, denn, so Ing. David Machanek: „Mit ‚SafetyEye‘ kann Muting auch ohne zusätzliche Sensorik realisiert werden. Allerdings wollten wir bei dieser Applikation zunächst auf Nummer Sicher gehen und den verhältnismäßig engen Zeitplan für die Projektumsetzung nicht gefährden. Muting über die optische Bilderfassung erfordert die Berücksichtigung von vielen Einflussfaktoren, wie beispielsweise der Reflexionen an metallischen Oberflächen, und muss daher an die jeweiligen Umgebungsbedingungen spezifisch angepasst werden – das geht am besten im laufenden Betrieb.“

Normkonforme Umsetzung

Lediglich 150lx Beleuchtungsstärke reichen bei Opel Wien für den zuverlässigen Betrieb des Kamerasystems. „Wir kommen nun sogar mit einer Leuchte weniger aus, als wir ursprünglich dachten“, kommentiert Peter Czetina eine der wenigen Voraussetzungen, die ‚SafetyEye‘ benötigt. „Wir sind mit der Lösung sehr zufrieden, und meine Kollegen können im Bereich der Umreifungsanlage nun barrierefrei und trotzdem sicher arbeiten. Für das Wechseln der Bandrolle beispielsweise brauchen sie keine Schutztür öffnen, und im Falle einer Störung können sie schneller den Fehler beheben. Da kein Schutzzaun oder sonstige mechanische Absicherungen notwendig sind, lässt sich der gesamte Arbeitsbereich auch einfach reinigen“, zählt der Sicherheitstechniker weitere Vorteile der seit Anfang September vorigen Jahres verwendeten ‚SafetyEye‘-Lösung auf. „Zudem ist das System wartungsfrei. Die Kamera wird künftig einmal jährlich überprüft – im Zuge dessen werden wir auch die Sensoreinheit reinigen, das kann nicht schaden.“ ‚SafetyEye‘ ist selbstverständlich eigensicher aufgebaut – tritt eine Fehlfunktion auf, schaltet das System sofort in einen sicheren Zustand – im konkreten Fall bedeutet es den Not-Halt der Umreifungsanlage.

Sicherheits-Partner in allen Belangen

Pilz Österreich ist schon seit Langem in vielen sicherheitstechnischen Belangen Partner von Opel Wien – und das nicht nur produktseitig. Die Schulungs- und Seminarangebote des Safety-Spezialisten werden ebenso gerne wahrgenommen wie verschiedene technische Dienstleistungen. Beispielweise übernahm Pilz im vergangenen Jahr die wiederkehrende Überprüfung von sämtlichen 330 berührungslos wirkenden, optoelektronischen Schutzeinrichtungen im Werk. „Diese Überprüfung machen wir einmal im Jahr selbst – unsere Mitarbeiter wurden entsprechend geschult. Um aber sicher zu gehen, dass sich keine Ablauffehler einschleichen, lassen wir jedes vierte Jahr alle Sicherheits-Scanner und -Lichtvorhänge von einem externen Partner überprüfen“, erklärt Peter Czetina. „Auch hier hat sich die Zusammenarbeit mit Pilz sehr gut bewährt. Wir erhalten beispielsweise für jedes Gerät eine komplette Dokumentation sowohl in Papierform als auch digital – diese Daten können wir direkt in unser MES-System einfließen lassen.“ Zurück zur via ‚SafetyEye‘ abgesicherten Umreifungsanlage: Der Erfolg des Projekts und vor allem die daraus resultierenden Vorteile haben sich bereits über das Wiener Werk hinaus herumgesprochen. So wird auch im deutschen Opel-Stammhaus in Rüsselsheim der Einsatz des sicheren Kamerasystems konkret angedacht. Und auch in Wien sind künftig weitere ‚SafetyEye‘-Projekte nicht ausgeschlossen.

Pilz GmbH & Co. KG

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