Nun ist jedoch auch bei konstanter Temperatur die Frage schwer zu beantworten, inwieweit sich die simulierte Abbildungsqualität eines Optikdesigns unter definierten Herstellungstoleranzen auch tatsächlich bewahrheitet. Aufgrund der Vielzahl der Variablen und deren Korrelation lassen sich hierfür nur mit statistischen Methoden (Monte-Carlo-Simulationen) Aussagen treffen. Die Erweiterung einer solchen Analyse um die Einflüsse sich ändernder Temperaturen erhöht die Komplexität beträchtlich und führt zu einem Mehraufwand von mehreren Wochen bei der Entwicklung. Insofern ist es nachvollziehbar, dass sich in den Datenblättern von gewöhnlichen Objektiven keine quantitativen Aussagen zum Einfluss der Temperatur auf die Abbildungsleistung finden. Was aber, wenn dieser Aspekt für eine gegebene Anwendung von kritischer Bedeutung ist?
Athermische Objektive
Hier gibt es prinzipiell zwei Ansätze. Die wohl am weitesten verbreitete Methode besteht darin, nicht nur die Optik, sondern gleich das gesamte bildgebende System vom Einfluss der Umgebungstemperatur zu isolieren, die Temperatur also zu messen und aktiv zu regeln. Doch in manchen Fällen ist diese Vorgehensweise nicht möglich, und es bleibt nur der passive Weg: Man legt die Optik auf eine Art und Weise aus, dass sich die Auswirkungen der Temperatur auf die einzelnen Optiken in Summe aufheben und somit die Bildqualität nicht beeinträchtigt wird. Dies ist jedoch nur auf Kosten einer längeren Entwicklungszeit möglich, denn das Design muss dabei in mehreren iterativen Schritten diesbezüglich optimiert werden. Ebenso schränkt es die Auswahl der optischen Gläser ein, und es muss eventuell auch auf die Verwendung verschiedener Metalle zugegriffen werden, damit sich einzelne Effekte in Summe kompensieren.
Edmund Optics hat kürzlich entsprechende Objektive entwickelt. Exemplarisch sind in Bild 3 die MTF-Kurven (Modulationstransferfunktion) eines athermischen 100mm Objektives gezeigt. Alle einzelnen durch die Temperatur induzierten Änderungen heben sich über den gesamten Bereich von -10°C bis +50°C auf, d.h. es ist kaum eine Änderung in der MTF-Performance zu erkennen. Zuletzt sei noch die Herausforderung auf der Seite der Messtechnik erwähnt. Es gibt mittlerweile kommerzielle Instrumente, mit welchen die Abbildungsleistung von Objektiven in MTF-Form während eines Temperaturzyklus bestimmt werden kann. Sofern aber andere Parameter entscheidend sind, ist es durchaus möglich, dass sich hierzu noch keine kommerzielle Lösung finden lässt und ein entsprechender Prüfaufbau erst noch entwickelt werden muss.
Fazit
Das Spiel zwischen abbildender Optik und wechselnden Temperaturen ist sehr komplex und sowohl die quantitative Analysen als auch die zugehörigen Messungen sind mit beträchtlichem Aufwand verbunden. Doch nicht nur die Optik alleine ist ausschlaggebend – letztendlich zählt die Performance des Gesamtsystems und auch das Zusammenspiel der Optik mit der Kamera muss in Betracht gezogen werden. Fragen wie aus welchem Material das Kameragehäuse besteht, wie genau die Optik gehalten wird und wie sich die Position des Sensors relativ zum Optik-Mount verhält, müssen dabei diskutiert werden. Berücksichtigt man all diese Aspekte und kompensiert mögliche Einflüsse, kann eine gute Performance des Gesamtsystems erreicht werden – unabhängig von Wetter und Temperatur.
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