Etikettenschwindel

Falsche Voraussetzungen bei Megapixelobjektiv

Etikettenschwindel

Warum der Begriff Megapixelobjektive falsch ist

Megapixelobjektive sind das Pendant zum ´natürlichen´ Lebensmittel. Der Konsument glaubt intuitiv zu wissen, was der Begriff bedeutet, doch er irrt, denn beide Wörter sind im jeweiligen Kontext sinnfrei. Während das ´natürlich´ in natürliche Lebensmittel lediglich eine schwammige Bedeutung hat, ist das ´Megapixel´ im Begriff Megapixelobjektiv schlichtweg sachlich falsch.

Kamera- und Sensorhersteller charakterisieren ihre Produkte zu Recht anhand der Megapixelleistung, wobei ein Megapixel in der Praxis mit einer Million Pixel gleichgesetzt wird (genaugenommen wären es 2 hoch 20 Pixel, also 1.048.576). Die Einteilung von Kameras und Bildaufnehmern nach Megapixeln ergibt Sinn, denn der Begriff bezieht sich auf die Anzahl der physikalischen Pixel des Sensors. Je mehr Pixel, desto höher die Auflösung. Wer ein Imaging-System mit höherer Auflösung plant, greift zu einer Kamera mit mehr Megapixeln. Nur haben diese Pixel rein gar nichts mit Objektiven und deren Qualität zu tun. Megapixelobjektive mit der Anzahl der Bildpunkte zu bewerben ist nicht nur unfairer Wettbewerb, sondern von der Sache her falsch. Wir zeigen, warum der Begriff Megapixel in Zusammenhang mit Objektiven unsinnig ist, und helfen Ihnen, den Hype zu durchschauen. Wir erklären die wichtigen Parameter, die es stattdessen unter die Lupe zu nehmen gilt, wenn Sie auf der Suche nach einem geeigneten Objektiv für Ihre Megapixelkamera sind.

Pixelgröße statt Megapixelzahl

Wir schauen uns an, wo das Getöse um die Megapixel herkommt, indem wir einige bekannte Marken analysieren – gute Image Sensoren, die den meisten Kamerakunden ein Begriff sind – und sie unter dem Aspekt der Anforderungen an die Optik betrachten. Nehmen wir zunächst die beiden Bildsensoren von On Semi in Tabelle 1 und die grün markierten Felder. In dieser Spalte finden Sie die Sensordiagonale (die Größe des Sensors von Ecke zu Ecke). Beide Sensoren haben eine Sensordiagonale von 11mm. Schauen Sie nun in der Spalte links daneben nach der Pixelgröße. Der obere Chip hat eine Pixelgröße von 2,4µm, der untere von 5,5µm. Worauf wir Sie hier aufmerksam machen, ist die Tatsache, dass die beiden Chips von der Fläche her identisch sind. Beide haben eine Sensordiagonale vom 11mm, aber ein Sensor bringt auf dieser Fläche 4,5x so viele Bildpunkte unter, wie der andere. Sehen Sie sich nun die orange markierten Werte an. Hier haben wir zwei Sony-Sensoren mit 12MP. In der rechten Spalte sehen Sie für den ersten Sensor eine extrem kleine Pixelgröße von unter 2µm. Nur die wenigsten Objektive können bei 2µm überhaupt noch einen einzelnen Punkt abbilden. Der andere Bildaufnehmer arbeitet mit 3,45µm immer noch mit geringer Pixelgröße. Allerdings ist es schon wesentlich einfacher, hierfür eine gut funktionierende Optik zu finden. Warum erklären wir Ihnen diese Tabelle? Wenn Sie die Optik für das dort beschriebene Sony-Kamerasystem auswählen sollen und vom Hersteller lediglich die Information erhalten, es handle sich um ein 12MP-Objektiv, laufen Sie Gefahr, eine Komponente zu erwerben, die unbefriedigend oder gar nicht mit Ihrem Bildverarbeitungssystem zusammenarbeitet. Dasselbe gilt für den On-Semi 13MP-Sensor: wenn Sie beim Objektivkauf die winzige Pixelgröße von 1,1µm außer Acht lassen, ist Ärger vorprogrammiert. 1,1µm Pixelgröße bedeutet eine gigantische Objektivauflösung von 454 Linienpaaren pro mm. Wenn ein Punkt im Objektraum zuverlässig bzw. pixelgenau auf einen Bildpunkt treffen soll, brauchen Sie ein extrem lichtstarkes Objektiv mit mindestens Offenblende f/1 – und die sind dünn gesät. Damit kommen wir zum ersten Tipp: Vergessen Sie die Megapixelzahl und berücksichtigen Sie stattdessen die Pixelgröße, um die es geht. Wenn Sie wissen, was es mit der Pixelgröße auf sich hat, können Sie ein Objektiv auswählen, dessen Auflösungsvermögen bzw. Modulationstransferfunktion (MTF) ausreicht, um bei dieser konkreten Pixelgröße einen Punkt zu bilden. Jetzt noch einmal zu den beiden Sony-Sensoren: Achten Sie bei der Auswahl der passenden Optik für diese 12MP-Kameras auf den Unterschied in der Sensordiagonalen. Das Verhältnis ist fast 2:1. Wenn 12MP das einzige Kriterium für den Objektivkauf sind, können Sie immer noch Glück haben: Ein 12MP Objektiv für den ersten Sony-Sensor kommt vielleicht mit dem Bildkreisdurchmesser/Sensordiagonalen von 8,61mm zurecht (unseren Erfahrungen zufolge sind viele 12MP-Objektive nur mit einer Korrektur für einen 8mm-Bildkreis ausgestattet), aber Sie müssten schon eine extrem glückliche Hand haben, um eine Optik zu erwischen, die einen Bildkreis ausleuchten kann, der groß genug für den zweiten Sensor ist. Hieraus ergeben sich wichtige Konsequenzen für alle Vision Anwendungen. Bei den Kameras für die Systeme sind die Megapixelwerte selbstverständlich relevant, aber wenn Sie ein 12MP-Objektiv kaufen, das nur für ein Sensorformat von 2/3″ (11mm Diagonale/Bildkreisdurchmesser) ausgelegt ist, bekommen Sie beim Sony-Sensor mit 17,6mm Diagonale schwarze Ecken, d.h. die Sensorfläche kann überhaupt nicht ausgenutzt werden. Hieraus ergibt sich Tipp Nummer zwei: Informieren Sie sich über die Anforderungen der Sensorfläche, sodass Sie eine Optik wählen können, deren Bildkreis die gesamte Sensorfläche ausleuchtet.

