Einstapelroboter

Einstapeln von Pressteilen durch 3D-Behälterprüfung
Mit dem Ziel, die Uptime von Presslinien bei einem Automobilhersteller zu erhöhen, hat VMT mit FrameSense ein neuartiges 3D-Messsystem für die Prüfung von Stapelbehältern und das automatische Einstapeln von Fertigteilen per Roboter entwickelt.
Bild 1 | FrameSense ist ein hochauflösendes 3D-Messsystem für die Prüfung von Stapelbehältern und das automatische Einstapeln von Fertigteilen per Roboter. Die Überwachung der Verriegelungen von Behältern ist Teil der Prüffunktionen von FrameSense. – Bild: VMT Vision Machine Technic

Mit hochauflösenden 3D-Sensoren der Sensorfamilie DeepScan sowie smarten Aggregations- und Auswertealgorithmen der VMT-Softwareplattform MSS (Multi Sensor System) werden Abweichungen in Form und Geometrie, die jeweiligen Freiheitsgrade hinsichtlich Position und Orientierung, der Zustand von Anbauteilen und Verriegelungen sowie das Vorhandensein von Störkanten und -konturen hochgenau vermessen. Dies gewährleistet, dass der Einstapelroboter die Fertigteile aus dem Presswerk prozess- und ausfallsicher handhaben und millimetergenau einsetzen kann.

Toleranzen ausgleichen

Die technischen Herausforderungen an die Entwicklung von FrameSense werden klar, wenn man den bisherigen Prozessablauf beim manuellen Einstapeln der Fertigteile betrachtet. Verschiedene Behältertypen – produziert von verschiedenen Herstellern – können unterschiedliche geometrische Zustände aufweisen: – i.O., verformt, evtl. sogar beschädigt. Die aus dem Presswerk über ein Förderband eintreffenden Fertigteile wurden bislang von Personen vom Band genommen und in die Behälter eingesetzt. Dabei erkannte das Personal an diesem Arbeitsplatz visuell deren Position und Ausrichtung, korrigiert diese bei Bedarf und setzt die Fertigteile per Augenmaß intuitiv richtig in die Nester oder Kammleisten der Behälter ein. Gleichzeitig war mit einem Blick feststellbar, ob Verriegelungen geöffnet oder geschlossen waren, ob sich Störobjekte im Behälter befanden – oder ob in den Behälter aufgrund von Beschädigungen überhaupt noch eingestapelt werden konnte.

Alle diese Aufgaben – also die 3D-Positionsbestimmung der Behälter, die Überwachung von Verriegelungen sowie die Vermeidung von Kollisionen mit Störkanten und -konturen – müssen vom Bildverarbeitungssystem als Voraussetzung für einen prozesssicheren Produktionsablauf durchgeführt, sowie in die Berechnung und Ausführung der Roboterbewegungen übernommen werden. Zudem sollten die 3D-Messdaten für die Qualitäts- und Geometriekontrolle der Behälter und deren Lifecycle Management genutzt werden.

Bild 2 | Das Einsetzen der Fertigteile in die Kammleisten durch die Roboter erfordert eine hochpräzise Erfassung von Position und Zustand der Behälter. – Bild: VMT Vision Machine Technic

Schnell, einfach und flexibel

Bei aller Komplexität der Herausforderung galt es, eine Reihe weiterer, betriebsrelevanter Punkte zu beachten. Hier zählten geringe Messzeiten, die den Produktionstakt nicht beeinträchtigen, ebenso dazu wie die messtechnische Eignung der Lösung für unterschiedliche Behältermaterialien und -oberflächen oder auch mögliche neue Behälter in der Zukunft. Einrichtung, Bedienung, Wartung, Rekalibrierung nach einem Sensortausch sowie die Einrichtung neuer Bauteile sollten schnell und einfach durch das Betriebspersonal selbst möglich sein, ohne externe Fachkräfte hinzuziehen zu müssen. Die Messlösung sollte ohne bewegliche Komponenten auskommen – und dadurch höchstmögliche Robustheit und Genauigkeit sicherstellen. Und für den Fall eines Falles wurde Wert auf eine sichere, zeitnahe und kostengünstige Ersatzteilversorgung gelegt.

Modulare Systemarchitektur

FrameSense ist als statisches Messsystem konzipiert und erfüllt alle genannten Anforderungen des Presswerkbetreibers. Die Hardware-Systemarchitektur besteht aus hochauflösenden 3D-Kamerasensoren mit integrierter Messfeldbeleuchtung, deren Messdaten die erforderliche Abbildungsgüte der Behälter gewährleisten. Die Kalibrierung sowie die Zusammenführung der Messdaten und ihre Auswertung erfolgen in einem eigenen IPC mit Visualisierung, Bedienelementen sowie Anbindung an die jeweilige Robotersteuerung. Die Software, die der messtechnischen Lösung zugrunde liegt, basiert auf der VMT-Softwareplattform MSS. Das Tool wurde von VMT entwickelt und vereint mehr als 25 Jahre Erfahrung in der industriellen Bildverarbeitung. Es ist frei konfigurierbar und wird kontinuierlich um neue Algorithmen, Auswerteverfahren und Applikationen erweitert.

