Reduktion der Komplexität


Wenn eines Tages Bildverarbeitung in eine SPS integriert werden soll, wer wird das machen?

S.Schönegger: Es gibt Bereiche, wo es für uns Automatisierer mehr Sinn ergibt, Know-how zuzukaufen, z.B. was die Algorithmik betrifft. Hinsichtlich Oberfläche und Bedienbarkeit sind wir selber gefragt, da es um die Usability der Lösung geht.

J.Finner: Grundelemente der Bildverarbeitung können durchaus in einer SPS vereinigt werden für einfache Applikationen, wie z.B. eine Vermessung von Bauteilen. Um die Integration von Bildverarbeitung in die SPS voranzutreiben wäre eine übergeordnete Organisation hilfreich, die versucht, Vertreter beider Technologien zusammenzu- bringen. Gemeinsam würden sich so sicher sinnvolle Integrationsmöglichkeiten definieren lassen.

K.-H.Noffz: Ein Hersteller wie B&R bietet ein generelles Bedientool an, in dem z.B. eine Bildverarbeitungssoftware integriert werden kann. Wenn wir ein System haben, das offen ist für Spezialisten, die eine entsprechende Applikationskompetenz z.B. für Schraubenanalysen haben, und für dieses System eine Reihe von Anwendungen machen, die ich als SPS-Programmierer laden kann, dann habe ich natürlich einen wesentlich höheren Grad an Flexibilität und Fachwissen integriert. Das Problem ist, wenn alles in der Verantwortung von einem einzigen Hersteller ist, führt das dazu, dass unsere Bildverarbeitungssysteme einen sehr schmalen und idealisierten Bereich von Applikationen fokussieren werden. Wenn wir den Fachleuten, nicht den wirklichen Endanwendern, sondern kompetenten Bildverarbeitern einen Business-Zugang ermöglichen, dann kann ich dieses System aufweiten und viel spezilialisiertere Schrauben-Anwendungen anbieten, die dann vom Endanwender per Knopfdruck nur noch kurz konfiguriert und dazu geladen werden.

Ist es nötig, dass solch eine Annäherung auf einer ganz anderen (Verbands-)Ebene stattfinden muss, um das Thema zu beschleunigen?

K.-H.Noffz: Je mehr man über Kooperationen von verschiedenen Partnern nachdenkt, desto mehr brauchen wir Standards, eine Ebene, auf der irgendeine Festlegung erfolgt, auf die man sich verlassen kann und die auch entsprechend gewartet wird. Das ist ein Thema, welches über die einzelnen Firmen hinausgeht und sicherlich auf Verbandsebene gelöst werden sollte.

S.Schönegger: Verbandsarbeit ist sicher wichtig und zielführend und ich kann hier auch ganz offen sagen, dass B&R sich beteiligen würde. Auf der anderen Seite wollen wir Dinge schneller lösen und vorantreiben, also wären wir bei Bedarf im Sinne der Umsetzungsgeschwindigkeit auch für direketere Wege offen.

C.Fritz: Lösungen, bei der IBV und Automatisierung in einer Plattform integriert sind, bieten Vorteile, vor allem wenn Anwender komplette Neu-Entwicklungen durchführen. Standards helfen aber sowohl Anwendern als auch Herstellern, wenn bestehende Lösungen integriert werden sollen oder wenn Sub-Systeme unterschiedlicher Hersteller kombiniert werden müssen. Hier braucht es Standtards.

Was ist nötig, damit Automatisierer zukünftig noch stärker Bildverarbeitung einsetzen?

S.Schönegger: Da gibt es zwei Punkte, die wir lösen müssen: Das eine ist die Frage der physikalischen Verbindung, also welche Art von Feldbus oder Protokoll man verwendet, um das Problem zu lösen. Es gibt verschiedene existierende Feldbusse mit Echtzeit-Unterstützung. Auch OPC UA könnte sich mit höheren Bandbreiten beziehungsweise Entwicklungen rund um den Ethernet-Standard zu einer weiteren Verbindungsmöglichkeit entwickeln. Das viel dringendere Problem ist jedoch die Beherrschung der Komplexität. Mein Appell an die Hersteller von Vision-Systemen ist, auch anspruchsvolle Aufgaben in der Bildverarbeitung einfach konfigurierbar und nutzbar zu machen. Es ist mittlerweile möglich, an einem Tag mit jemandem, der aus der Elektrotechnik kommt und der bisher nur in der Verdrahtung von Baugruppen geübt war, Roboter in Betrieb zu nehmen. Das war vor wenigen Jahren undenkbar. Die Anwender, speziell aus dem Bereich Maschinenbau, hatten uns in der Vergangenheit immer wieder vorgehalten, dass es einfacher sein muss, komplexe Maschinen und Anlagen zu beherrschen und zu realisieren. Der Maschinenbau, speziell in Mitteleuropa, will und muss sich differenzieren. Er muss leistungsfähigere, dynamischere, modularere Maschinen bauen. Das kann er nur, wenn die Ingenieure, die das tun müssen, dies schnell und einfach leisten können.

C.Fritz: Natürlich sind beide Seiten bestrebt, ihre jeweiligen Automatisierungstasks zu vereinfachen, während sie immer komplexer werden. Mein Plädoyer ist für eine nahtlosere Integration von beiden Seiten. Wie kann man die Kalibrierung eines Bildverarbeitungssystems mit einem Motionsystem verheiraten? Dort brauchen wir noch ein großes Investment hinsichtlich Software-Integration.

J.Finner: Die Anforderungen in den Produktionsanlagen werden immer anspruchsvoller, d.h. hier ist der Automatisierer einfach gefordert, sich mit dem Thema Bildverarbeitung auseinanderzu- setzen. Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Leute an die Bildverarbeitung heran- zuführen und auch entsprechend auszubilden und haben dafür die European Imaging Academy geschaffen. Der Wissensgrad von SPS-Spezialisten zum Thema Bildverarbeitung kann durchaus noch wachsen, sodass sie schon mittel-komplexe Bildverarbeitungsaufgaben in den nächsten Jahren selber lösen können.

K.-H.Noffz: Wichtig ist es, Foren zu bieten, um beide Welten weiter miteinander in Kommunikation zu bringen, um so der Automatisierungsseite die Möglichkeit zu geben, zu verstehen was Bildverarbeitung heute kann und wie weit das alles integrierbar ist. Auf der anderen Seite bedeutet dies für die Bildverarbeitung immer stärker zu verstehen, wohin die Reise geht.

O.Munkelt: Die Bildverarbeitung muss über smartere Lösungen nachdenken, die nicht nur aus der Bildverarbeitung kommen, sondern vielleicht auch Geräte nutzen, die schon vorhanden sind. Zudem soll das Ganze automatisch gehen und z.B. der Kalibrierungsprozess nicht ein paar Stunden dauern. Die Reduktion der Komplexität ist ein wichtiger Teil. Aufgaben, die jetzt komplex erscheinen, wird man vereinfachen können. Wenn Ihnen Mitte der 80er Jahre jemand ein Handy gezeigt und gesagt hätte, dass man in zehn bis 15 Jahren damit telefonieren würde, dann hätten Sie das nicht geglaubt. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir einen Innovationsfortschritt erzielen, Schritt für Schritt, und was wir uns heute noch nicht vorstellen können, ist übermorgen schon denkbar und über-übermorgen bereits umgesetzt. Das gilt auch für die komplexe Technologie der Bildverarbeitung. n Teilnehmer

Themen:

| Fachartikel

Ausgabe:

inVISION 1 2015

Das könnte Sie auch Interessieren