Praxisvergleich

Vergleich berührender vs. kontaktfreier Schichtdickenmesssysteme
Viele Bauteile mit komplexen Geometrien werden mit hochwertigen Materialien beschichtet. Im folgenden Beitrag werden zwei Vertreter der Schichtdickenmesstechnik (Wirbelstrom und Photothermie) unter realen Einsatzbedingungen in einer bestehenden Beschichtungsanlage von Operationsbestecken verglichen.
Bild 1 | An die Beschichtung dieser OP-Pinzetten werden zahlreiche Anforderungen gestellt, die sich nur mit einer genau bemessenen Schichtdicke erfüllen lassen.
Bild 1 | An die Beschichtung dieser OP-Pinzetten werden zahlreiche Anforderungen gestellt, die sich nur mit einer genau bemessenen Schichtdicke erfüllen lassen.Bild: OptiSense GmbH & Co. KG

Vergleichstests unter den künstlichen Bedingungen eines Labors lassen sich oft nur schwer in die Praxis übertragen. Um möglichst realistische Vergleichsergebnisse zu erhalten, wird deshalb als ´Testparcours´ eine bestehende Beschichtungslinie ausgewählt. Getestet wird bei einer Beschichtungsanlage, auf der Operationsbestecke (Pinzetten) für die Hochfrequenzchirurgie beschichtet werden. Diese elektrisch isolierten Pinzetten bestehen aus Aluminium, das mit einer mehrschichtigen Fluorpolymer-Oberflächenbeschichtung versehen wird. Die Beschichtung muss einerseits sehr dicht, hohlraumfrei und schmutzabweisend sein, um Verkeimungen zuverlässig zu verhindern. Andererseits ist Elastizität und Substrathaftung gefordert, damit keine Lacksplitter in die Operationswunde gelangen. Und nicht zuletzt muss die elektrische Isolationsfunktion über die gesamte Lebensdauer der Pinzette sicher gewährleistet bleiben. Diese Anforderungen lassen sich nur mit einer genau bemessenen Schichtdicke erfüllen. Ist sie beispielsweise zu dünn, sind Haltbarkeit und elektrische Isolation nicht mehr gewährleistet. Ist die Schicht zu dick, können Risse, Bläschen oder Wellen entstehen. Kleinste Fehler im Produktionsprozess können schwerwiegende Folgen für Patient und Operateur haben.

Bild 4 | Ergebnisse der Messsystemanalyse (* Berechnung nicht möglich, da die tatsächliche Schichtdicke nicht bekannt ist)
Bild 4 | Ergebnisse der Messsystemanalyse (* Berechnung nicht möglich, da die tatsächliche Schichtdicke nicht bekannt ist)Bild: OptiSense GmbH & Co. KG

Vergleichsmessung: Wirbelstrom vs. Photothermie

Von den zahlreichen am Markt verfügbaren Schichtdickenprüfmethoden werden zwei repräsentative Verfahren verglichen: das Wirbelstromprinzip als berührende Messung und die Photothermie als kontaktloses Messprinzip.

  • Wirbelstromverfahren: Dieses eignet sich für die Messung elektrisch isolierender Beschichtungen auf metallischem Grundwerkstoff. Der Wirbelstromsensor enthält eine Spule, in der ein elektrischer Wechselstrom ein magnetisches Wechselfeld erzeugt. Wird dieser Sensor auf einen beschichteten metallischen Grundwerkstoff aufgesetzt, so induziert das Magnetfeld im Metall einen Wirbelstrom, der auf das vom Sensor erzeugte Magnetfeld zurückwirkt. Bei plan aufgesetztem Sensor entspricht der Abstand genau der gesuchten Schichtdicke, so dass die Rückwirkung ein Maß für die Dicke der Beschichtung ist.
  • Photothermisches Prinzip: Die photothermische Schichtdickenmessung ist ein kontaktfreies Verfahren für Lacke, Pulverbeschichtungen und Glasuren auf metallischen und nichtmetallischen Untergründen. Dabei werden die unterschiedlichen thermischen Eigenschaften von Beschichtung und Grundwerkstoff ausgewertet, um die Schichtdicke zu bestimmen. Die Oberfläche der Beschichtung wird mit einem kurzen, intensiven Lichtimpuls um einige Grad erwärmt und kühlt anschließend durch Ableitung der Wärme in den Grundwerkstoff wieder ab. Dabei sinkt die Temperatur umso schneller, je dünner die Beschichtung ist. Der zeitliche Temperaturverlauf wird mit einem Infrarotsensor erfasst und in die Schichtdicke umgerechnet. Die Messung erfolgt aus mehreren Zentimetern Abstand. Damit lassen sich nasse und klebrige Schichten ebenso messen wie weiche und empfindliche Oberflächen.
Bild 3 | Korrelation der photothermisch gemessenen Daten (X-Achse) mit den Wirbelstrommessungen (Y-Achse)
Bild 3 | Korrelation der photothermisch gemessenen Daten (X-Achse) mit den Wirbelstrommessungen (Y-Achse)Bild: OptiSense GmbH & Co. KG

