Reduktion der Komplexität


Wie findet heute der Datenaustausch zwischen SPS und Bildverarbeitung statt?

S.Schönegger: Wir haben vor knapp vier Jahren eine Kooperation mit Cognex gestartet, die mittlerweile seit zwei Jahren in vielen Serien-Maschinen im Einsatz ist. Der entscheidende Schritt war es, eine Standard-Schnittstelle – in diesem Fall eine Powerlink-Lösung – in eine intelligente Kamera zu integrieren. Damit haben wir sowohl den Bereich der Bildübertragung als auch die Triggersignale integriert und können synchron zwischen Antrieben und IBV-Systemen die Daten austauschen.

C.Fritz: Industrielle Kommunikation ist eine Möglichkeit, ein Bildverarbeitungs- mit einem Automatisierungssystem anzubinden. Eine integrierte Lösung, d.h. Bildverarbeitung und Automatisierung in einem System unterzubringen, ist eine andere Variante. Dann gibt es auch Kamera-Standards, über die man den Bildverarbeitungssensor an das System anbindet. Wir sehen einen großen Trend in Richtung Ethernet-basierte Lösungen. Entweder mit Hilfe von industriellen Protokollen und Determinismus, der oben drauf gesetzt wird, aber auch Bestrebungen über Standard-Ethernet mit höheren Bandbreiten.

O.Munkelt: Das Schöne ist, dass die Automatisierungswelt bereits Standards hat, wie z.B. OPC UA, das nahezu von allen SPS-Herstellern unterstützt wird. Dies ist eine Schnittstelle, bei der sich auch die Bildverarbeiter relativ einfach mit draufsetzen können.

S.Schönegger: OPC UA ist einer der ganz wenigen Standards, der durchgängig von allen Steuerungsherstellern unterstützt wird. Er hat nur einen gravierenden Nachteil: Es fehlt ein deterministisches Verhalten.

O.Munkelt: Auch die ganze Seite der Aktorik ist typischerweise unterbelichtet in der Bildverarbeitung. Ich glaube trotzdem, dass ein Standard wie OPC UA eine Zukunft hat. Einfach weil die Geschwindigkeiten, die darüber laufen, immer weiter steigen. Wir haben heute Gigabit-Ethernet in der Bildverarbeitung, 10GigE wird kommen usw. Deterministisch braucht es noch ein bisschen Zeit, d.h. aber nichts anderes für den Anwender, als dass er überpüfen muss, was die Anforderungen sind, die der Prozess stellt und ob er diese mit den bereits bestehenden Standards geregelt bekommt.

S.Schönegger: Aus einer Ehe wird nichts, wenn man nicht konstant daran arbeitet. Wenn wir einfach warten und schauen was passiert, sind wir noch sehr weit von einem für die Anwender optimalen Zusammenspiel zwischen SPS- und Bildverarbeitungswelt entfernt. Wir müssen aktiv an diesen Themen arbeiten und Lösungen finden. Der Zeithorizont dafür sollte nicht bei fünf bis zehn Jahren, sondern bei einem oder zwei Jahren liegen.

Wer muss sich hier wem nähern?

C.Fritz: Es sind Bestrebungen im Gange, diese Dinge aktiv auf Seiten der Automatisierer voran zu treiben. Ich sehe dort Interaktionen mit Bildverarbeitern und Organisationen wie OPC und bin optimistisch, dass wir das nicht im Zeitraum von zehn Jahren hinbekommen, sondern von zwei bis fünf Jahren.

K.-H.Noffz: Für uns sind die Themen Determinismus und Echtzeit besonders wichtig, weil wir uns auf FPGA-Bildverarbeitung spezialisiert haben. Dort haben wir eine Verbindung von deterministischem Zeitverhalten und anspruchsvoller Bildverarbeitung.

