Autofokus im Fokus

Autofokus im Fokus

Schnelles Fokussieren mit fokusvariablen Linsen

Immer mehr Bildverarbeitungsanwendungen erfordern repetitives Fokussieren. Während mechanische Autofokussysteme bezüglich Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit oftmals an ihre Grenzen stoßen, ermöglichen fokusvariable Linsen den Fokus über große Brennweitenbereiche innerhalb von Millisekunden einzustellen und gewährleisten Milliarden von Zyklen. Dank zunehmender Verfügbarkeit von Elektronik und Software ist die Integration von fokusvariablen Linsen so einfach wie noch nie.
Jedes Kamerasystem hat eine gewisse Tiefenschärfe in der ein Objekt im Fokus erscheint, z.B. hat ein Objektiv mit 25mm Brennweite und einer F-Zahl von 2.8 in Kombination mit einem Sensor mit 2.2µm Pixelgrösse eine Tiefenschärfe von lediglich 20mm bei einem Arbeitsabstand von 1m. Bei hohen Vergrösserungen wird diese Problematik noch offensichtlicher. Bei einer fünffachen Vergrösserung haben die meisten Systeme eine Tiefenschärfe von weniger als 100µm. Die Tiefenschärfe lässt sich zwar durch das Schliessen der Blende erhöhen, wobei sich aber die F-Zahl gegen 16 oder mehr bewegen kann. Jedoch erfordert dies eine zusätzliche Beleuchtung und reduziert die laterale Auflösung. Im Beispiel der 25mm Linse lässt sich die Tiefenschärfe von 20mm somit nur auf etwa 110mm erweitern. Repetitives Fokussieren wird in vielen Anwendungen benötigt. Einsatzgebiete sind z.B. 2D-Codeleser in der Logistik-, Pharma- oder Automobilbranche, wo Codes auf Objekte diverser Grösse gedruckt werden, die Inspektion von optischen Komponenten mit mehreren Oberflächen (z.B. Handykameralinsen) oder das Zählen von Partikeln in einem 3D-Flüssigkeitsvolumen. In allen Fällen gilt: je schneller das Fokussieren, desto höher der Durchsatz.

Weniger Mechanik dank fokusvariabler Linsen

In traditionellen optischen Systemen werden zum Fokussieren eine oder mehrere Linsen entlang der optischen Achse verfahren. Dies erfordert Motoren und mechanische Führungen, welche nicht nur Baugröße und Antwortzeit limitieren, sondern auch Robustheit und Lebenszyklen. Heute liefern fokusvariable Linsen einen neuen Freiheitsgrad: die variable Krümmung der Linse (Bild 1). Eine Änderung des Linsenradius von wenigen Mikrometern kann die gleiche optische Wirkung erzielen wie das Verschieben einer Linse um mehrere Zentimeter. Optische Systeme können somit kompakter, oftmals mit weniger Linsen und ohne translatorische Bewegung aufgebaut werden. Teure mechanische Antriebe werden somit hinfällig. Weniger Bewegung führt auch zu einem robusteren Design, welches weniger kritisch gegenüber Toleranzen ist und das komplett abgedichtet werden kann und vor Schmutz geschützt ist. Des Weiteren sind die eingesetzten Materialien leichter als Glas. Weniger Bewegung und Gewicht bedeutet gleichzeitig, dass die Reaktionszeit von Systemen mit fokusvariablen Linsen im Bereich von wenigen Millisekunden liegt (Bild 2). Eine weitere interessante Eigenschaft ist die Verwendbarkeit verschiedener optischer Materialien. Besonders für polychromatische abbildende Optiken bietet sich eine Flüssigkeit mit geringer Dispersion und einem Brechungsindex von 1,300 sowie einer Abbe-Zahl von 100 an. Bei solchen Linsen treten praktisch keine chromatischen Aberrationen auf. Solche fokusvariablen Linsen können mit handelsüblichen Objektiven zu hochqualitativen Autofokussystemen kombiniert werden (Bild 3), ohne dabei auf zusätzliche Maßnahmen zur Farbkorrektur achten zu müssen.

