Expertenrunde ‚Die Messtechnik der Zukunft‘ – Teil 1/2

Prozesskontrolle und Qualitätsüberwachung wachsen zusammen. Ist das etwas, was bereits stattfindet oder erst in Zukunft erfolgen wird?

Modrich: Das sind Dinge, die heute bereits bei unseren Kunden passieren. Wenn aber stark verkettete Anlagen in Zukunft dezentrale autonome Roboterbearbeitungszentren sind, stellt sich die Frage: Gibt es dann auch einen autonomen dezentralen Messraum, in den sich Teile rein bewegen und dort sowohl Messtechnik als auch Prozesskontrollen durchgeführt werden? Wir müssen uns daran orientieren, wie sich die Produktionsstrukturen verändern. Wenn man über Industrie-4.0-Konzepte nachdenkt, ist klar erkennbar, dass jedes Bauteil mit den Maschinen und Anlagen kommuniziert. Daher stellt sich die Frage: Wie kann ich die Prozesse entsprechend über Daten steuern und regeln, die aus meiner Messanlage kommen?

Reich: Es besteht nicht nur der Wunsch, Produktionsprozesse zu überwachen, sondern auch Probleme bei Qualitätsmerkmalen schneller zu erkennen. Zukünftige Messsysteme werden Anforderungen aus beiden Welten erfüllen müssen.

Christoph: Bei einer unserer Kundenapplikationen werden zunächst die Erstmuster von Aluminiumteilen mit vielen Bohrungen im Messraum gemessen. Man überprüft so die Genauigkeit des Prozesses. Anschließend wird der Prozess überwacht und eine 100-Prozent-Kontrolle durchgeführt. Mit einer automatischen Fertigungsmesszelle mit Roboterbestückung und der Kombination von Koordinatenmesstechnik mit Bildverarbeitung und CT in einer Kette. Es wird so die 100-Prozent-Kontrolle von knapp 1.000 Teilen pro Schicht gewährleistet.

Was möchte der Anwender?

Beyer: Mit weniger Sensoren die bereits erzeugten Prozessdaten besser nutzen. Heutzutage wird im Rahmen der Prozessüberwachung nur darauf geschaut: „Sind die Ergebnisse in der Toleranz oder nicht?“ Untersuchungen zeigen, dass über 80 Prozent der im Automobilrohbau gewonnenen Mess- und Geometriedaten völlig unauffällig sind. Bei einem Aufkommen von 3.000 Messpunkten pro Fertigungstakt und 1.000 Fahrzeugen pro Tag sind das 3 Millionen Messpunkte. Von denen sind 80 Prozent (2,4Mio.) nicht relevant. Nunkann man natürlich diese Messpunkte nicht einfach weglassen, da man vorher nicht weiß, welche Punkte auffällig werden und welche nicht. Allerdings kann man durch eine Onlinebewertung der Prozessdaten eine Dynamisierung einführen. Ein Messdatenmanager überwacht online mittels KI die Messergebnisse pro Takt und legt permanent neu fest, welche Messpunkte interessant, d.h. auffällig sind und welche für den kommenden Messtakt ausgelassen werden können. Durch diese Methode erreicht man mit 2/3 des bisherigen Hardwareaufwands das gleiche Messergebnis mit gleichem Informationsvolumen. Messpunkte, die aus rechtlichen, d.h. Gründen der Produkthaftung, zu 100 Prozent überwacht werden müssen, bleiben bei diesem Verfahren natürlich permanent im Messablauf integriert.

Wirth: Wir haben ein derartiges Projekt mit Herrn Beyer realisiert, aber auch gesehen, dass die Anwender im Werk seinerzeit nicht bereit dafür waren. Da waren wir der Zeit noch etwas voraus. Letztendlich wird sich eine dynamisierte Inline-Messtechnik in den nächsten Jahren weiter durchsetzen, weil auch die Roboterseite immer intelligenter wird, sodass es auch für den Anwender wesentlich einfacher wird, solche Systeme einzusetzen.

Teil 2 erscheint in der InVISION 5/19

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inVISION 4 2019

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