O.Munkelt: Natürlich ist es so, dass die Bildverarbeitung eine Bringschuld hat. Wir sehen, dass der Bedarf da ist, nur wissen wir nicht genau, wie wir ihn befriedigen sollen. Wie bekommt man das Bild in die SPS, sodass es auch den Anforderungen einer SPS genügt? Wie kann ich die Bildverarbeitung einfacher machen? Wenn Sie einen Produktionsprozess haben, bei dem sie gelegentlich einen Dichtring überprüfen möchten, dann wollen Sie kein Engineering-Projekt mit drei Monaten, sondern das Ganze in drei Stunden erledigt haben.

S.Schönegger: In der Automatisierungstechnik ist in den letzten 20 Jahren sehr viel passiert. Im Umfeld der Programmiersprachen (IEC61131) ist man den Anwendern entgegen gekommen, die einen starken Background in der Elektrotechnik hatten, also der reinen Verdrahtungstechnik. Dinge wie PLCopen haben das Leben der Automatisierungstechnik und die Standardisierung der SPS-Programmierung deutlich einfacher gemacht. Es gibt weitere Bestrebungen, komplexe Maschinen nochmal einen Faktor schneller zu machen. Die Automatisierungstechnik geht auf die Anwender zu und hilft damit auch dabei, dem Thema Fachkräftemangel zu begegnen. Hier ist die Bildverarbeitung gefordert, ähnliche Schritte zu gehen und Lösungswege aufzuzeigen, um es dem Maschinenbau mit wenig Aufwand und sehr knappem Personal zu ermöglichen, selbst die Bildverarbeitung zu integrieren.

C.Fritz: Die große Herausforderung ist, wie integriere ich beide Disziplinen. Wie simuliere ich in der Entwicklung z.B. ein System, das Automatisierungs- und Bildverarbeitungskomponenten hat. Welche Tools kam man hierfür entwickeln und wo können beide Seiten Lösungsansätze bieten? Ein großes Problem ist die Integration auf der Software-Seite beider Welten.

Werden wir zukünftig immer noch mehrere Engineering-Tools haben? Eins für die IBV und eins für die SPS?

K.-H.Noffz: Unsere Kunden arbeiten schon heute mit Kamera-Echtzeitverarbeitung und Framegrabbern. Im Grunde sind wir schon so weit, dass diese einfachen Hardware-Komponenten direkt die Ansteuerung in Echtzeit vornehmen. In naher Zukunft werden Sensoren, die heute einen Barcode lesen, auch komplexe Sortieraufgaben vornehmen und dann eine Düsenansteuerung direkt von der Kamera aus machen.

O.Munkelt: Eine Handykamera hat heute 16 bis 21MP. In der IBV haben Kameras meist weniger, trotzdem müssen die Daten verarbeitet werden. Es gibt eine Menge einfacher Anwendungen, wo z.B. das Objekt da ist und ich möchte zählen, wie viele davon im Bild sind. Wie groß ist der Durchmesser bei einem Dichtungsring, innen und außen? Dies sind ‚einfache‘ Anwendungen in dem Sinne, dass man sie herunterbrechen und einfach parametrisieren kann. Ob das dann später ‚Schraubenfinder‘ in der SPS-Oberfläche oder ‚Dichtungsring-Inspektion‘ heißt, ist eine andere Frage. Bildverarbeiter neigen dazu zu sagen: „Wir machen keine Dichtungsinspektion, sondern eine Kreisring-Inspektion.“, d.h. alles was aussieht, wie ein Kreisring, kann man damit inspizieren. Das ist richtig, aber häufig nicht die Sprache, die in der SPS-Welt gesprochen wird. Dort möchte man es ein bisschen konkreter haben.

C.Fritz: Unsere Kunden können beide Welten in einer integrierten Software-Lösung haben und damit in einem einzigen Software-Tool komplexe, integrierte Lösungen realisieren. Natürlich ist Spezialwissen auf Entwickler-Seite von Nöten. Optische Phänomene, Linsen- und Sensorgrößen sind Dinge, mit denen sich der Automatisierer zukünftig auch auseinander setzen muss.

J.Finner: Es ist wichtig, dass die Anwender frühzeitig über Schulungen und andere Bereiche rechtzeitig an das Thema heran- geführt werden. Dann wird auch das Zusammenspiel beider Seiten schneller zustande kommen.

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inVISION 1 2015

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