Lesen von 2D-Codes

Eine der offensichtlichsten Anwendungen für fokusvariable Linsen ist das Lesen von 2D-Codes. Schon heute haben diverse Firmen dafür Flüssiglinsen im Einsatz. Während 1D-Codes mit einem Laser gescannt werden können (große Tiefenschärfe), erfordert das Lesen von 2D-Codes eine Kamera. Fokusvariable Linsen ermöglichen hier eine erhebliche Ausweitung des Arbeitsbereichs, z.B. von unendlich bis 50mm. Im typischen optischen Aufbau wird die fokusvariable Linse direkt vor einem Objektiv mit fester Brennweite montiert (Bild 1). Es gibt diverse Prinzipien zur Ansteuerung: Ist die Distanz zum Objekt dem System bekannt, lässt sich der Arbeitsabstand direkt steuern indem die Linse auf die entsprechende Brennweite eingestellt wird (offener Regelkreis). Die Distanzinformation kann entweder von einem Sensor stammen (z.B. Flugzeitmethode) oder dem System ist durch die Programmierung bekannt, welches Objekt geprüft wird. In diesem Modus sind Einstellzeiten des Fokus von 5 bis 15ms möglich. Ist die Distanz nicht bekannt, kann die Linse auch in einem Oszillationsmodus betrieben werden. Bei tiefen Frequenzen von z.B. 5Hz lassen sich mehrere Bilder mit jeweils unterschiedlichen Arbeitsabständen aufnehmen, bis ein Code erfolgreich gelesen wird. Dieser Ansatz ist zwar nicht besonders schnell, aber einfach zu implementieren und es ist zudem keine Kalibrierung erforderlich. Bei hohen Frequenzen (bis zu einigen 100Hz) lässt sich während der Verschlusszeit der ganze Arbeitsbereich durchstimmen. Es resultiert ein Bild mit erweiterter Tiefenschärfe, allerdings mit vermindertem Kontrast, da sich die einzelnen Bilder mit unterschiedlichem Fokus während der Verschlusszeit additiv überlagern. Codes mit gutem Kontrast lassen sich trotzdem ohne Weiteres erkennen.

Leiterplattenprüfung

Bei Anwenungen, die eine hohe Vergrößerung erfordern, wird die fokusvariable Linse normalerweise zwischen Objektiv und Tubuslinse platziert. Der erreichbare Z-Bereich hängt dabei vom Vergrösserungsfaktor ab. So erreichen z.B. Systeme bei einer fünffachen Vergrösserung einen Z-Bereich von 16mm. Wird die Linse von einer 12Bit Stromquelle betrieben (4.096 Schritte), ist die axiale Auflösung mit 4µm um eine Größenordnung feiner als die Tiefenschärfe. Ein Anwendungsbeispiel für solch ein System ist die Prüfung von Leiterplatten (PCB). Die meisten Prüfmaschinen bewegen eine Kamera entlang den X- und Y-Achsen mit mechanischen Antrieben. Aufgrund von Verzerrungen des PCBs, Ausrichtungsproblemen und Spiel in der Mechanik ist es schwierig über den ganzen Prüfbereich fokussiert zu bleiben. Selbst bei zehnfacher Vergrößerung lässt sich mit einer fokusvariablen Linse dank eines Z-Bereichs von 4mm problemlos nachfokussieren. Wiederum kann zur Bestimmung des Arbeitsabstandes ein Sensor verwendet werden, sofern das PCB über das Gesichtsfeld hinweg flach ist. Andernfalls lassen sich mit Autofokus-Algorithmen rasch einzelne Bildbereiche scharf stellen. Das Konzept des Z-Steppings mit fokusvariablen Linsen findet auch in der biologischen Mikroskopie Anwendung. Dabei wird die Linse ebenfalls direkt oberhalb des Objektivs platziert. Gute Resultate wurden damit bereits in der Weitfeld-, Lichtschnitt-, Konfokal-, Phasenkontrast- und Zwei-Photonen-Fluoreszenzmikroskopie erzielt.

Systemintegration und Kalibrierung

Die fokusvariablen Linsen beinhalten einen elektromagnetischen Aktuator und sind stromgesteuert. Die Brechkraftänderung (in Dioptrien gemessen) verhält sich linear zum eingestellten Strom, ist reproduzierbar und auch frei von Hysterese. Allerdings variiert die Beziehung von Brechkraft zu Strom einerseits von Linse zu Linse aufgrund von Produktionstoleranzen und andererseits mit Temperaturschwankungen. Um trotzdem eine akkurate Steuerung der Brechkraft zu ermöglichen, enthalten die Linsen einen Temperatursensor, auf dem zusätzlich die Kalibrierdaten der jeweiligen Linse gespeichert sind. Mit dem ebenfalls angebotenen Stromtreiber lässt sich somit eine absolute Genauigkeit von typischerweise 0.1 Dioptrien erreichen. Die Kommunikation mit dem Treiber erfolgt über eine USB Verbindung gemäß einem seriellen Protokoll, das in diversen Programmiersprachen implementiert werden kann (Quellcode in C# und Labview verfügbar). n

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