Was wirklich zählt
Automatische Fahrgastzählung mit 3D-TOF-Kamera
Es gibt nur wenige Anwendungen für industrielle Bildverarbeitung, die kontinuierlich große Stückzahlen gewährleisten. 2D-Code-Lesen ist die wohl verbreitetste Applikation, die Fachfeinpositionierung in Hochregallagern oder Falschbogenerkennung in der Druckweiterverarbeitung sind weitere Beispiele. In der Verkehrstelematik hat sich eine andere Lösung entwickelt, die für jährlich mehrere tausend Kameras in Bussen und Bahnen des öffentlichen Personenverkehrs steht.
Seit über 20 Jahren ist die kontinuierliche Erfassung der Fahrgastzahlen in Bahnen und Bussen eine Forderung der Verkehrsbetriebe. Neben der Optimierung des Flotteneinsatzes (z.B. Fahrzeuggröße, Fahrplan, Takt, …) geht es vor allem um die Messung der Beförderungsleistung zur objektiven Aufteilung von Einnahmen, Fördermitteln oder Kosten. Neben den traditionellen Hauptregionen Westeuropa und Nordamerika wird gegenwärtig die Fahrgastzählung vor allem in Osteuropa und Lateinamerika zunehmend eingesetzt. Dabei gibt es deutliche regionale Unterschiede. Während in Europa für eine Hochrechnung gewöhnlich in etwa einem Drittel der Fahrzeuge Zählsensoren installiert werden, bevorzugt man in Amerika die Vollausstattung der gesamten Flotte. Preissensitive Märkte setzen anfangs eher auf Low-Cost-Lösungen, während in Märkten mit etablierter Telematik eher eine hohe Zählgenauigkeit und Zuverlässigkeit gefordert wird.
Vom Sensorarray zur 3D-Bildverarbeitung
Ersten Ansätzen mit Wägezellen oder Trittmatten in den 80er-Jahren folgten bald Lichtschranken in den Türen. Diese versagten in den frühen 1990er-Jahren bei Einführung der Niederflurbusse mit breiteren Türen, die mehrere Personen gleichzeitig nebeneinander passieren konnten. Diese Situation wurde mit Aktiv- oder Passiv-IR-Sensoranordnungen gelöst, die von oben aus der Türverkleidung die Fahrgäste erfassen. Die iris-GmbH hat mit derartigen Passiv-IR-Arrays – ortsauflösenden intelligenten Bewegungsmeldern – in den frühen ’90er-Jahren die Fahrgastzählung mit etabliert. Die Zählsensoren unter der Serienbezeichnung Irma (InfraRed Motion Analyzer) arbeiten mit verschiedenen Sensortechnologien. Nach Ergänzung durch Lichttaster wurde ab dem Jahr 2000 die Fahrgastzählung durch Entfernungsmessung mittels Lichtlaufzeit begonnen. Mit acht TOF (Time of Flight)-Strahlen pro Tür konnte die Zählgenauigkeit maßgeblich verbessert werden. Die Auswertung des zeitlichen Verlaufs der acht Höhenprofile pro Tür machte die Zählung unabhängig von den Oberflächeneigenschaften in der Szene, vom Fahrgastverhalten und vom Umgebungslicht. Von dort war es nur ein kleiner Schritt zur 3D-TOF-Bildverarbeitung im Zählsensor Irma Matrix.
3D-TOF-Zählsensor
Die Bildverarbeitungslösung wurde auf die Anwendung in der Fahrgastzählung zugeschnitten: Mit 500Pixeln (20×25) beschränkt der kundenspezifische Empfängerchip sich auf das für die Personendetektion in der Fahrzeugtür Notwendige. Neben den 3D-Entfernungsdaten kann auch ein Grauwertbild mit aufgenommen werden, welches z.B. für nachträgliche Video-Referenzzählungen genutzt werden kann. Der Öffnungswinkel erfasst auch breite Türen. Die Einbau-Variante des Gehäuses baut nur 4mm auf und integriert sich in die Türverkleidung. Ein spezieller Anschlussstecker sorgt für einen flachen seitlichen Kabelabgang, sodass inklusive Stecker nur 43mm Bauhöhe entstehen. Damit werden Kollisionen mit dem Türantrieb vermieden. CAN- und Ethernet-Schnittstellen sorgen für die Kommunikation mit dem Bordrechner, der die Einsteiger- und Aussteigerzahlen dann an die Leitstelle übermittelt. Eine Software aus Hardwaresteuerung, Zählkern und Kommunikationsmodul ermöglicht es, auch andere Anwendungen zu erschließen. Die gesamte Ansteuerung und Signalverarbeitung ist im Gerät integriert, so dass man von einem anwendungsspezifischen 3D-Vision-Sensor sprechen kann.
Software mit Erfahrung
Für die Fahrgastzählung muss ein in Form, Größe, Oberfläche und Verhalten sehr variables Objekt (=der Fahrgast) unter allen Bedingungen erkannt werden: In tiefster Dunkelheit wie im hellen Sonnenlicht, in der Mittagshitze in den Emiraten genauso wie in sibirischer Kälte, einzelne kleine Erstklässler genauso wie das dichte Gedränge in der U-Bahn zur Rush Hour. Die Software setzt dazu auf den Erfahrungen der vorausgegangenen Sensorgenerationen auf. Insbesondere werden viele für den Personenverkehr typische Sonderfälle erfasst und berücksichtigt. So werden auch Stehenbleiber und unentschlossene Personen, die nur kurz z.B. für eine Frage an den Fahrer ins Fahrzeug einsteigen, richtig gezählt. An sehr niedrigen und sehr breiten Türen ist eine Verkettung von mehreren Sensoren möglich, deren Bilder in der Gruppe ausgewertet und zu einem gemeinsamen Zählergebnis für den Bordrechner zusammengefasst werden.
Fazit
Durch die Analyse der Abstands- und Forminformation im Irma Matrix lassen sich Personen zuverlässig anhand Gestalt und Bewegung erkennen und zählen. Insbesondere lassen sich so Personen sicher von festen oder bewegten Fahrzeugteilen wie der Schwenktür im Bus unterscheiden, und gerade in den für andere Sensortechnologien schwierigen Gedränge-Situationen spielt die 3D-Bildverarbeitung ihre Stärken voll aus. Die Abstands- und Forminformation schafft auch den Zugang zur Unterscheidung von Erwachsenen und Kindern oder zur Erfassung anderer tarifrelevanter Beförderungsfälle, wie z.B. von Rollstühlen oder Kinderwagen. Mittlerweile wurden mehrere Tausend Systeme in Bussen und Bahnen auf drei Kontinenten installiert. Weiteres Potential für Anwendungen z.B. in der Industrieautomation oder der Gebäudetechnik sind vorhanden.