Software bewerten

Suche nach dem Fair Value

Bei jeder Art von Prognose stellt sich natürlich die Frage der Plausibilität. Wie realistisch sind die Zukunftsplanungen des Managements? Wie ehrlich und transparent ist die zugehörige Positionsbestimmung? Diese Fragestellungen lassen sich durchaus auf Beispiele aus dem Privatbereich übertragen. Wer hat nicht schon beim Eintreffen am Urlaubsort eine Enttäuschung erlebt, weil die Ferienanlage vor Ort längst nicht so modern und gepflegt aussah wie auf den Hochglanz-Fotos auf der Website des Touristikunternehmens? Große Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit zeigen sich auch im aktuell überhitzten Immobilienmarkt. Auch beim klassischen privaten Vermögenswert Immobilie ist die entscheidende Frage: Wie sichert ein potenzieller Käufer das geplante Investment möglichst umfassend ab? Mögliche Risiken beim Erwerb einer Gebraucht-Immobilie z.B. lassen sich nur dadurch minimieren, indem sich der Kaufinteressent über das betrachtete Objekt umfassend informiert, das heißt hinfahren und zusammen mit einem Experten das Zielobjekt begutachten. Zusätzlich sollte im persönlichen Gespräch mit dem Eigentümer investigativ versucht werden, Hinweise auf mögliche Mängel an der Bausubstanz zu bekommen. Ein zwangloses Gespräch mit einem Nachbarn kann in der Regel auch nicht schaden und verbessert die eigene Informationslage weiter. Ganz hartgesottene Immobilienkäufer schlafen testhalber eine Nacht im gemieteten Campingbus auf der zum Grundstück angrenzenden Straße, um einen repräsentativen Eindruck über den lokalen nächtlichen Geräuschpegel zu erhalten. Im Bereich der Unternehmens-Transaktionen wird ähnlich vorgegangen. Um sowohl potenziell werttreibende Faktoren als auch versteckte Risiken zu identifizieren, wird das Unternehmen einer Prüfung unterzogen. Diese ‚mit gebührender Sorgfalt‘ durchzuführende Analyse wird in der Fachsprache der Betriebswirte und Juristen als Due Diligence bezeichnet. Mit einer gewissenhaft durchgeführten Due Diligence verbessert sich die Datenbasis für eine Bewertung des Zielobjektes und die Stakeholder wissen, was sie nach einem möglichen Kauf erwartet. Eine umfangreiche Unternehmensanalyse erstreckt sich über viele Teilbereiche. Neben betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen sollten im Rahmen einer Analyse auch unternehmensspezifische technische Aspekte begutachtet werden (Technical Due Diligence). Hierbei kommen die Wirtschaftsfachleute verständlicherweise an ihre Grenzen, denn technisch orientierte Bereiche einer Due Diligence können nur mit einschlägigem Fachwissen beurteilt werden. Insbesondere das Thema Softwareentwicklung stellt ein Due Diligence Team vor sehr spezifische Herausforderungen, denn die Herstellung von Software unterscheidet sich beträchtlich von traditionellen Produktionsprozessen und in der Softwarebranche gelten im Vergleich zu anderen Branchen spezielle Spielregeln, die nur berufserfahrene Insider vollumfänglich verstehen können. In der Vergangenheit wurden die technischen Aspekte bei der Bewertung von Softwareunternehmen von so manchem auf Kennzahlen fixierten Wirtschaftsprüfer fahrlässig ignoriert. Erst kürzlich berichtete mir der Inhaber eines erfolgreichen mittelständischen Softwarehauses, dass das von einem Investor beauftragte Due Diligence Team eine zweistündige, vertriebsorientierte Standard-Präsentation seiner umfangreichen Business-Softwaresuite für ausreichend hielt, um ein ihm unterbreitetes Kaufangebot im mittleren zweistelligen Millionenbereich zu validieren. Ein kritischer Blick hinter die Kulissen der Softwareentwicklung oder ein Code Review: Fehlanzeige! Anders formuliert: Ob die Software in C#, Java, VB6 oder Assembler programmiert wurde, spielte für die begutachtenden Wirtschaftsfachleute verblüffender Weise keinerlei Rolle. Daher ist es wenig verwunderlich, dass sowohl in Business Angels Netzwerken als auch bei institutionellen Investoren hinter vorgehaltener Hand auf so manche Fehlinvestition im Bereich Software in den letzten Jahren verwiesen wird. Es kommt gar nicht so selten vor, dass sich das erworbene Unternehmen wenige Monate nach der Akquisition als mehr oder weniger wertlos herausstellt, weil kritische Risikofaktoren in der Softwareentwicklung im Rahmen des Analyseprozesses komplett übersehen wurden. Nicht immer steht diesen Unternehmen anschließend ausreichend Kapital für einen Neustart zur Verfügung, das heißt für ein Neuschreiben der Software mit einem neuen, frischen Team. Allerdings setzt durch das im Rahmen der digitalen Transformation (Industrie 4.0) weiter forcierte Eindringen von Software in fast alle Bereiche von Industrie und Wirtschaft bei den Bewertungsexperten allmählich ein Umdenken ein. Durch den kontinuierlich steigenden Beitrag von Software zur Wertschöpfung in den Unternehmen wird eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Softwareentwicklung von immer mehr Marktteilnehmern als unumgänglich erachtet, um das Ergebnis einer Unternehmensbewertung zu verbessern. Diese gezielte Analyse und Bewertung einer Software mitsamt der dahinterstehenden Softwareentwicklung wird als Software Due Diligence bezeichnet. Eine sorgfältig durchgeführte Software Due Diligence verringert auf Seiten der Investoren die Gefahr von Fehlentscheidungen und hilft Enttäuschungen zu vermeiden.