Bild 3 | Verschiedene Behältertypen können unterschiedliche Positionen, Ausrichtungen, Verkippungen sowie geometrische Zustände aufweisen. Dies alles wird von FrameSense in 3D gemessen.
Bild 3 | Verschiedene Behältertypen können unterschiedliche Positionen, Ausrichtungen, Verkippungen sowie geometrische Zustände aufweisen. Dies alles wird von FrameSense in 3D gemessen.Bild: VMT Vision Machine Technic

Position und Geometrie

Um die jeweiligen Behälter zu unterscheiden sowie in ihrer Position und Geometrie zu messen, setzt FrameSense auf ein formbasiertes Antastverfahren, das nicht mehr Kanten, Löcher oder andere prägnante Bauteilmerkmale untersucht. Stattdessen wird die gesamte geometrische Außenkontur eines ganzen Bauteils erfasst – also dessen Form, Lage und Orientierung. Die Oberflächengeometrie wird mithilfe von spezieller 3D-Sensorik erfasst, wobei Millionen einzelner 3D-Punkte zu einer Punktwolke zusammengesetzt werden. Die Kalibrierung per Kugel oder Platte, der Einsatz integrationsfreundlicher 3D-Sensoren anstelle von Einzelkameras, die helligkeits- und farbunabhängige Messtechnik, der Wegfall von externer Beleuchtung und die Möglichkeit zur virtuellen Vorab-Inbetriebnahme sind dabei nur einige der Vorteile, die sich aus dem neuen Ansatz ergeben.

Die Software vergleicht die ermittelten Geometriedaten der Behälter mit hinterlegten CAD-Referenzdaten und nutzt sie zur deren 3D-Positionsbestimmung, zur Verriegelungsüberwachung, zum Erkennen von Anbauteilen, störenden Kanten, Konturen und Objekten sowie zur Qualitäts- und Geometriekontrolle. Die Sensoren als auch die von ihnen erzeugten Daten weisen dabei ein Maß an Redundanz aus, das den möglichen temporären Ausfall eines Sensors kompensiert und dadurch weiterhin stabile und valide Messergebnisse liefert. Somit ist auch in einem solchen Fall höchste Prozesssicherheit ohne Einschränkung der Uptime der Anlage gewährleistet.

Positionstoleranzen

Verschiedene Feldversuche in der Anlage im Rahmen der Projektumsetzung haben bestätigt, dass FrameSense alle spezifizierten Aufgabenstellungen zuverlässig erfüllt. Insbesondere was die Lage- und Positionstoleranz der Behälter betrifft, wollten die beteiligten Partner wissen, was noch geht, d. h. bis zu welchen Randbedingungen ein zuverlässiges Einstapeln der Pressteile durch die Roboter noch möglich sein würde. Die Ergebnisse waren erstaunlich: selbst signifikant verschobene, verdrehte oder verkippte Behälter konnten noch prozesssicher beladen werden. Das Visionsystem ist damit so tolerant, dass es auch eine sehr ungenaue Positionierung oder Ausrichtung noch abfängt – die Bahn des Roboters also so korrigiert, dass die Maschine einstapeln und die Anlage weiterlaufen kann.

Vielfältiges Ausbaupotenzial

Das Lösungspotenzial von FrameSense reicht weit über die beschriebene Projektapplikation des robotergestützten Einstapelns von Fertigteilen in einem Automobilwerk hinaus. So ist es ohne großen Aufwand möglich, die Daten von Behältern mit einer unverwechselbaren Barcode- oder RFID-Kennzeichnung statistisch zu nutzen, um beispielsweise häufig beschädigte Behälter zu identifizieren und mögliche Ursachen zu eruieren. Hierbei können im Rahmen der Qualitätskontrolle die Realdaten von Behältern erfasst, in Mess- und Inspektionsdateien übernommen, durch Statistiktools ausgewertet und für das Lifecycle Management gesichert werden. Behälter lassen sich im Prozess orten und tracken, Behälterkreisläufe werden transparent, auch mögliche Schadenquellen und -verursacher werden identifizierbar. In Analogie zum beschriebenen Projekt kann FrameSense auch bei Automobil-Zulieferern eingesetzt werden, die beispielsweise Türen, Motorhauben oder Dachmodule herstellen und diese für den Transport in das Automobilwerk in entsprechende Ladungsträger einstapeln müssen. Auch auf intralogistische Transporthilfsmittel wie Werkstück- und Werkzeugträger, Kleinpaletten, Kreislaufgebinde und andere Behältnisse kann das System entsprechend angepasst werden – zumal mit abnehmender Behältergröße auch die Systemarchitektur kompakter werden kann, weil beispielsweise weniger Sensoren benötigt werden. Nach dem Entnehmen von Teilen per Roboter hat VMT mit der neuen Systemlösung FrameSense nun auch den umgekehrten Arbeitsschritt – das präzise Positionieren von Teilen in einem Behälter durch einen Roboter – prozesssicher gelöst.

VMT Vision Machine Technic
http://www.vmt-systems.com

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