Vermessen und getestet

Vermessen und getestet

GigE-Vision-Systeme mit NIC-Karten im Test

GigE Vision ist erfolgreich. Als häufig genanntes Argument wird die Unterstützung von Multikamerasystemen, die günstigen Systemkosten und der Verzicht auf Framegrabber genannt. Aber für welchen Preis bekommt man das Bildverarbeitungssystem wirklich? GigE-Kameras werden direkt an einen Vision-PC angeschlossen oder sind über NIC-Karten bzw. Framegrabber mit dem Rechnersystem verbunden. In den letzten beiden Fällen erhöhen sich die Systemkosten sofort und erfordern auch die Einbindung der Komponenten auf Treiber- und Softwarebasis. Was erhält man aber dafür als Gegenleistung?
Im Falle der NIC-Karte sind als erstes die bis zu vier weiteren Ports augenfällig, die direkte Point-to-Point-Verbindungen zu den Kameras zulassen. Über diese können garantierte Bandbreiten erreicht werden. Abhängig von der PCIe-Schnittstelle der NIC-Karte können die Bilddaten auch komplett an den PC übertragen werden. Bei dem Einsatz von konfigurierbaren Switches kann zumindest eine garantierte Datenübertragung sichergestellt werden, wenn auch dadurch nicht die Kapazität von GigE gesteigert werden kann. Eine hochwertige Netzwerk-Infrastruktur mit intelligenten 1-GE- oder 10-GE-Komponenten muss somit in eine Systemkostenbetrachtung mit einbezogen werden. Die Übertragung der Datenpakete wird bei der NIC-Karte über die CPU gesteuert. Hierbei treten sowohl CPU-, Speicher- und Interrupt-Last auf. Wie stark wird aber eine Bildverarbeitungsanwendung durch diese zusätzliche Systemlast beeinflusst? Immer wieder wurde ins Feld geführt, dass heutige Softwarearchitekturen und Filtertreiber diese Argumente längst als nebensächlich ansehen, sodass umfangreiche Tests durchgeführt wurden, d.h. Vergleichstest zwischen marktüblichen Computern mit High-End- und Low-End-CPUs. Das Spektrum reichte von einem aktuellen nichtindustriellen Standard-PC mit Intel i7-4790 CPU, über leistungsstarke embedded PCs mit Intel i7-4650 CPU zu embedded PCs im Mittelfeld mit Atom N2800 CPUs. Die Messungen wurden mit vier Kameras durchgeführt, die mit höchster Auflösung und Bildrate liefen.

Ergebnisse des Vergleichtests

Weniger überraschend fielen die Ergebnisse bei PCs mit Intel Atom CPU-Architektur aus. Erstaunlicher hingegen, dass auch moderne Computersysteme bei einem Mehrkamerabetrieb oberhalb von zwei GigE-Vision-Kameras eine deutliche Steigerung der CPU-Last erfuhren. Neben der CPU-Last wurde als weiteres Kriterium die Speicherbelastung bei einer Bildaufnahme über eine NIC-Karte gemessen. Dieser Wert wird meistens nicht beachtet, und auch nicht über den Task Manager gemessen bzw. angezeigt. Um Messdaten zu erhalten wurde eine Anwendung geschrieben, die über memcpy-Befehle Speicherkopiervorgänge initiiert, um Bildverarbeitungs-Tasks zu simulieren Über Messungen wurde die Performance des Hauptspeichers ermittelt. Die Messszenarien umfasste die Verwendung von vier Kameras im Mono-Transfermodus mit Übertragung von Grauwertbilder mit höchster Bildrate, und im zweiten Fall von vier Kameras im Bayer-Transfermodus, die Farbbilder mit höchster Bildrate übertrugen.

Speicherleistung beim Bildtransfer

Der Effekt, der durch den Speicherbelastung auftrat, war deutlich stärker als der CPU-Lasttest. Im Transfermodus mit Grauwertbilder verlor der PC 35% seiner Leistung, im Fall der Übertragung von Farbbildern sogar 90%. In einem weiteren Test wurde die Stabilität der Bildaufnahme über eine NIC-Karte getestet. Über eine Dauer von zwölf Stunden wurden während Bildaufnahme und -transfers die verlorenen Datenpakete und Bilder gemessen. Für den Hintergrund-Task wurde die höchste Priorität eingestellt. Die Last des Tasks stieg auf bis zu 90% an. Die Datenrate lag allerdings nur bei 25% der möglichen Höchstleistung (peak performance) der Kamera. Auch wenn der Wert der ‚resends‘ und ‚lost frames‘ im Vergleich zu der Gesamtanzahl der aufgenommenen Bilder klein erscheint, bedeutet es doch, dass bei einer Kamera, die mit einer Bildrate von 30fps und einer hohen Prozessorlast läuft, jede Minute ein ‚resend‘ ausgelöst wird, zusätzliche Verzögerungen entstehen und alle 1,5 Stunden ein Bild verloren geht. Die Idee NIC-Karten einzusetzen kam daher, die Kosten für ein GigE-Vision- System mit mehreren Kameras niedrig zu halten. Die Messungen haben ergeben, dass die NIC-Karten aber eine höhere CPU- und Speicherlast erzeugen. Will man diese kompensieren, entstehen Zusatzkosten für die PC-Ausstattung, die bereits in der Größenordnung eines Framegrabbers liegen. Insbesondere vermeintlich preisgünstige Low-End-Systeme verlieren schnell ihre Investitionsvorteile. Für einfache GigE-Vision-Systeme mit einer oder zwei Kameras kann ein PC-System ohne bzw. mit NIC-Karte auch weiterhin vollends ausreichend sein. Sollen weitere aufwändige Bildverarbeitungen über die CPU berechnet werden, können auch schon PCs im Mid-range Bereich Stabilitäts- und Lastprobleme bekommen. Messungen für eine Umrechnung von Farbbildern aus Grauwert-Bayer-CFA-Kameras in Software haben gezeigt, dass hier die PC-Systeme übermäßig gefordert werden und möglichst früh auf einen sinnvollen Einsatz getestet werden sollten.

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inVISION 1 2016
Silicon Software GmbH

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