Vergleichstests unter den künstlichen Bedingungen eines Labors lassen sich oft nur schwer in die Praxis übertragen. Um möglichst realistische Vergleichsergebnisse zu erhalten, wird deshalb als ´Testparcours´ eine bestehende Beschichtungslinie ausgewählt. Getestet wird bei einer Beschichtungsanlage, auf der Operationsbestecke (Pinzetten) für die Hochfrequenzchirurgie beschichtet werden. Diese elektrisch isolierten Pinzetten bestehen aus Aluminium, das mit einer mehrschichtigen Fluorpolymer-Oberflächenbeschichtung versehen wird. Die Beschichtung muss einerseits sehr dicht, hohlraumfrei und schmutzabweisend sein, um Verkeimungen zuverlässig zu verhindern. Andererseits ist Elastizität und Substrathaftung gefordert, damit keine Lacksplitter in die Operationswunde gelangen. Und nicht zuletzt muss die elektrische Isolationsfunktion über die gesamte Lebensdauer der Pinzette sicher gewährleistet bleiben. Diese Anforderungen lassen sich nur mit einer genau bemessenen Schichtdicke erfüllen. Ist sie beispielsweise zu dünn, sind Haltbarkeit und elektrische Isolation nicht mehr gewährleistet. Ist die Schicht zu dick, können Risse, Bläschen oder Wellen entstehen. Kleinste Fehler im Produktionsprozess können schwerwiegende Folgen für Patient und Operateur haben.
Vergleichsmessung: Wirbelstrom vs. Photothermie
Von den zahlreichen am Markt verfügbaren Schichtdickenprüfmethoden werden zwei repräsentative Verfahren verglichen: das Wirbelstromprinzip als berührende Messung und die Photothermie als kontaktloses Messprinzip.
- Wirbelstromverfahren: Dieses eignet sich für die Messung elektrisch isolierender Beschichtungen auf metallischem Grundwerkstoff. Der Wirbelstromsensor enthält eine Spule, in der ein elektrischer Wechselstrom ein magnetisches Wechselfeld erzeugt. Wird dieser Sensor auf einen beschichteten metallischen Grundwerkstoff aufgesetzt, so induziert das Magnetfeld im Metall einen Wirbelstrom, der auf das vom Sensor erzeugte Magnetfeld zurückwirkt. Bei plan aufgesetztem Sensor entspricht der Abstand genau der gesuchten Schichtdicke, so dass die Rückwirkung ein Maß für die Dicke der Beschichtung ist.
- Photothermisches Prinzip: Die photothermische Schichtdickenmessung ist ein kontaktfreies Verfahren für Lacke, Pulverbeschichtungen und Glasuren auf metallischen und nichtmetallischen Untergründen. Dabei werden die unterschiedlichen thermischen Eigenschaften von Beschichtung und Grundwerkstoff ausgewertet, um die Schichtdicke zu bestimmen. Die Oberfläche der Beschichtung wird mit einem kurzen, intensiven Lichtimpuls um einige Grad erwärmt und kühlt anschließend durch Ableitung der Wärme in den Grundwerkstoff wieder ab. Dabei sinkt die Temperatur umso schneller, je dünner die Beschichtung ist. Der zeitliche Temperaturverlauf wird mit einem Infrarotsensor erfasst und in die Schichtdicke umgerechnet. Die Messung erfolgt aus mehreren Zentimetern Abstand. Damit lassen sich nasse und klebrige Schichten ebenso messen wie weiche und empfindliche Oberflächen.
Messaufbau und Datenaufnahme
Für den Vergleichstest werden Pinzetten aus einer laufenden Produktion an mehreren Punkten vermessen. Dabei finden die Wirbelstrom und die photothermische Messung direkt hintereinander statt. Um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, müssen beide Verfahren exakt dieselben Positionen der Beschichtung prüfen. Dazu wird der rechte und linke Pinzettenschenkel während der Messung in eine speziell angefertigte Schablone eingelegt. Diese Schablonen enthalten jeweils drei Bohrungen auf jeder Seite, mit denen die Messköpfe der beiden Messsysteme auf dieselbe Stelle ausgerichtet werden. Zunächst werden die Pinzetten per Wirbelstrom vermessen. Der Wirbelstrommesskopf wird durch die Bohrung direkt auf die Beschichtung aufgesetzt, während der photothermische Sensor durch eine dem Messabstand entsprechende Distanzhülse geführt wird. Es werden 50 Pinzetten an jeweils zwölf Punkten vermessen. Dabei wird die Messung an jedem Messpunkt fünf Mal wiederholt, sodass abschließend mit jedem Messverfahren 3.000 Messwerte ausgewertet werden können.
