Software bewerten

Typische Risikofaktoren

Die in einem Softwareunternehmen vorhandene Codebasis stellt den zentralen Vermögenswert dar. Problematisch wird es immer dann, wenn das Entwicklerteam Schwierigkeiten hat, Teile des eigenen Codes nachzuvollziehen und die implementierte Funktionalität im Detail zu verstehen. Dieser Kontrollverlust muss zwangsläufig zu einer Abwertung führen, denn wenn das Team z. B. über 10% des Codes die Kontrolle verloren hat, sind ca.10% der bisher aufgelaufenen Herstellungskosten erneut aufzuwenden. Oftmals ist die Wartbarkeit wichtiger Module auch eng mit der Präsenz einzelner Mitarbeiter im Team verbunden. Aus dieser Personenbezogenheit kann sich für den Investor schnell ein Worst-Case-Szenario entwickeln, wenn wichtige Mitarbeiter unmittelbar nach einer Akquisition das Unternehmen verlassen. Immer im Blickpunkt sind bei einer Due Diligence der Umfang und die Qualität der vorhandenen Dokumentation. Von vielen Programmierern wird die Bedeutung der internen Dokumentation unterschätzt. Mit der üblichen Haltung ´the code is documentation enough´ wird sich ein Entwickler unter fachkundigen Bewertungsexperten keine Freunde machen. Eine umfangreiche und gut strukturierte Dokumentation des Codes, der flankierenden Entwicklungs-Prozesse und des Softwareprodukts, bringt ein hohes Maß an Stabilität und Transparenz in ein Unternehmen. Es hat seinen guten Grund, warum z.B. die Prozessdokumentation innerhalb eines Qualitätssicherungs-Systems in Anlehnung an die ISO9000 Normengruppe eine wichtige Rolle einnimmt. Für das Anfertigen von Dokumentationen sprechen auch betriebswirtschaftliche Gründe. Das Vorliegen einer ausreichenden und für einen sachverständigen Dritten nachvollziehbaren Dokumentation ist laut dem einschlägig anerkannten IDW Standard zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte [1] mit eine Voraussetzung dafür, dass Software auf einen Dritten übertragbar ist. Nur wenn die Übertragbarkeit gegeben ist, qualifiziert sich eine Technologie wie z.B. Computersoftware für eine Bewertung im Sinne des IDW Standards. Ohne Vorliegen einer angemessenen Dokumentation sprechen die Bewertungsrichtlinien einem Unternehmen die Verfügbarkeit der Technologie ab, weil eine Weitergabe der Kenntnisse ohne Mitwirkung der damit vertrauten Mitarbeiter nicht möglich ist. Weitere Risikofaktoren und Werttreiber in Softwareunternehmen werden ausführlich in dem Buch ‚Software Due Diligence‘ (s. Kasten) diskutiert.

Literaturhinweis: [1] Institut der Wirtschaftsprüfer (2007); IDW Standard: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte (IDW S 5). Stand 16.04.2016

Fazit

Gut organisierte und qualifizierte Teams, die sich der Methoden und Techniken des Software-Engineerings bedienen und ihre Anwendung(en) von Beginn an auf eine solide und gut durchdachte Architektur-Basis stellen, erzeugen mit ihrer Arbeit in aller Regel auch veräußerbare Werte, vorausgesetzt die Arbeitsergebnisse sind im Sinne einer Übertragbarkeit angemessen dokumentiert. Nicht selten verbergen Entwicklerteams ganz bewusst seit Jahren intern bekannte Großbaustellen, die eine langfristige Fortführung des Softwareprojektes fragwürdig machen oder teure und zeitaufwändige Sanierungsmaßnahmen erfordern. Eine vermeintlich erstklassige Software ist aus Investorensicht wertlos, wenn keine für externe Dritte nachvollziehbare Architekturidee implementiert wurde oder wenn aufgrund zu hoher Personenbezogenheit oder mangels Dokumentation eine Veräußerbarkeit schlicht und einfach nicht gegeben ist. Für eine Positionsbestimmung empfiehlt es sich proaktiv ein Audit durchzuführen, um anschließend in Kenntnis der Schwachstellen den Betrieb rechtzeitig vor einem Verkauf auf Vordermann zu bringen.

 

 

 (Bild: Demant Industriesoftware GmbH)

(Bild: Demant Industriesoftware GmbH)

 

Software Due Diligence

Das praxisnahe Buch zum Thema Software Due Diligence gibt einen Einblick in die Besonderheiten und vermeintlichen Geheimnisse der Softwareentwicklung. Dabei werden Methoden aufgezeigt, um die in der Softwareentwicklung versteckten Vermögenswerte zu ermitteln und transparent zu machen.
Demant, C. (2018) “Software Due Diligence – Softwareentwicklung als Asset bewertet.”

 

308 Seiten, Springer Gabler Berlin Heidelberg, ISBN 978-3-662-53061-0; auch als eBook erhältlich.

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Demant Industriesoftware GmbH

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