Oberflächeninspektion mit Deflektometrie & photometrischem Stereo

Deflektometrie

Bei spiegelnden Oberflächen stellt sich die Situation nochmals anders dar: Hier sind weder Projektionsverfahren noch photometrisches Stereo anwendbar, da die eingestrahlte Beleuchtung spiegelnd wegreflektiert wird. Die Kamera sieht somit nicht den Lichtpunkt eines auftreffenden Lichtstrahls, sondern die Spiegelung der Umgebung. Für solche Oberflächen ist aber die Deflektometrie das geeignete Werkzeug. Dabei erfasst die Kamera die spiegelnde Reflexion der Umgebung, z.B. eines Bildschirms, der eine geeignete Musterfolge anzeigt. Aus der Geometrie der spiegelnden Reflexion, die durch das Reflexionsgesetz bestimmt wird, lässt sich direkt die Neigung an einem Oberflächenpunkt gewinnen. Damit unterliegt die Deflektometrie stärkeren technischen Einschränkungen als Streulichtverfahren, insbesondere an stark konvexen Oberflächen. Dieses Verfahren erreicht problemlos Neigungsauflösungen, die Oberflächendefekte mit einer Höhe von weit unter einem Mikrometer detektierbar machen. Auch der Mensch nutzt das deflektometrische Prinzip zur Begutachtung von spiegelnden Flächen, was erklärt, dass das geübte Auge ebenfalls Höhendefekte in dieser Größenordnung erkennen kann, und die Deflektometrie zur nahezu perfekten (dazu noch quantitativ reproduzierbaren) maschinellen Nachahmung der menschlichen Oberflächenbewertung macht.

Oberflächenrekonstruktion mittels photometrischen Stereo am Beispiel eines Papiertaschentuchs (Bild: Fraunhofer IOSB)

Bild 2 | Oberflächenrekonstruktion mittels photometrischen Stereo am Beispiel eines Papiertaschentuchs (Bild: Fraunhofer IOSB)

Kombination beider Verfahren

Damit wird die grundsätzliche Ähnlichkeit von photometrischem Stereo und Deflektometrie erkennbar: Beide Verfahren gewinnen direkt Information über die Neigung der Oberfläche. Mathematisch gesprochen erhält man in beiden Fällen ein sog. Normalenfeld, aus dem die tatsächlichen 3D-Koordinaten erst noch in einem weiteren Schritt rekonstruiert werden müssen. Der Nutzen dieser Ähnlichkeit besteht nun in zwei Aspekten: Zum einen sind zahlreiche Oberflächen nicht vollständig spiegelnd, sondern besitzen einen Anteil diffuser Reflexion. Beispiele sind lackierte Oberflächen, bei denen die Decklackschicht für eine spiegelnde Reflexion sorgt, während die Farbschicht eher diffuse Reflexion aufweist. Thema der aktuellen Forschung und Entwicklung ist es daher, beide sensorischen Ansätze zu vereinigen, indem Aufnahmen aus Deflektometrie und photometrischem Stereo in einer gemeinsamen geometrischen Auswertung vereinigt werden. Zum anderen ändern manche Oberflächen während des Produktionsprozesses ihre Reflektanz, z.B. werden im Karosseriebau rohe Bleche verarbeitet, die keinen spiegelnden Glanz aufweisen. Im späteren Lackierprozess erhält das Blech jedoch eine spiegelnde Reflexion, die für die Qualitätsanmutung wichtig ist. Die Schwierigkeit in der Produktion besteht darin, Defekte, die im lackierten Zustand leicht mittels Deflektometrie erkannt werden, bereits im unlackierten Zustand zu detektieren und Defekte bereits in diesem frühen Zustand zu beheben. Photometrisches Stereo bietet hier eine sensorische Chance, mit derselben Methodik Defekte zu erkennen.

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