Kalibrierung der Schichtdickenmesssysteme
Beide Methoden sind indirekte Verfahren, bei denen die Schichtdicke nicht unmittelbar gemessen, sondern anhand von Messsignalen errechnet wird. Vor der Auswertung und Analyse der Messwerte erfolgt daher eine Angleichung der photothermischen Daten an die Werte aus der Wirbelstrommessung. Dazu werden die Wirbelstromdaten in einem XY-Diagramm über den photothermischen Daten abgetragen und daraus eine Ausgleichsgerade berechnet, die als Kalibrierung für die photothermische Messung dient. Die Korrelation belegt mit einem Wert von 0,8476 die gute lineare Abhängigkeit der beiden Messreihen, sodass diese Kalibrierung im Anschluss als Basis für den Messmittel-Vergleich des photothermischen Verfahrens verwendet wird. Somit können nun Wirbelstromverfahren und photothermische Messung über eine Messsystemanalyse (MSA) miteinander verglichen werden. Die MSA ist ein statistisches Verfahren aus der Prozessoptimierung, mit dem sich beurteilen lässt, wie gut ein bestimmtes Messsystem für die vorgesehene Messaufgabe geeignet ist. Die MSA liefert für jedes Messsystem zwei Kenngrößen: die Messmittelfähigkeit Cg, welche die Streuung der Messwerte beschreibt und den Messmittelfähigkeitsindex Cgk, der den systematischen Messfehler angibt. Als Minimum für beide Kenngrößen gilt ein Wert von 1,33. Je höher die Kenngrößen über diesem Minimalwert liegen, umso besser ist das Messsystem für die jeweilige Aufgabe geeignet. Für die Berechnung der beiden Kenngrößen ist es erforderlich, die tatsächliche Schichtdicke an den Messpositionen zu kennen. Da diese jedoch bei den gemessenen Pinzetten nicht erfasst ist, wird stattdessen die mit dem Wirbelstromverfahren ermittelte Schichtdicke als Referenz verwendet.
Ergebnisse der Messsystemanalyse
Alle Werte liegen deutlich über dem Minimum von 1,33 und belegen die gute Eignung beider Verfahren für die Schichtdickenmessung in der Pinzettenfertigung. Dabei ist die Messmittelfähigkeit Cg des photothermischen Verfahrens mehr als doppelt so groß wie die der Wirbelstrommessung und beweist somit die Überlegenheit dieses Messprinzips. Somit können in einem nächsten Schritt aus den Messwerten mit Hilfe einer Prozessfähigkeitsanalyse weitere Ansatzpunkte gewonnen werden, um den Beschichtungsprozess zu optimieren. Mit einer Prozessfähigkeitsanalyse lässt sich ermitteln, wie gut der Beschichtungsprozess die geforderten Toleranzwerte erreicht; oder anders gesagt, mit wie viel Ausschuss zu rechnen ist. Dazu werden, ähnlich der Messsystemanalyse, zwei Kennzahlen berechnet: Der Prozessfähigkeitsindex Cp, der die tatsächliche Prozessstreuung ins Verhältnis zum geforderten Toleranzband setzt und der kleinste Prozessfähigkeitsindex Cpk, der die Lage des Mittelwerts im geforderten Toleranzband beschreibt. Auch hier gilt ein Minimalwert von 1,33 für einen gerade noch geeigneten Prozess. Mit den Daten aus der photothermischen Messung liegt der Prozessfähigkeitsindex Cp bei allen zwölf Messpositionen deutlich oberhalb von 1,33. Der Beschichtungsprozess variiert also erheblich geringer als es das Toleranzband zulässt. Jedoch liefern die Cpk-Werte eindeutige Ansätze für eine Prozessoptimierung: An einigen Positionen gerät die Prozessstreuung sogar sehr nahe an die untere Toleranzgrenze bzw. liegt schon darunter. Durch eine gezielte Anhebung der Beschichtungsstärke könnte das Risiko von unnötigem Ausschuss aufgrund zu geringer Schichtdicke reduziert werden.