Software Due Diligence

Die Marschrichtung für die konkrete Begutachtung liefert der Software-Entwicklungsprozess mit seinen logischen Abhängigkeiten. Ausgangspunkt für jede Art von Softwareentwicklung bilden die Mitarbeiter im Unternehmen. Die Mitarbeiter bzw. Entwickler arbeiten mit Unterstützung von Werkzeugen innerhalb eines übergeordneten Ordnungsrahmens aus Prozessen und erzeugen mit ihrer Arbeitsleistung den Programmcode, aus dem eine (lauffähige) Anwendung generiert wird. Zur Bestimmung des Wertes von Software und Softwareentwicklung sollte daher folglich versucht werden, so viel wie möglich über…

  • das Entwicklerteam einschließlich dem verantwortlichen Management,
  • die eingesetzten Tools,
  • die Prozesse,
  • den Code und
  • die Anwendung selbst

…in Erfahrung zu bringen. Die Prüfung der Anwendung erfolgt hierbei aus technisch-technologischer Sicht, d.h. wie professionell und wie bedienerfreundlich stellt sich die gebotene Funktionalität der Software aus Anwendersicht in Bezug auf den Stand der Technik dar. Es geht bei der Begutachtung definitiv nicht darum festzustellen, ob die Software das macht, was sie gemäß den formalen Anforderungen tun soll. Eine Software Due Diligence macht nie eine Aussage über die Funktionalität der Software. Es geht auch nicht darum, ob die Software aus Sicht des Prüfers in der Erfüllung ihrer Aufgaben gut oder schlecht ist. Ein Gutachter kann sich hierzu nur äußern, wenn er im entsprechenden Markt über eine umfangreiche Anwendererfahrung mit vergleichbaren Softwareprodukten verfügt. Diese Voraussetzung wird aber in den seltensten Fällen gegeben sein, denn üblicherweise sitzen Personen mit diesen Spezialkenntnissen beim direkten Wettbewerber und kommen daher für die Mitarbeit bei einer Due Diligence nicht in Betracht. Bei der Analyse eines Softwareproduktes im Rahmen einer Software Due Diligence geht es darum zu beurteilen, ob sich das verantwortliche Entwicklerteam die neuesten technologischen Gegebenheiten der verwendeten Plattform im Sinne eines bestmöglichen Nutzererlebnisses maximal clever zunutze macht. Oder anders formuliert: Ist die Anwendung solide gemacht und gut durchdacht, ist sie modern, gut gestaltet und aufgeräumt, selbsterklärend und hilfsbereit und arbeitet sie erwartungskonform, d.h. die Software führt die Aktionen aus, die der Anwender von ihr in der Interaktion erwartet.

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Demant Industriesoftware GmbH

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