Datenfresser


Bis zu 1,4GPixel pro Sekunde

Am Beispiel des Produkts VE 4000+ Leaflet soll die technische Lösung erläutert werden. Zunächst ein paar Angaben zu den grundsätzlichen Randbedingungen. Zur Erkennung von Druckabweichungen im Größenbereich eines Dezimalpunkts einer 6-Punkt-Schrift ist eine physikalische Pixelauflösung von mindestens 0,1×0,1mm erforderlich und speziell abgestimmte Algorithmen zur Fehlererkennung. Häufig erhöht man die Auflösung auf 300dpi, entsprechend 0,084mm/Pixel. Bei der häufigsten Druckbreite von 520mm erhält man die Querauflösung zu 520mm/0,084mm pro Pixel=6.190Pixel. Als Auflösung in Längsrichtung wird ebenfalls der Wert von 0,084mm/Pixel angestrebt. Da als Kameras ausschließlich Zeilenkameras verwendet werden, kann man die Zeilenfrequenz ermitteln, indem man die Druckgeschwindigkeit durch die Auflösung dividiert: Bei 250m/min (entsprechend 4.166mm/s) ergibt sich ein Wert von ca.50.000Hz Zeilenfrequenz. Damit stehen weitere Kenndaten fest. Die Datenmenge pro Kamera und Sekunde beträgt 50.000Zeilen/s*6.190Pixel=310 MPixel/s. Da Beipackzettel auf beiden Seiten bedruckt sind, werden zwei Kameras verwendet, was die Datenmenge auf 620MPixel/s pro Anwendung erhöht. Die Datenrate steigt nochmals erheblich, wenn größere und schnellere Rollendruckmaschinen ausgerüstet werden sollen. Heute sind Anlagen im Markt, die 850mm breit und bis zu 360m/min schnell drucken. Die Datenmenge wächst damit auf 1,4GPixel/s an. Aufgrund wirtschaftlichen Überlegungen verwendet man s/w-Zeilenkameras, die 8Bit-Grauwerte pro Pixel liefern. Die Verwendung von Farbkameras würde die Datenmenge um Faktor drei und die Kosten für ein Lösung mindestens um Faktor zwei erhöhen. Zudem hat sich herausgestellt, dass die Auflösung von 300dpi zwar für den Vergleich des Druckbilds mit der PDF-Druckvorlage erforderlich ist, andererseits für die Kontrolle des Fortdrucks eine Auflösung von 150dpi ausreicht. Die Datenmenge für die Fehlererkennung im Fortdruck reduziert sich damit auf ¼ der oben gerechneten Werte. Eine reduzierte Datenmenge bringt den Vorteil, dass mehr Rechenzeit für komplexere Verfahren übrig bleibt. Bei der Druckbildkontrolle gilt generell der Grundsatz, dass die Präzision der Fehlererkennung viel stärker von den Verfahren beeinflusst wird, als von den Rohdaten der verwendeten Hardware.

PDF-Abgleich und Fortdruckkontrolle

Beim PDF-Abgleich werden die PDF-Daten, mit denen die Druckplatten belichtet werden, mit den tatsächlich gedruckten Ergebnissen verglichen. Das hat entscheidende Vorteile, denn alle Fehler in der Prozesskette, beginnend von der Bearbeitung der Originalkundendaten bis zum Aufbringen der Farben auf den Bedruckstoff, treten zu Tage. Das Inspektionssystem importiert das PDF, transformiert es in ein prüfbares Bildformat und vergleicht dieses Bild 1:1 mit dem Bild der Zeilenkamera. Dieser Vorgang ist extrem rechenaufwändig, da ein ideales, künstlich erzeugtes Bild (= das PDF) mit dem natürlichen, nicht idealen Bild der Kamera verglichen werden muss. Alle Effekte, wie Verzeichnungen, Pixelraster, Helligkeitsabweichungen müssen kompensiert werden, ohne negative Einflüsse auf die Fehlererkennung. Dieser Vorgang geschieht daher vor dem eigentlichen Druckbeginn, also wenn die Maschine eingerichtet ist und kurz bevor der sogenannte Fortdruck gestartet wird. Im Fortdruck generiert das Inspektionssystem ein sogenanntes ‚Golden Image‘ aus den ersten freigegebenen Druckbildern. Jede neue Zylinderumdrehung erzeugt ein neues Bild, das in Echtzeit mit dem Golden Image verglichen wird. Abweichungen werden so erkannt und können zur gezielten Einflussname auf den Prozess genutzt werden.

Gute Hardware ist nicht alles

Doch bevor wir dazu kommen, noch ein paar Worte zu den noch fehlenden Komponenten. Zeilenkameras fressen Licht! Da die Belichtungszeiten im Bereich von 10 bis 20µs liegen, werden sehr helle, linienförmige Lichtquellen benötigt. Heute verwenden wir dafür geregelte und langzeitstabile LED-Beleuchtungen. Die Beleuchtungsstärken am Auftreffpunkt betragen hier über 100.000Lux. Die Übertragung der Bilddaten geschieht mittels CameraLink an den Framegrabber. Dieser entspricht dem PCI-Express Standard und kann bis zu 800Mbyte/s leisten. Mehrere Framegrabber können in einem PC verwendet werden. Der PC nutzt moderne Prozessoren in Mehrkerntechnik, die von den Algorithmen geschickt zur Leistungssteigerung genutzt werden. Aber noch entscheidender als gut aufeinander abgestimmte Hardware sind die Auswerteverfahren selbst. Obwohl die heutige Prozessortechnik mit bis zu 16 Kernen und Taktraten oberhalb 3GHz scheinbar beliebige Mengen an Rechenkapazität bereithält, ist eine präzise und robuste Druckbildkontrolle nicht leicht zu realisieren. Bei Datenmengen von bis zu einer Milliarde Pixel pro Sekunde, die mehrfach zur Berechnung ‚angefasst‘ werden müssen, relativieren sich die Gigantismen der Prozessorwelt recht schnell, denn die zu kontrollierende Druckbahn oder der zu kontrollierende Druckbogen führt ein Eigenleben. Es passieren unangenehme Dinge aus Sicht des Programmierers, für die er Lösungen finden muss: Das Druckmotiv kann sich um bis zu 3% verlängern und wieder kürzen, sich seitlich und in Längsrichtung bewegen, leicht flattern oder Wellen schlagen. Die Pixel bleiben nie im festen Raster, sondern müssen auf bis zu 1/10Pixel in der jeweiligen Position interpoliert werden, in manchen Fällen auch rotativ. Hat man nach diversen Korrekturen und Interpolationen nun Fehlerkandidaten gefunden, müssen die echten Fehler von den Pseudofehlern (also scheinbaren Abweichungen, die nicht vom Drucken herrühren) unterschieden werden. Nur diese dürfen dem Maschinenführer gezeigt werden. Lediglich ausgefeilte und langjährig optimierte Algorithmen führen hier zu erstklassigen Ergebnissen.

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