Messaufbau und Datenaufnahme

Für den Vergleichstest werden Pinzetten aus einer laufenden Produktion an mehreren Punkten vermessen. Dabei finden die Wirbelstrom und die photothermische Messung direkt hintereinander statt. Um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, müssen beide Verfahren exakt dieselben Positionen der Beschichtung prüfen. Dazu wird der rechte und linke Pinzettenschenkel während der Messung in eine speziell angefertigte Schablone eingelegt. Diese Schablonen enthalten jeweils drei Bohrungen auf jeder Seite, mit denen die Messköpfe der beiden Messsysteme auf dieselbe Stelle ausgerichtet werden. Zunächst werden die Pinzetten per Wirbelstrom vermessen. Der Wirbelstrommesskopf wird durch die Bohrung direkt auf die Beschichtung aufgesetzt, während der photothermische Sensor durch eine dem Messabstand entsprechende Distanzhülse geführt wird. Es werden 50 Pinzetten an jeweils zwölf Punkten vermessen. Dabei wird die Messung an jedem Messpunkt fünf Mal wiederholt, sodass abschließend mit jedem Messverfahren 3.000 Messwerte ausgewertet werden können.

Bild 5 | Mit den Daten aus der photothermischen Messung liegt der Prozessfähigkeitsindex Cp bei allen zwölf Messpositionen wesentlich oberhalb von 1,33.
Bild 5 | Mit den Daten aus der photothermischen Messung liegt der Prozessfähigkeitsindex Cp bei allen zwölf Messpositionen wesentlich oberhalb von 1,33. Bild: OptiSense GmbH & Co. KG

Kalibrierung der Schichtdickenmesssysteme

Beide Methoden sind indirekte Verfahren, bei denen die Schichtdicke nicht unmittelbar gemessen, sondern anhand von Messsignalen errechnet wird. Vor der Auswertung und Analyse der Messwerte erfolgt daher eine Angleichung der photothermischen Daten an die Werte aus der Wirbelstrommessung. Dazu werden die Wirbelstromdaten in einem XY-Diagramm über den photothermischen Daten abgetragen und daraus eine Ausgleichsgerade berechnet, die als Kalibrierung für die photothermische Messung dient. Die Korrelation belegt mit einem Wert von 0,8476 die gute lineare Abhängigkeit der beiden Messreihen, sodass diese Kalibrierung im Anschluss als Basis für den Messmittel-Vergleich des photothermischen Verfahrens verwendet wird. Somit können nun Wirbelstromverfahren und photothermische Messung über eine Messsystemanalyse (MSA) miteinander verglichen werden. Die MSA ist ein statistisches Verfahren aus der Prozessoptimierung, mit dem sich beurteilen lässt, wie gut ein bestimmtes Messsystem für die vorgesehene Messaufgabe geeignet ist. Die MSA liefert für jedes Messsystem zwei Kenngrößen: die Messmittelfähigkeit Cg, welche die Streuung der Messwerte beschreibt und den Messmittelfähigkeitsindex Cgk, der den systematischen Messfehler angibt. Als Minimum für beide Kenngrößen gilt ein Wert von 1,33. Je höher die Kenngrößen über diesem Minimalwert liegen, umso besser ist das Messsystem für die jeweilige Aufgabe geeignet. Für die Berechnung der beiden Kenngrößen ist es erforderlich, die tatsächliche Schichtdicke an den Messpositionen zu kennen. Da diese jedoch bei den gemessenen Pinzetten nicht erfasst ist, wird stattdessen die mit dem Wirbelstromverfahren ermittelte Schichtdicke als Referenz verwendet.

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