Megapixel-Image-Sensoren im Vergleich (Bild: Jos. Schneider Optische Werke GmbH)

Beugungsscheibchen

Dass zwischen Megapixel-Versprechen und Objektivqualität keinerlei Zusammenhang besteht, lässt sich auch anhand des Beugungsscheibchens veranschaulichen, dem theoretisch kleinsten zentralen Fleck, in dem ein Lichtstrahl fokussiert werden kann. Der Durchmesser des zentralen Rings berechnet sich nach der Formel:

2,44 x Blendenzahl x Wellenlänge

Der Durchmesser des Beugungsscheibchens ist wichtig, weil sich hieraus Konsequenzen für die Bildauflösung und die Wahl der Optik ergeben. Inzwischen sind bei vielen Megapixelsensoren die einzelnen Pixel kleiner als das Beugungsscheibchen, so dass es zu Anrufe wie diesen kommt: „Ich habe hier ein Objektiv mit Blendenzahl f/5,6, das ein Beugungsscheibchen von fast 9µm produziert. Warum sind meine Bilder trotzdem unscharf und erreichen nicht die notwendige Auflösung?“ Wenn ich dann nachhake, stellt sich heraus, dass mit einer Pixelgröße von 1,94µm gearbeitet wird, d. h. dass bei einer Anfangsöffnung von f/5,6 keine einzelnen Pixel angesprochen werden können. Selbst im Idealfall muss das Objektiv für einen einzelnen Punkt im Objektraum einen Cluster aus mindestens vier Pixeln bilden. Was das bedeutet, dürfte klar sein: Sie haben den Bildsensor extra wegen seiner fantastischen Megapixel-Auflösung und geringen Pixelgröße ausgewählt und haben jetzt ein Objektiv, das nicht in der Lage ist, eine der Pixelgröße entsprechende Punktgröße zu liefern, d.h. Sie können die Leistung des Sensors gar nicht nutzen. Die Anschaffung war praktisch für die Katz. Sie nutzen die große Anzahl an Pixeln überhaupt nicht, denn diese werden von dem zu großen Beugungsscheibchen des Objektivs ´aufgefressen´. Wenn Sie glauben, Sie hätten 12MP Auflösung, stimmt das nicht: Sie arbeiten mit der falschen Auflösung.

Fundierte Kaufentscheidungen

Jeden Tag erreichen uns Anfragen nach Objektiven auf der Grundlage der Megapixel-Ausstattung des Kamerasensors. Geduldig erklären wir den Anwendern, dass dies der falsche Ansatzpunkt für die Auswahl des richtigen Objektivs ist. Wenn es um die technischen Daten der Kamera geht, steht die Megapixelleistung an erster Stelle, und das ist auch OK. Wenn Sie aber eine passende Optik für Ihr Kamerasystem auswählen müssen, sollten Sie das Wort Megapixel ausblenden und sich auf die beiden entscheidenden Faktoren konzentrieren: die Größe des einzelnen Pixels und die Abmessungen des Sensors. Leider tragen viele Optikhersteller nicht zur Aufklärung bei: Mit dem griffigen Megapixel-Argument, das jedoch im Objektivbereich keinerlei Relevanz besitzt, führen sie unbedarfte Kunden in die Irre und verleiten zum Fehlkauf. Da es weder einheitliche Datenblätter noch Vorschriften für die Aussagekraft der technischen Daten von Objektiven gibt, liegt es am Kunden, sich ausreichend zu informieren und vor dem Kauf die richtigen Fragen zu stellen.

1. Vergessen Sie die Megapixelzahl und achten Sie stattdessen auf die Pixelgröße. Wenn Sie wissen, was es mit der Pixelgröße auf sich hat, können Sie ein Objektiv auswählen, dessen Auflösungsvermögen bzw. MTF ausreicht, um bei dieser konkreten Pixelgröße einen Punkt zu bilden.2. Informieren Sie sich über die Anforderungen der Sensorfläche, sodass Sie eine Optik wählen können, deren Bildkreis die gesamte Sensorfläche ausleuchtet.

Jos. Schneider Optische Werke GmbH

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